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Amyloidose (Leichtketten (AL) - Amyloidose)

ICD-10 E85.-
Stand September 2017
Dies ist nicht die aktuelle Version. Siehe: Amyloidose (Leichtketten (AL) - Amyloidose)

1Zusammenfassung

Amyloidosen sind seltene Proteinfaltungskrankheiten, bei denen sich Proteine infolge einer Konformationsänderung als unlösliche fibrilläre Aggregate ablagern. Dies kann systemisch (Produktion- und Ablagerungsort verschieden) oder lokalisiert (Produktion- und Ablagerungsort ident) erfolgen. Die Nomenklatur richtet sich nach dem amyloidogenen Protein. Systemische Amyloidosen sind lebensbedrohliche Komplikationen von monoklonalen Gammopathien (Leichtketten, AL-Amyloidosen), chronischen Entzündungen (Serum Amyloid A, AA-Amyloidosen) oder sie treten im Rahmen einer monogenetischen Erkrankung familiär auf (am häufigsten Transthyretin, TTR-Amyloidosen). Die kausale Behandlung der AL-Amyloidose besteht in der Reduktion der Amyloid-bildenden Leichtketten mittels Chemotherapie. Die Frühdiagnose der Erkrankung ist essenziell, da dann die Patienten noch Chemotherapie-fähig sind und sie daher noch effektiv behandelt und eine weitere Funktionsverschlechterung der Organe verhindert werden können.

2Grundlagen

2.1Definition und Basisinformationen

Amyloidose ist ein Oberbegriff für verschiedene Erkrankungen mit unterschiedlicher Ursache, Prognose und Therapie [1]. In dieser Leitlinie soll auf die bei uns häufigste Form, die AL-Amyloidose, eingegangen werden. Es sind zur sicheren Differenzialdiagnose und korrekten Therapieauswahl aber auch Kenntnisse über die anderen Amyloidosen (siehe oben) erforderlich.

2.2Epidemiologie

Die Inzidenz beträgt 5-13 Personen pro Million Einwohner/Jahr in der nordamerikanischen Bevölkerung [2]. Für Deutschland liegen keine exakten Zahlen vor, da die Erkrankung u.a. nicht in Registern erfasst wird. Die Häufigkeit der Erkrankung nimmt mit steigendem Alter zu, wie auch die Häufigkeit der monoklonalen Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) [3], siehe Onkopedia Monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz. Männer erkranken häufiger als Frauen.

2.3Pathophysiologie

Amyloidosen sind Proteinfehlfaltungskrankheiten, bei denen sich verschiedene vom Körper produzierte Eiweiße infolge einer Konformationsänderung als unlösliche fibrilläre Aggregate ablagern. Dies geschieht bei den systemischen Formen meist extrazellulär, betroffen können alle Gewebe sein [45].

Bei 90% der Patienten mit AL-Amyloidose liegt als Ursache eine Plasmazell-Dyskrasie mit Expression einer monoklonalen Gammopathie (MG) vor; nur ca. 10% sind an einem symptomatischen multiplen Myelom oder einem B-Zell-Lymphom erkrankt. Bei den meisten Patienten wird daher die zugrunde liegende klonale Knochenmarkerkrankung als monoklonale Gammopathie, Plasmazell-Dyskrasie (mit Signifikanz) oder smoldering myeloma bezeichnet.

Das Paraprotein, das zur Amyloidose führt, ist im Gegensatz zum multiplen Myelom zu 80% lambda-positiv und meist durch das Fehlen einer schweren Kette in der Immunfixation im Serum gekennzeichnet. In der zytogenetischen Untersuchung des Knochenmarks mittels iFISH findet sich bei > 50% der Patienten eine Translokation t(11;14) [6].

3Vorbeugung und Früherkennung

3.1[Kapitel nicht relevant]

3.2Früherkennung

Bei Patienten mit monoklonaler Gammopathie und pathologischem Leichtketten-Quotienten:

- Herzamyloidiose: NT-BNP Messung

- Nierenamyloidose: Bestimmung von Albumin im Urin

4Klinisches Bild

4.1Symptome

Erste Symptome wie Müdigkeit, Inappetenz, Gewichtsverlust oder verringerte körperliche Belastbarkeit sind unspezifisch, so dass in den seltensten Fällen, oder per Zufall bei einer Biopsie, eine Frühdiagnose gelingt. Wenn der Patient organbezogene Symptome entwickelt, ist es bereits häufig zu einer fortgeschrittenen Schädigung bzw. Störung der Organfunktion aufgrund massiver Amyloid-Ablagerungen gekommen. Eine umfangreiche Diagnostik zur Evaluation des Ausmaßes des Organbefalls ist notwendig; dies spielt eine große Rolle für die Prognose und Therapiemöglichkeiten [7]. Tabelle 1 listet die Symptome der AL-Amyloidose und deren Abklärung auf.

Tabelle 1: Symptome der AL-Amyloidose 

Organ

Symptome

Abklärung

Herz

Dyspnoe bei Belastung, Ödeme, Palpitationen, Hypotonie, Ruhetachykardie
Pleura- und Perikarderguss

EKG, Echokardiografie, Kardio-MRT, Holter-Monitoring, Röntgen oder CT Thorax

Niere

Ödeme (nephrotisches Syndrom)

Sammelurin

Magen-Darm-Kanal

Inappetenz, Gewichtsverlust, Diarrhoe, GI-Blutungen

Endoskopie

Leber

Harte Hepatomegalie, Ascites

Sonografie, Messung von AP und gamma-GT

Peripheres Nervensystem

Sensomotorische Polyneuropathie

ENG, EMG

Autonome Neuropathie

Eingeschränkte Herzfrequenz-Variabilität, Orthostase, Diarrhoe oder Obstipation, Blasenentleerungsstörung

Schellong-Test, Holter-EKG, Kipptisch, Sonographie

Weichteile

Makroglossie, Hauteinblutungen (z.B. periorbitale Blutungen), Heiserkeit, Splenomegalie, Gerinnungsstörungen, Gelenkschwellungen

Faktor X Messung
Sonografie Milz und Restharn

Lunge

Dyspnoe, O2-Diffusionsstörung,

Infiltrate

Röntgen und CT Thorax
Spirometrie mit Diffusionskapazität


Selten entsteht eine AL-Amyloidose als rein lokale Amyloidose, bei denen Produktions- und Ablagerungsort identisch sind. Diese findet sich in ableitenden Harnwegen, Kehlkopf und Bronchialbaum, in der Haut oder als Rundherd in der Lunge. Die Pathogenese ist unklar. Langzeitnachbeobachtungen zeigen, dass es praktisch nie zu einem Übergang in eine systemische Amyloidose kommt, da keine amyloidogenen Leichtketten zirkulieren. Lokale Amyloidosen werden lokal-chirurgisch oder gar nicht behandelt. Es besteht keine Indikation zur Chemotherapie. Die Patienten sollten anfänglich alle 1-2 Jahre hämatologisch untersucht werden, um den Verlauf zu beurteilen und sicher zu dokumentieren, dass es sich um eine lokale Amyloidose handelt, da die Differenzierung zu systemischen Formen anfänglich nicht immer sicher ist. Bei Lymphknotenbeteiligung ist auf die Entwicklung eines Lymphoms zu achten.

5Diagnose

5.1Diagnose-Kriterien

Die Diagnose der Amyloidose ist nur per Gewebsbiopsie möglich. Hier werden Kongorot-positive, interstitielle oder vaskuläre Amyloidablagerungen nachgewiesen, die polarisationsoptisch eine grüne oder rot-gelbliche Doppelbrechung aufweisen.

Es ist häufig nicht notwendig, das klinisch betroffene Organ zu biopsieren.

Als Screeningmethode eignen sich Biopsien von subkutanem Fett, Knochenmarkbiopsie oder (tiefe!) Rektumbiopsie. Auch lohnt es sich, die Patienten nach Biopsien der vergangenen 1-2 Jahren aus anderem Anlass zu befragen, da die Kongorotfärbung an diesen Biopsien auch noch nachträglich durchgeführt werden kann und somit eine neue Biopsie evtl. überflüssig wird. Dies ist bedeutsam, da bei den Amyloidose-Patienten mit einem höheren Blutungsrisiko zu rechnen ist, auch wenn die plasmatische Gerinnung und Thrombozytenzahl und –funktion unauffällig sind.

Im nächsten Schritt muss eine Typisierung des Amyloids erfolgen, um Fehldiagnosen zu vermeiden, da Patienten zwar eine monoklonale Gammopathie, aber eine andere Form als die AL-Amyloidose haben können [89]. In Deutschland hat sich die Immunhistologie als Standard etabliert [10].

5.2Diagnostik

5.2.1Erstdiagnose

Besteht bei einem Patienten aufgrund der oben genannten Symptome der Verdacht auf das Vorliegen einer AL-Amyloidose, so werden folgende Untersuchungen empfohlen:

Allgemeine Diagnostik:

  • Anamnese

  • Körperliche Untersuchung mit Blutdruck und Puls, Schellong-Test

Laborparameter:

  • Blutbild einschließlich Differenzialblutbild, Jolly-Körperchen

  • Elektrolyte (Natrium, Kalium, Kalzium)

  • Nierenretentionsparameter (Kreatinin incl. berechneter GFR, Harnstoff)

  • Leberwerte (GOT, GPT; AP, gamma GT, LDH)

  • Gesamteiweiß und Albumin im Serum

  • Elektrophorese mit Bestimmung des M-Gradienten; Immunfixations-Elektrophorese im Serum und Urin

  • Immunglobuline (IgG, IgA, IgM) quantitativ

  • Freie Kappa- und Lambda-Leichtketten im Serum quantitativ incl. Berechnung des Quotienten und der Differenz (dFLC)

  • 24 h-Sammelurin zur Quantifizierung der Eiweiß- und Albumin-Ausscheidung und zur Quantifizierung der Leichtkettenausscheidung

  • Kardiale Biomarker (TNT, NT-ProBNP)

  • Quick, PTT, Faktor X

Bildgebende Diagnostik:

  • Projektionsradiographie („Pariser Schema“) oder Low-Dose-Osteo-CT zur Diagnostik von Osteolysen und zur Stabilitätsbeurteilung (höhere Sensitivität, jedoch höhere Strahlendosis als Projektionsradiographie)

  • CT Thorax und Spirometrie bei V.a. pulmonale Amyloidose

  • MRT bei Verdacht auf Weichteil-Manifestationen, z.B. bei Gelenkschwellungen

  • Transthorakale Echokardiographie, EKG, ggf. Kardio MRT

  • 24h-EKG (Rhythmusstörung und eingeschränkte Herzfrequenzvariabilität)

  • Sonografie Abdomen (Leber- und Milz-Größe, Restharnmessung)

  • Neurologische Untersuchung mit elektrophysiologischer Untersuchung

Zytologische/histologische Sicherung der zugrunde liegenden Knochenmarkerkrankung:

  • Knochenmarkzytologie (prozentualer Anteil Plasmazellen)

  • Multiparametrische Immunphänotypisierung des Knochenmarks zum Ausschluss einer zugrunde liegenden Lymphomerkrankung

  • Knochenmarkbiopsie (Anteil monoklonaler Plasmazellen, Ausschluss lymphatische Infiltration und Amyloid-Nachweis)

  • Optional: FISH-Untersuchung auf Translokation t(11;14), Zugewinn 1q21, Deletion 17p13 und t(4;14)

5.2.2Krankheitsverlauf

Im Rahmen des internationalen Amyloidose-Kongresses in Tours 2004 wurde ein Konsensus-Papier erarbeitet, in dem die Kriterien der hämatologischen Remission und des Organansprechens definiert wurden [11]. Durch Palladini et al. [12] wurde der Begriff der „sehr guten partiellen Remission“ (VGPR) neu eingeführt und die Kriterien des kardialen Organansprechens erweitert. Im Vergleich zum multiplen Myelom spielen die freien Leichtketten im Serum bei der Einschätzung der hämatologischen Remission eine übergeordnete Rolle. Neu eingeführt wird auch die Messgröße dFLC (Differenz zwischen involvierter und nicht-involvierter freier Leichtkette), da Amyloidose-Patienten häufig eine eingeschränkte Nierenfunktion haben. Dies kann auch zum Anstieg der gesunden Leichtkette im Serum führen.

Zu beachten ist, dass das Organansprechen der hämatologischen Remission meist erst Monate bis Jahre nachfolgt.

Organfunktionsverschlechterungen unter Therapie sind häufig auf Therapie-Nebenwirkungen zurückzuführen und sind nicht unbedingt als Progress der Amyloidose zu deuten.

5.2.2.1Responsekriterien der International Society of Amyloidosis [13]
5.2.2.1.1Immunologische Remission

Kriterien einer kompletten Remission (aCR = amyloidoseCR):

  • negative Immunfixation in Serum und Urin

  • normaler Quotient der freien Leichtketten im Serum.

Kriterien einer sehr guten partiellen Remission (VGPR): nur anwendbar, wenn dFLC vor Therapie > 50 mg/l beträgt

  • positive Immunfixation in Serum und / oder Urin

  • dFLC < 40 mg/l

Kriterien einer partiellen Remission (PR):

  • Reduktion der dFLC um 50%

Kriterien einer progredienten Erkrankung (PD):

  • Verdopplung der dFLC vom niedrigsten Wert ausgehend, Anstieg > 100 mg/l

Kriterien einer stabilen Erkrankung (SD):

  • weder CR, VGPR, PR oder PD.

5.2.2.1.2Organbezogene Remission

Herz

  • Abnahme der Septumdicke um 2 mm oder

  • Besserung des NYHA Stadiums um 2 Stufen bei unveränderter Diuretika-Dosis

  • Abnahme des NT-ProBNP Wertes um 30% (mindestens um 300 ng/l)

Niere

  • Reduktion der Proteinurie um 50% bei stabiler Nierenfunktion

Leber

  • Abnahme der Organgröße um 2 cm in der Schnittbildgebung

  • Abfall der über den Normbereich erhöhten AP um 50%

Magen-Darm-Kanal, Nervensystem, Lunge, Weichteile

  • Keine objektiven Kriterien definiert

5.3[Kapitel nicht relevant]

5.4[Kapitel nicht relevant]

5.5Differenzialdiagnose

Die Differenzialdiagnose anderer Amyloidosen spielt eine herausragende Rolle vor der Therapieeinleitung, um die Indikation zur Chemotherapie sicher zu stellen.

Die Tabelle zeigt die aktuelle Klassifikation der Amyloidosen, die in der Differenzialdiagnose zu berücksichtigen sind. Die Einteilung der Amyloidosen erfolgt nicht mehr wie früher als „primäre“ oder „sekundäre“, sondern entsprechend des Amyloid-bildenden Proteins. Eine Sonderstellung hat die Transthyretin-Amyloidose, da sie sowohl erworben (SSA, neu: wild-Typ TTR Amyloidose) oder hereditär auftreten kann.

Tabelle 2: Differenzialdiagnose der AL-Amyloidose 

Typ

Abk.

Vorläuferprotein

Syntheseort

Zugrunde liegende Erkrankung

Bemerkung

Leichtketten

AL

Monoklonale

Immunglobulin- Leichtkette

Knochenmark

 

selten andere lymphatische Organe

Plasmazell-Dyskrasie mit Expression einer monoklonalen Leichtkette, selten multiples Myelom oder andere B-Zell-Lymphome

Häufigster Typ in industrialisierten Ländern

Alle Organe außer ZNS betroffen

Serum-Amyloid A

SAA

Serum Amyloid A

Leber

Chronische Entzündungen

Häufigster Typ in nicht-industrialisierten Ländern

Meist Niere und Magen-Darm-Kanal betroffen

wildtyp-TTR- Amyloidose

wt-TTR

Unmutiertes Transthyretin

Leber > 90%

Assoziiert mit dem Altern

meist Männer > 65 Jahre

wird häufig nicht diagnostiziert

meist ausschließliche Herzbeteiligung

Transthyretin

ATTR

Mutiertes Transthyretin

Leber > 90%

Hereditär

 

> 100 Mutationen bekannt

Häufigster

hereditärer Typ

häufig peripheres Nervensystem und Herz betroffen

 

Fibrinogen

AFib

Mutierte Fibrinogen
α-Kette

Leber

Hereditär

 

6 Mutationen bekannt

Ausschließliche Nierenbeteiligung

ApoA-I

AApoAI

Mutiertes Apolipoprotein AI

Leber, Darm

Hereditär

 

> 50 Varianten bekannt, >13 mit Amyloidose assoziiert

Meist Nieren-, Leber- und Herzbeteiligung

Standard zur Differenzierung der verschiedenen Amyloidtypen ist in Deutschland die Immunhistologie, die von spezialisierten Pathologen oder Instituten durchgeführt werden sollte. Eine erneute Biopsie ist meist nicht erforderlich.

Humangenetische Diagnostik

  • Wichtigste Differenzialdiagnose der kardialen Amyloidose ist die TTR-Amyloidose. Durch eine Mutationstestung des Transthyretin-Gens kann die hereditäre Form sicher ausgeschlossen werden. Bei Fehlen einer Mutation und Nachweis von Transthyretin im Amyloid ist von einer alterungs-assoziierten (wildtyp) TTR-Amyloidose auszugehen. Da Patienten, die älter als 70 Jahre sind, relativ häufig auch eine monoklonale Gammopathie aufweisen, ist die Differenzialdiagnose der AL- zur TTR- unabdingbar, um nicht Patienten mit Wildtyp-TTR-Amyloidose versehentlich mit Chemotherapie zu behandeln.

  • Bei Patienten mit isolierter Nierenamyloidose und ggf. Fehlen einer monoklonalen Gammopathie ist der Ausschluss familiärer Amyloidoseformen notwendig (z. B. ApoA1- oder Fibrinogen-alpha-Amyloidose).

  • Die Zustimmung zur Keimbahnmutationsuntersuchung unterliegt den Regelungen des Gendiagnostikgesetzes.

  • Bei Nachweis einer Mutation sollten Angehörige nicht sofort getestet werden, sondern zu einer humangenetischen Beratung überwiesen werden.

Falls die Amyloidose mit diesen Methoden nicht sicher zugeordnet werden kann, ist eine weitere Amyloid-Diagnostik anzustreben (z.B. MALDI) [14].

6Therapie

6.1Therapiestruktur

Eine Therapie ist bei jeder AL-Amyloidose mit signifikantem Organbefall indiziert. Die Kriterien für die Organbefälle wurden in Konsensuskriterien definiert [11]. Durch die Evaluation der kardialen Biomarker TNT und NT-ProBNP sind bessere Aussagen zu Ansprechen und Prognose möglich [12]. Ziel der Therapie ist es, weitere Amyloidablagerungen zu verhindern. Konsekutiv kommt es dadurch zu einer Stabilisierung der Organfunktionen, bei einigen Patienten sogar zu einer klinisch bedeutsamen Verbesserung, z.B. Halbierung der Albuminurie.

Die Therapieauswahl richtet sich nach folgenden Kriterien:

  • Alter

  • Karnofsky-Index

  • Anzahl der betroffenen Organe

  • Grad der Herzinsuffizienz (NYHA Stadium, kardiales Mayo Stadium: Erhöhung von TNT und NT-ProBNP [1315]

  • Grad der Niereninsuffizienz

  • Vorliegen einer Amyloidose-bedingten Polyneuropathie

Ein Therapiealgorithmus für die Erstlinientherapie ist in Abbildung 1 dargestellt. Wenn möglich, sollen Patienten in Studien eingebracht werden.

Abbildung 1: Erstlinientherapie bei Leichtketten (AL)-Amyloidose 

Die Chemotherapie von Patienten mit AL-Amyloidose wird von den Therapieschemata des multiplen Myeloms abgeleitet, siehe Onkopedia Multiples Myelom.

Infrage kommen Melphalan-haltige Chemotherapien oder Kombinationen mit neuen Substanzen. Da die Erkrankung sehr selten ist, gibt es keine expliziten Amyloidose-Zulassungen für diese Medikamente. Phase 3-Studien wurden erst kürzlich begonnen, es ist aber derzeit unklar, ob diese zu einem Zulassungsantrag durch die pharmazeutischen Firmen führen werden. Hinsichtlich der Auswahl der Zusammensetzung, Dosierungen und Dauer der Therapie muss individuell vorgegangen werden. Wenn möglich, sollten Patienten in Studien eingebracht werden.

Zur Vermeidung von lebensbedrohlichen Nebenwirkungen oder vorzeitigen Therapieabbrüchen sollten die meisten Patienten mit niedrigeren Dosierungen als beim MM behandelt werden.

6.1.1Erstlinie

6.1.1.1Induktionstherapie

Der Stellenwert einer Induktionstherapie vor geplanter Hochdosistherapie ist bisher nicht geklärt. Ziel ist es, die Remissionsraten zu verbessern und evtl. schon vor der geplanten Hochdosistherapie eine Stabilisierung des körperlichen Zustands zu erreichen.

6.1.1.2Hochdosistherapie mit autologer Stammzelltransplantation

Die Hochdosis-Melphalantherapie (200 mg/m²) mit folgender autologer Stammzelltransplantation ist bei Patienten ist über Jahre hinweg wichtigstes Therapieelement für junge Patienten gewesen. Maßgeblich ist die Anwendung von Auswahlkriterien, um die Eignung des Patienten zu prüfen. Bei Nicht-Einhaltung dieser Kriterien steigt die Transplantations-assoziierte Mortalität (TRM) stark an. Für die Tandem-Transplantation als Erstlinientherapie existieren keine überzeugenden Daten in der publizierten Literatur [16].

International akzeptierte Auswahlkriterien sind:

  • Alter < 65-70 Jahre

  • Karnofsky-Index > 70%

  • Kardiales Mayo-Stadium < 3 bzw. Herzinsuffizienz < Stadium NYHA III

  • Systolischer Blutdruck (ohne Medikamente > 90 mmHg

  • Keine kardial bedingten Ergussbildungen

  • Kreatinin-Clearance > 30 ml/min

Nach Publikation einer randomisierten Studie [17], in der die Hochdosistherapie gegenüber einer konventionellen Therapie geprüft wurde und keinen Vorteil zeigte, ist eine Diskussion über den Stellenwert der Hochdosistherapie entstanden. Die Studie wurde allerdings stark kritisiert, da dort auch Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz (NYHA IV) eingeschlossen wurden und im Transplantationsarm eine Mortalität von 26% zu verzeichnen war. Andere Langzeit-Beobachtungsstudien [18] zeigen ein exzellentes Langzeitüberleben, insbesondere nach Erreichen einer kompletten Remission. Die TRM ist durch verbesserte Patientenauswahl in Amyloidose-spezialisierten Transplantationszentren auf unter 5% zurückgegangen. Allerdings besteht besonders bei Patienten mit Nierenschädigung ein stark erhöhtes Risiko für ein akutes Nierenversagen mit passagerer oder permanenter Dialysepflichtigkeit. Daher sollte eine Hochdosistherapie nur in erfahrenen Zentren durchgeführt werden.

6.1.1.3Konsolidierungs- und Erhaltungstherapie

Für remissionsverbessernde Therapien nach Hochdosistherapie liegen bisher noch wenige Daten vor. Daher ist diese zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu empfehlen.

6.1.1.4Konventionelle Chemotherapie

Die meisten Patienten (75%) mit AL Amyloidose präsentieren sich bei Erstdiagnose in einem fortgeschrittenen Stadium mit mehr oder weniger schweren Einschränkungen der Organfunktionen und sind daher oder aufgrund des Alters für eine Hochdosistherapie nicht (mehr) geeignet. Die Chemotherapie inklusive der neuen Medikamente spielt daher eine übergeordnete Rolle in der Behandlung von AL-Amyloidose-Patienten. Welches Medikament primär am besten eingesetzt wird, ist abhängig von der Schwere der Herz- oder Niereninsuffizienz (wie schnell soll eine Leichtkettensenkung erreicht werden), vom Allgemeinzustand des Patienten und ob eine symptomatische Polyneuropathie vorliegt (relative Kontraindikation für den Einsatz von Bortezomib). Die Dosis von Dexamethason sollte bei Patientin mit Herz- und/oder Nierenbefall bereits initial reduziert und ggf. im Verlauf je nach Ödemneigung weiter angepasst werden.

Melphalan-Dexamethason

  • Standardbehandlung für ältere Patienten mit guten Organfunktionen, relativ niedrigen freien Leichtketten im Serum [19] und bei Vorliegen einer Polyneuropathie, wenn eine autologe Stammzelltransplantation im weiteren Behandlungskonzept nicht vorgesehen ist

  • Wenig erfolgversprechend bei Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz [18] im Stadium Mayo 3 [20]

Bortezomib oder Bortezomib / Dexamethason [2122]

  • Wenn eine schnelle Leichtkettensenkung zum Erhalt der Organfunktion angestrebt wird

  • Keine symptomatische PNP

  • Subkutane Gabe ist zu bevorzugen, allerdings ist ein Rückgang der Bortezomib-assoziierten Polyneuropathie-Rate für Amyloidose-Patienten bislang nicht durch Studien belegt.

Kombinationstherapien

  • Erste Ergebnisse von Phase 2-Studien liegen vor. Ist bei Patienten in gutem AZ und ohne schweren Herzbefall zu empfehlen.

  • VMdex

  • CyBorD (= Cyclophosphamid oral, Bortezomib, Dexamethason [232425] Auch als Induktionstherapie vor Hochdosistherapie gut einsetzbar.

  • L-M-Dex (Lenalidomid, Melphalan, Dexamethason) [2641]

6.1.2Progress / Refraktarität / Rezidiv

Bereits nach 2 - 3 Zyklen der Primärtherapie sollte das Ansprechen überprüft werden. Bei hämatologischem Nichtansprechen besteht das Risiko weiterer Amyloidablagerungen und konsekutiver Verschlechterung der Organfunktionen. Die Therapie sollte dann umgestellt werden.

Schemata:

  • Bortezomib / Dexamethason [22]

  • Lenalidomid / Dexamethason [27]

  • Pomalidomid / Dexamethason [37]

  • Daratumumab / Dexamethason [40]

  • Lenalidomid / Melphalan / Dexamethason [28] oder Lenalidomid / Cyclophosphamid / Dexamethason [29]

  • Bendamustin / Prednisolon

Bisher keine publizierten Daten zu Effektivität und Toxizität, daher nur zu empfehlen, wenn die anderen Medikamente nicht oder nicht mehr eingesetzt werden können

Allogene Stammzelltransplantation

Die allogene Transplantation ist eine Therapieoption für junge Patienten mit erhaltenen Organfunktionen, die ein Rezidiv nach einer Hochdosistherapie und Behandlung mit neuen Medikamenten erlitten haben. Die EBMT führt hierzu eine nicht-interventionelle Beobachtungs-Studie durch (Rekrutierung abgeschlossen) [30].

6.2 [Kapitel nicht relevant]

6.3Besondere Situationen

6.3.1Herzamyloidose

Eine enge Zusammenarbeit mit einem Kardiologen ist erforderlich. Grundpfeiler ist die Gabe von Diuretika; die klassische Herzinsuffizienz Therapie ist aufgrund von Hypotonie / Orthostase meist nicht durchführbar [31].

Bei jungen Patienten (< 60 Jahre) mit isoliertem und sehr fortgeschrittenem Herzbefall (NYHA III-IV) kann in Absprache mit einem erfahrenem Zentrum eine hochdringliche Herz-Transplantation erwogen werden, da auch konventionell dosierte Chemotherapien meist nicht durchführbar sind und die Patienten nur eine kurze Lebenserwartung haben. Nach einer Erholungsphase kann bei den meisten dieser Patienten eine Hochdosistherapie mit autologer Stammzelltransplantation erwogen werden [33].

6.3.2Nierenamyloidose

Bei Vorliegen eines nephrotischen Syndroms und / oder einer Niereninsuffizienz sollte ein Nephrologe von Anfang an zur Mitbetreuung eingebunden werden [32]. Nicht selten kommt es unter der Chemotherapie oder im Verlauf zur irreversiblen Dialysepflichtigkeit.

Bei Dialyse-Patienten, die sich nach Abschluß der Chemotherapie mindestens ein Jahr in kompletter Remission der Gammopathie befinden, kann eine Nierentransplantation erwogen werden [33].

6.3.3 „Grüner Tee“

Aufgrund von in-vitro Daten bei neurodegenerativen Erkrankungen [34] und einzelnen positiven Fallberichten [35] wird eine positive Wirkung von EGCG (Epigallocatechingallat), einem Inhaltsstoff des grünen Tees, postuliert. Ein wissenschaftlicher Nachweis bei AL Amyloidose steht noch aus (s. unter Studien).

Während der Therapie mit Bortezomib [36] sollte aufgrund einer möglichen pharmakologischen Interaktion kein grüner Tee konsumiert werden.

6.3.4Medikamente zum Abbau von Amyloidablagerungen

Es liegen Daten zu zwei Antikörperstudien vor. In der ersten Studie wurde ein Antikörper gegen SAP (serum amyloid component) bei Patienten mit verschiedenen Amyloidosen eingesetzt, nachdem SAP im Blut durch ein weiteres Medikament depletiert wurde. Bei einigen Patienten wurde ein Rückgang der Leberamyloidose beobachtet [38]. Eine randomisierte Studie ist in Planung.

In der zweiten Studie wurde ein Antikörper gegen das Amyloidepitop NEOD001 verabreicht und ein Ansprechen verschiedener Organbeteiligungen beobachtet [39]. Zwei randomisierte Studien haben fertig rekrutiert; die ersten Ergebnisse werden wahrscheinlich 2018 vorliegen.

7 [Kapitel nicht relevant]

8[Kapitel nicht relevant]

9Literatur

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  3. Kyle RA, Rajkumar SV: Monoclonal gammopathy of undetermined significance. Br J Haematol 134:573-589, 2006. DOI:10.1111/j.1365-2141.2006.06235.x

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  41. Hegenbart U, Bochtler T, Benner A et al.: Lenalidomide/melphalan/dexamethasone in newly diagnosed patients with immunoglobulin light chain amyloidosis: results of a prospective phase 2 study with long-term follow up. Haematologica 102:1424-1431, 2017. DOI:10.3324/haematol.2016.163246

10Studien

Nicht-Randomisierte Phase III-Studie

  • Bortezomib-Dexa als Induktionstherapie vor Hochdosistherapie bei Patienten mit neu diagnostizierter AL-Amyloidose, (Sponsor: HOVON; teilnehmende Zentren in Deutschland: Heidelberg und Hamburg)

Randomisierte Phase III-Studie

  • M-Dex vs. Bortezomib-M-Dex bei Patienten mit neu diagnostizierter AL-Amyloidose, die nicht für Hochdosistherapie geeignet sind (Sponsor: EMN; teilnehmende Zentren in Deutschland: Heidelberg)

Randomisierte Phase III Studie:

  • Oraler Proteasomen-Inhibitor MLN9708 vs. Therapie nach Wahl des Arztes bei Patienten mit rezidivierter oder refraktärer AL Amyloidose. (Sponsor: Takeda, teilnehmende Zentren in Deutschland: Heidelberg, Berlin und Hamburg)

Randomisierte Phase II Studie:

  • EGCG vs. Placebo bei Patienten mit kardialer AL Amyloidose, die sich nach Chemotherapie in VR oder VGPR befinden (Sponsor; Universitätsklinikum Heidelberg. Monozentrische Studie in Heidelberg)

12Studienergebnisse

13Therapie – Protokolle

14Zulassungsstatus

15Anschriften der Verfasser

Prof. Dr. med. Ute Hegenbart
Universitätsklinikum Heidelberg
Medizinische Klinik V
Abt. Hämatologie/Onkologie
Im Neuenheimer Feld 410
69120 Heidelberg
Prof. Dr. med. Stefan Schönland
Universitätsklinikum Heidelberg
Medizinische Klinik V
Abt. Hämatologie/Onkologie
Im Neuenheimer Feld 410
69120 Heidelberg

16Offenlegung potentieller Interessenkonflikte

S. Schönland: Vortragshonorare (Janssen-Cilag, Celgene), Finanzierung wissenschaftlicher Untersuchungen (Janssen).

U. Hegenbart: Vortragshonorare (Janssen-Cilag)

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Reference:

Quellenangabe:

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