ribbon-yellow
Loading

Spiritualität

Stand September 2019
Dies ist die aktuell gültige Version des Dokuments

1Allgemeine Informationen

Welchen Sinn hat Spiritualität für junge Menschen die an Krebs erkrankt sind?

Spiritualität – eine Kraftquelle für viele. Aber was ist damit gemeint? Für den Einen bedeutet es, zur Ruhe zu kommen, zu sich selbst zu finden und mit sich selbst in Kontakt zu kommen. Dabei wird der Begriff eher innerweltlich (immanent) verstanden. Für andere Menschen hat Spiritualität eher mehr mit Glauben, Gott, religiösen Übungen oder einer übernatürlichen Ebene (transzendent) zu tun.

Spiritualität ist in vielen Kulturen ein völlig normaler Lebensbereich. Gebete, Ruhe, Meditation oder spirituelle Übungen gehören für viele Menschen ganz selbstverständlich zum Alltag. In Mitteleuropa haben dagegen viele Menschen den Bezug dazu verloren. In schwierigen Zeiten kann das Bedürfnis, wieder zu sich selbst zu finden oder mit dem Übernatürlichen, der Natur oder mit Gott in Kontakt zu kommen, sehr bedeutend werden.

Auch wenn wir in einer sehr offenen Gesellschaft leben, ist Spiritualität weitgehend aus dem öffentlichen Alltag verschwunden und etwas rein Persönliches, ja fast intimes geworden. Deshalb braucht es meist etwas Mut, Freiraum hierfür zu schaffen und einen individuellen Weg zu gehen.

Der folgende Artikel soll den Mut bekräftigen, eigene Wege der Spiritualität zu finden und andererseits auch die Freiräume für Themen schaffen, die vielen Menschen wichtig sind. Ganz egal, ob Spiritualität eher die Ruhe und Suche nach einem selbst ist, der Bezug zu Gott oder einem übernatürlichen Wesen oder einfach eine Kraftquelle darstellt – dieser Beitrag zeigt Hinweise auf, die sich als hilfreich für Betroffene zeigten.

2Gut zu wissen

Worin drückt sich Spiritualität aus?

Spiritualität hat viele Gesichter und kann sich zum Beispiel in bestimmten Symbolen oder Ritualen, denen Bedeutung zugeschrieben wird, als auch in der Meditation oder im Gebet ausdrücken. Nachfolgend dazu ein paar Erläuterungen:

2.1Symbole

Für viele Menschen grundsätzlich wichtig: Symbole. Ein gemeinsames Profilbild in sozialen Medien kann z.B. ein solches wichtiges Symbol der Beziehung sein. Dieses Bild kann daran erinnern, dass da jemand ist, der für den Betroffenen da ist, der liebt und der dazugehört. Auch religiöse Symbole können an tiefere Wahrheit erinnern und somit Kraft geben. Welche Symbole individuell wichtig sind, ist sehr unterschiedlich, aber sie können an Sinnhaftigkeit erinnern und somit Kraft geben. Das gilt auch im Zusammengang mit einem stationären Krankenhausaufenthalt, der hierzu auch Möglichkeiten bietet!

Wir alle benötigen regelmäßig Menschen, die unterstützen. In schwierigen Lebensphasen können Mitmenschen dabei helfen, mit der eigenen Kraftquelle in Kontakt zu bleiben. Das können Geistliche oder einfach auch gute Freunde sein. Oft erleben junge PatientInnen, dass Freunde durch die Krankheit überfordert sind und sich aus Unsicherheit weniger oder gar nicht melden. Hier hilft vielleicht ein offenes und ehrliches Gespräch mit den betreffenden Personen (siehe auch Kapitel 3 - Tipps und Tricks).

2.2Rituale

Rituale sind fester Lebensbestandteil und geben Halt und Sicherheit. Das kann das gemeinsame Frühstück am Sonntag sein, der Fernseh-Abend, religiöse Rituale oder eine feste Zeit der Meditation. Muslime waschen sich in der Moschee die Füße vor dem Gebet als Zeichen der spirituellen Reinigung. Christen feiern gemeinsam das Abendmahl als Zeichen der Liebe Gottes zu den Menschen.

Rituale sind jedoch sehr unterschiedlich und es geht ähnlich wie bei Symbolen darum, einen tieferen Zusammenhang oder eine tiefe Wahrheit für uns Menschen sichtbar bzw. greifbar zu machen. Spirituelle Rituale oder „Zeichenhandlungen“ sind für viele Menschen hilfreiche Erinnerungen im Krankenhausalltag, dass es mehr zwischen Himmel und Erde gibt, als wir verstehen und sehen können. Weiter können sie Sicherheit geben und helfen mit den Herausforderungen, die eine Krebserkrankung mit sich bringt, besser zurechtzukommen.

2.3Meditation und Gebet

Mit einem selbst oder einer „höheren Macht“ in Kontakt sein! Die Meditation oder auch das Gespräch mit einer „höheren Macht“ sind etwas sehr Persönliches und für viele Menschen ebenfalls eine Quelle für Kraft und Zuversicht.

In Zeiten, in denen Krankheit, Unsicherheit oder Angst das Leben schwierig machen, kann die Meditation oder das Gebet Halt geben, zur Ruhe kommen lassen und einen Blick über den Tellerrand ermöglichen.

So unterschiedlich, wie wir Menschen unsere Beziehungen leben, wird auch Glaube und Spiritualität gelebt. Niemand möchte gestört werden, während man mit dem Freund oder der Freundin zusammen ist, zärtlich ist, oder einfach wichtige Themen bespricht. Dieser persönliche Freiraum der Intimität in einer Beziehung unterscheidet sich gar nicht so sehr von spirituellen Momenten, die genauso ihren Platz und ihren geschützten Rahmen brauchen.

Vielleicht mangelt es im Krankenhaus an Sensibilität oder dem ungestörten Rahmen, Spiritualität zu leben. Es ist dann wichtig und hilfreich, mit Pflegenden oder dem ärztlichen Team zu besprechen, wie und wann es möglich ist, ungestörte Momente zu schaffen.

2.4Spiritualität hat viele Gesichter

Hoffnung, das Gefühl geliebt zu sein, Vertrauen, Sicherheit und Geborgenheit – all das kann Spiritualität geben. Manche Menschen erleben sie in der Natur, in der Kunst, im Sport, in sexuellen Erfahrungen, in Mitmenschen oder in Glaube und Religion. Jede Form hat ihre Berechtigung und ist gut so, wie sie ist.

3Tipps und Tricks

3.1Über Bedürfnisse reden

Für die Betroffenen ist es hilfreich mit Freunden, Familienangehörigen und nahestehenden Bezugspersonen über die ganz persönlichen Bedürfnisse zu reden. Die offene Kommunikation unterstützt einerseits die PatientInnen und auf der anderen Seite ist es auch für das Umfeld hilfreich, praktische Unterstützung zu leisten. Mit anpacken befreit - im wahrsten Sinn des Wortes - aus der „Hilflosigkeit“. Nur wenn Angehörige wissen, was sie tun können, wie sie für die Erkrankten da sein dürfen, ist konkrete hilfreiche Unterstützung möglich.

Das können durchaus auch ganz praktische Dinge und Tätigkeiten sein, wie zum Beispiel Wäsche zu waschen, zusammen Filme schauen, Musik hören, spielen oder aber auch spirituelle Unterstützung, wie z.B. zusammen zu beten, reden, meditieren oder auch nur zu schweigen.

3.2Leben wichtiger Rituale – auch im Krankenhaus

Die innere Kraftquelle ist herausragend wichtig! Sie liefert Kraft durchzuhalten, auch wenn so vieles in den Krankheitsphasen für junge PatientInnen schwierig ist. Gewohnte Rituale machen Mut und geben Sicherheit.

Im Krankenhaus liegt der Fokus natürlicherweise auf der medizinischen Betreuung. Vielleicht können aber trotzdem hilfreiche Gespräche mit einfühlsamen Pflegenden, ÄrztInnen oder PsychoonkologInnen stattfinden.

Den Blick für die eigenen Rituale kann und muss jeder, für sich selber haben. Eine gute Idee ist es sicher, sich kurz Zeit zu nehmen und zu überlegen, welche Rituale bisher im Leben hilfreich waren, oder welche neuen Rituale ausprobiert werden könnten.

3.3Freiräume schaffen, um die persönliche Kraftquelle so zu leben, wie es wichtig ist!

In der Klinik gibt es oft kaum Ruhephasen, was nicht nur für ÄrztInnen und Pflegende so ist, sondern auch für viele PatientInnen. Die Tür geht ständig auf und jedes Mal will jemand irgend etwas: Betten machen, Essen bestellen, Frühstück bringen, Visite, Dusche putzen, Vitalwerte messen, Blut abnehmen, … und das alles schon vor neun Uhr!

Bei diesem dauernden Betrieb ist es hilfreich, wenn PatientInnen, Pflegende und ÄrztInnen offen besprechen, wann ungestörte Zeitfenster möglich sind. Auf vielen Stationen gibt es hierzu z.B. bereits Türschilder mit der Aufschrift „Bitte nicht stören“. Pflegende und ÄrztInnen haben sicher Verständnis und können so den Betroffenen etwas Privatsphäre ermöglichen.

Dieser kleine Überblick zum Thema Spiritualität soll PatientInnen Mut machen spirituelle Bedürfnisse zu leben und vielleicht kann er auch Behandler, Pflegende und Angehörige motivieren einen eigenen, spirituellen Zugang zu finden oder wiederzufinden und zu pflegen.

4Gender

Die in diesem Text verwendeten Genderbegriffe vertreten alle Geschlechtsformen.

5Anschriften der Experten

Jens Richard Stäudle
Robert-Bosch-Krankenhaus GmbH
Auerbachstr. 110
70376 Stuttgart

6Erklärungen zu möglichen Interessenkonflikten

Download

Reference:

Quellenangabe:

Onkopedia-Leitlinien werden kontinuierlich an den Stand des Wissens angepasst. Die jeweils gültige Version, AGB und Nutzungsbedingungen finden Sie unter www.onkopedia.com.

Für die kommerzielle Nutzung wenden Sie sich bitte an onkopedia@dgho.de.

Onkopedia guidelines are continuously adapted to the state of knowledge. The currently valid version, terms of use and general terms and conditions can be found at onkopedia-guidelines.info.

For commercial use, please contact onkopedia@dgho.de.

Kommentare