Infektiöse Komplikationen nach Hochdosistherapie und autologer Stammzelltransplantation
Erstellung der Leitlinie
Stand: Januar 2012
1 Definition und Basisinformation
Infektionen sind eine häufige Komplikationen nach Hochdosischemotherapie (HDC) und autologer Stammzelltransplantation (ASZT). Für die Diagnostik und Therapie dieser Patienten wurde die Leitlinie von der Arbeitsgemeinschaft Infektionen der DGHO (AGIHO) erstellt. Das Vorgehen bei Patienten nach allogener Stammzelltransplantation wird in einem eigenen Kapitel besprochen.
Für die Bewertung von Studienergebnissen und für Empfehlungen wurden die folgenden Evidenzkategorien (Infectious Diseases Society of America, ISDA) verwendet, s. Tabelle 1.
Stärke der Empfehlung | Definition |
A | Gute Evidenz für den Einsatz |
B | Moderate Evidenz für den Einsatz |
C | Schwache Evidenz für den Einsatz |
D | Moderate Evidenz gegen den Einsatz |
E | Gute Evidenz gegen den Einsatz |
I | Ergebnisse aus > 1 guten randomisierten klinischen Studie |
II | Ergebnisse aus > 1guten klinischen Studie, ohne Randomisation; aus Kohorten- oder Fall-Kontrollstudien (möglichst aus > 1 Zentrum);aus mehreren Langzeitstudien; dramatische Ergebnisse aus nicht - kontrollierten Versuchen |
III | Basierend auf Meinungen angesehener Experten, basierend auf klinischer Erfahrung, deskriptiven Studien oder Berichten aus Expertengruppen |
2 Risikostratifizierung und Epidemiologie
Das individuelle Infektionsrisiko eines Patienten nach HDC und ASZT ist trotz einer Vielzahl publizierter möglicher Risikofaktoren (Tabelle 1) schwer abschätzbar. Die Mehrzahl der Patienten nach HDC/ASZT hat eine Neutropeniedauer von bis zu 9 Tagen (Intermediäres Risiko). Bei der Infusion von sehr wenigen CD34-positiven Zellen (<2x106/kg Körpergewicht) kann mit der Möglichkeit eines verzögerten Engraftments gerechnet werden. Die berichtete Inzidenz febriler Komplikationen nach HDC und ASZT liegt bei 60-100% (Hughes, Pizzo et al. 1992; Ayash, Elias et al. 1996; Kolbe, Domkin et al. 1997; Bilgrami, Feingold et al. 1999; Fassas, Bolanos-Meade et al. 2001; Auner, Sill et al. 2002; Hughes, Armstrong et al. 2002), wobei die Mehrzahl der Infektionen als Fieber unklarer Genese (FUO) zu klassifizieren ist und nur etwas mehr als ein Drittel auf dokumentierte Infektionen entfällt (Reich, Cornely et al. 2005). Hierbei handelt es sich überwiegend um bakterielle Infekte. Als wesentliche Eintrittspforten gelten die durch die Konditionierungstherapie geschädigten Schleimhäute, aber auch Zentralvenenkatheter stellen eine häufige Infektionsquelle dar (31% der eingeschlossenen Patienten mit auto/allo PBSZT entwickelten eine Katheter-bezogene Sepsis) (Krause, Auner et al. 2004). Die Mehrzahl infektiöser Komplikationen nach HDC und ASZT zeigt bei prompter und adäquater Therapie einen unkomplizierten Verlauf mit einer infektionsassoziierten Mortalität von deutlich unter 5%. Die häufigsten viralen Infektionen sind Herpes-simplex Infektionen und Varizella zoster Reaktivierungen. Letztere können auch nach der Post-Transplantationsphase zwischen Tag +30 und einem Jahr auftreten (8-20%) (Barton, Collis et al. 2001; Reimer, Kunzmann et al. 2003). Retrospektiv analysiert, beträgt das Risiko für eine Hepatitis B-Reaktivierung bei HbSAg positiven Patienten nach ASZT 66% nach 2 Jahren, für die Hepatitis C wird das Risiko mit 16% im ersten Jahr angegeben (Locasciulli, Bruno et al. 2003). Der klinische Verlauf ist bei der Hepatitis B schwerwiegender. Invasive Mykosen nach HDC und ASZT sind selten, insbesondere werden invasive Schimmelpilzinfektionen kaum beobachtet (Inzidenz unter 2%). Häufiger ist der Nachweis von Candida spp bei Oberflächeninfektionen. Auch mehr als 30 Tage nach der Transplantation werden bei bis zu 25% der Patienten späte infektiöse Komplikationen auftreten.
Risikofaktoren für infektiöse Komplikationen nach HDC und ASZT:
- Alter > 60 Jahre
- Ko-Morbidität: Lungenerkrankung, Diabetes mellitus, Herzklappen-Erkrankung
- Hämatologische Neoplasie
- Intensität der Vorbehandlung
- Invasive Pilzinfektion in der Anamnese
- Humoraler Immundefekt bei B-Zell Neoplasie
- Zahl der vorausgegangenen Neutropenien
- Konditionierung mit hohem Mukositis-Risiko
- CD34-Selektion
- Vorbehandlung mit Purin-Analoga oder Alemtuzumab
- Venenkatheter
- Hautläsionen
3 Diagnostik vor Neutropenie und im Verlauf
Diagnostik vor Neutropenie:
- Anamnese, sorgfältige klinische Untersuchung (Haut und Schleimhaut, Eintrittstelle von Zugängen, Punktionsstellen, Nasennebenhöhlen, Lunge, Herz, Urogenitalsystem, Perianalregion)
- Bei vorbestehender Infektion: Radiologische Bildgebung
- Screening auf multiresistente Erreger bei entsprechender Epidemiologie vor Ort
- Blutbild, ALAT/GPT, ASAT/GOT, LDH, CRP, Nierenwerte, E’lyte, Gerinnung (z.B. 2x pro Woche)
Diagnostik bei Auftreten von Infektionszeichen:
1. Anamnese, sorgfältige klinische Untersuchung (siehe vor Therapie), tgl. zu kontrollieren.
2. Radiologische Bildgebung
- Röntgenaufnahme des Thorax in zwei Ebenen (CIII), und / oder CT-Thorax (CIII) Bei Symptomatik: Sonographie des Abdomens, ggf. Abdomen-CT bei V.a. neutropenische Enterokolitis (Gomez, Martino et al. 1998; Bavaro 2002; Gorschluter, Mey et al. 2005) Weiterführende Bildgebung, z.B. CT der Nasennebenhöhlen bei entsprechender Klinik
3. Initiale Mikrobiologische Diagnostik
- Mindestens 2 separate Blutkulturpärchen (aerob und anaerob), bei liegendem zentralvenösem Zugang hieraus eines der beiden (AII). Bei liegendem ZVK ist die Bestimmung der „Differential time to positivity“ ein hilfreicher Hinweis für eine mögliche ZVK-Infektion (Blot, Nitenberg et al. 1999; Seifert, Cornely et al. 2003) (AII) Weitere Diagnostik in Abhängigkeit der klinischen Symptomatik.
Im Falle der fehlenden Entfieberung unter empirischer Therapie nach 72 - 96 Stunden:
- Wiederholung der Untersuchungen
- Blut- und andere Kulturen
- CT Thorax
- Abdomensonographie bei klinischer oder laborchemischer Auffälligkeit
Bei neuen oder progredienten pulmonalen Infiltraten unter Antibiotikatherapie:
- Siehe Leitlinie zur Diagnostik bei Lungeninfiltraten
Bei bekannter chronischer Infektion (virale Hepatitis, HIV) wird eine intensivierte Überwachung in der Phase der Neutropenie und daran anschließend bis zur erwarteten Immunrekonstitution empfohlen. Bei HbS-Ag positiven Patienten ist eine engmaschige Kontrolle der Transaminasen und eine Kontrolle der Viruslast bis 3 Monate nach Transplantation durchzuführen. (CIII).
4 Therapie
4.1 Empirische antimikrobielle Therapie (Fieber unklarer Genese (FUO))
Nach autologer Stammzelltransplantation ist bei über 60% der Patienten kein Erreger nachzuweisen (Reich, Cornely et al. 2005). Die Initialtherapie sollte sich nach Häufigkeit und Bedrohlichkeit der zu erwartenden Infektionserreger ausrichten (Abbildung 3). Im Wirkungsspektrum der empirischen Initialtherapie sollten enthalten sein: gramnegative Aerobier (Enterobacteriaceae und Pseudomonas aeruginosa), grampositive Kokken (Streptokokken, Staphylococcus aureus und seltener Enterokokken) (AII). Die Primärtherapie sollte immer der aktuellen lokalen Resistenzlage angepasst sein. Zur initialen Therapie werden zunehmend Monotherapien erfolgreich eingesetzt (Reich, Cornely et al. 2005; Harter, Schulze et al. 2006). Die initiale Einbeziehung von koagulasenegativen Staphylokokken, Oxacillin-resistenten S. aureus (MRSA) und Hefepilzen ist nicht erforderlich (Meisenberg, Miller et al. 1997; Salazar, Sola et al. 1999; Engelhard, Cordonnier et al. 2002; Hughes, Armstrong et al. 2002) (DII), außer bei speziellen lokalen epidemiologischen Problemen. Wenn der Patient klinisch stabil ist, kann auch bei persistierendem Fieber die Erstlinientherapie über 72 bis 96 Stunden fortgeführt werden (BII). Die Sekundärtherapie bei fehlendem Ansprechen sollte im gramnegativen Keimspektrum noch vorhandene Lücken schließen (BIII). Ein Glykopeptid-Antibiotikum ist nur bei schwerer Mukositis, ZVK-Infektion oder einem entsprechenden Keimnachweis in der BK indiziert (DIII). Eine antimykotische Therapie ist nur bei zu erwartender lang anhaltender Neutropenie =10 Tage indiziert (CII). Die empirische Zugabe von Aciclovir wird aufgrund der geringen Relevanz von HSV und VZV-Infektionen bei Patienten nach autologer Stammzelltransplantation (Ketterer, Espinouse et al. 1999; Ozer, Armitage et al. 2000; Hughes, Armstrong et al. 2002) nicht befürwortet (EII).
1 Diese Empfehlungen beruhen auf Daten, die bei Patienten mit FUO in Neutropenie erhoben wurden, und sind damit nicht spezifisch für die Patienten nach autologer Stammzelltransplantation
4.2 Lungeninfiltrate nach Hochdosistherapie und ASZT
Es sollte bei Patienten nach ASZT nach den Leitlinien der AGIHO für Diagnostik und Therapie von Lungeninfiltraten bei febrilen neutropenischen Patienten verfahren werden, Febrile Neutropenie (Maschmeyer, Beinert et al. 2003). Prognose entscheidend bei neutropenischen, febrilen Patienten mit Lungeninfiltraten ist eine rasche diagnostische Abklärung der Infiltrate mit geeigneten diagnostischen Werkzeugen (Bildgebung, kulturelle und nicht kultur-gebundene Labordiagnostik aus Blut und bronchoalveolärer Lavage) und ein frühzeitiger Beginn einer präemptiven antibiotischen Therapie, die bei Hochrisikopatienten durch eine Thorax-CT-Befund basierte Therapie mit einem, schimmelpilzwirksames Antimykotikum zu supplementieren ist (AII). Patienten nach ASZT haben in der Regel nur ein geringes Risiko für invasive Infektionen durch Schimmelpilze, so dass eine antimykotische Therapie nicht als Initialtherapie ohne pilztypische Infiltrate (z.B. Halo-Zeichen oder noduläre Infiltrate im CT-Thorax) empfohlen werden kann (DIII).
Es besteht auch bei Infiltraten keine prinzipielle Evidenz für eine präemptive basierte Therapie mit Ganciclovir, Makroliden oder hoch dosiertem Cotrimoxazol (DIII), wobei bei nicht-pilztypischen Infiltraten auch atypische Pneumonie-Erreger miterfasst werden sollten (CIII) Die diagnostische Bronchoskopie mit BAL wird bei Patienten mit Infiltraten bei neutropenischem Fieber empfohlen (BII), die chirurgische Lungenbiopsie kann in Einzelfällen hilfreich sein. Bei Patienten mit Lungeninfiltraten sollte eine respiratorische Insuffizienz frühzeitig erkannt werden, da eine nicht-invasive Beatmung dieser Patienten über Masken-CPAP bei beginnender respiratorischer Insuffizienz die Notwendigkeit einer maschinellen invasiven Beatmung vermeiden und somit die Prognose verbessern kann (CIII).
4.3 Gastrointestinale and perianale Infektionen
Die Empfehlungen wurden in Anlehnung an die Leitlinie „Dokumentierte Infektionen in Neutropenie“ der AGIHO erstellt (Buchheidt, Böhme et al. 2003).
Bei Patienten mit Fieber und Zeichen einer gastrointestinalen oder perianalen Infektion ist von einer polymikrobiellen Infektion inklusive Anaerobier und Enterokokken auszugehen (Yuen, Woo et al. 1998). Das Spektrum der antimikrobiellen Therapie sollte daher diese Pathogene erfassen (z.B. Carbapenem, Piperacillin/ Tazobactam) (CIII). Bei Verdacht auf eine Clostridium difficile - assoziierte Kolitis (ca. 5% der Patienten mit febriler Neutropenie und gastrointestinalen Symptomen (McFarland, Mulligan et al. 1989)) wird die Therapie mit oralem oder intravenösem Metronidazol empfohlen (CIII). Eine Isolation der Patienten ist erforderlich. Ein Nachweis in Kultur und Toxinnachweis sind zwingend anzustreben. Falls negativ, sollte Metronidazol wieder abgesetzt werden (DIII). In den letzten Jahren sind zunehmend virulente C. difficile Stämme isoliert worden, die auf Therapie mit oralem Vancomycin besser als auf die herkömmliche Metronidazoltherapie ansprechen. Daher ist die Behandlung mit oralem Vancomycin nicht nur auf die Fälle refraktärer C.difficile Infektionen zu beschränken (DIII). Für eine weiterführende invasive Diagnostik kann keine Empfehlung ausgesprochen werden (DIII).
4.4 Gezielte Therapie bei nachgewiesenem Erreger
Auch bei Sicherung von Infektionserregern durch mikrobiologische Diagnostik ist davor zu warnen, einen Keimnachweis unkritisch als ätiologisch bedeutsam zu werten. Die häufigsten Fehler bei der Interpretation mikrobiologischer Befunde sind in Tabelle 3 aufgeführt. Die konsiliarische Betreuung durch die klinische Infektiologie wird empfohlen. Bei Fieber in der Neutropenie wird auch bei Nachweis eines Erregers die Fortsetzung der Breitspektrum-Antibiotikatherapie unter Einbeziehung des isolierten Keimes in das antimikrobielle Spektrum empfohlen (A III).
Misinterpretation von |
|
|
|
Falsche kausale Verknüpfung von nachgewiesenem Erreger und Infektion (z.B. koagulase-neg. Erreger in der Blutkultur und Pneumonie) |
Inadäquat schmale antimikrobielle Therapie |
Therapie einer monobakteriellen Infektion nach inadäquater mikrobiologischer Diagnostik bei typischerweise polymikrobiellen Infektionen |
4.5 Therapieüberwachung und Dauer der Behandlung
Die Kriterien zur Kontrolle des Therapieansprechens und zur Dauer und Überwachung der Therapie sind mit den Empfehlungen der Konsensus Konferenz der Immunocompromised Host Society und der Infectious Diseases Society of America (IDSA) für Patienten mit neutropenischem Fieber abgestimmt (Hughes, Armstrong et al. 2002). Evidenzbasierte Daten hierzu existieren nicht.
Bei einer Zahl von neutrophilen Granulozyten <1x109/l sollte ab dem Zeitpunkt des Therapieerfolges die antimikrobielle Behandlung sieben Tage weitergeführt werden. Bei einem Wert über 1x109/l kann eine weitere Therapiedauer von zwei Tagen ausreichen (CIII). Eine ausreichende Therapiedauer von Patienten z.B. mit nachgewiesenem S. aureus, Pseudomonas, oder Candida ist erforderlich.
4.6 Therapieerfolg
Erfolgreiche Initialbehandlung
Entfieberung (<38,00C) plus Regression sämtlicher klinischer Infektionszeichen plus Negativierung eines eventuellen vorherigen Nachweises von Infektionserregern.
Therapieerfolg nach modifizierter antimikrobieller Therapie
Manifestation auf eine Zweitinfektion hinweisende Symptome unter laufender antimikrobieller Therapie einer klinisch oder mikrobiologisch nachgewiesenen Infektion nach initialem Ansprechen auf die laufende Primärbehandung.
und
Entfieberung (<38,00C) plus Regression sämtlicher klinischer Infektionszeichen plus Negativierung eines eventuellen vorherigen Nachweises von Infektionserregern nach Therapiemodifikation.
oder
Rezidiv des Fiebers unbekannter Ursache =72 Stunden nach initialem Ansprechen.
und
Erweiterung der antimikrobiellen Therapie um eine das Erregerspektrum erweiternde Substanz.
und
stabile Entfieberung nach dieser Modifikation. Wurde diese Modifikation zur Therapie der Initialinfektion durchgeführt, so ist ein Versagen der Initialtherapie festzustellen (Nicht-Ansprechen).
4.7 Supportive (unterstützende)Therapie
Die zusätzliche empirische Gabe von Immunglobulinpräparaten ist bei neutropenischen Patienten mit FUO oder gesicherten Infektionen, außer bei nachgewiesenem Immunglobulinmangel, nicht indiziert (Cordonnier, Chevret et al. 2003) (EI). Die additive Gabe von Wachstumsfaktoren (G-CSF) wird nicht als Regelmaßnahme befürwortet (EI).
Bei Patienten, die bereits vor Eintritt der Infektion prophylaktisch G-CSF erhalten haben, sollte die Gabe weitergeführt werden (BI). Da Patienten mit einem hohen Infektionsrisiko über 20% von dem prophylaktischen Einsatz von G-CSF profitieren, kann eine prophylaktische G-CSF Gabe indiziert sein (CII). Der Beginn der G-CSF Gabe am Tag 4 nach Ende der zytotoxischen Therapie wird empfohlen, ein früherer Beginn ist in Bezug auf Infekthäufigkeit, Überleben und Krankenhausaufenthalt nicht überlegen (Piccirillo, Sica et al. 1999) (AII)
Die Gabe von Pegfilgrastim am Tag 1 nach ASZT ist bezüglich Neutropeniedauer und Infektionsinzidenz der täglichen Filgrastimgabe ab Tag 5 nicht unterlegen (Martino, Pratico et al. 2006). (BII)
5 Prophylaxe
5.1 Antibakterielle Prophylaxe
Eine antimikrobielle Prophylaxe senkt die Inzidenz febriler Episoden. Ein positiver Einfluss auf die Letalität nach ASZT konnte bislang auch in Placebo-kontrollierten Studien nicht belegt werden (Bucaneve, Micozzi et al. 2005; Micozzi and Bucaneve 2005). Chinolone, die am häufigsten als orale Prophylaxe eingesetzt werden, senken die Rate an Infektionen mit Gram-negativen Isolaten. Sie senken die infektionsbedingte Letalität jedoch nur bei Hochrisikopatienten (Bucaneve, Micozzi et al. 2005; Micozzi and Bucaneve 2005). Bei einer Strategie ohne Prophylaxe muss eine lückenlose klinische und mikrobiologische Überwachung gewährleistet sein (Reuter, Kern et al. 2005). Eine konsequente Umsetzung der Richtlinien zur Behandlung der febrilen Neutropenie ist Voraussetzung.
5.2 Antimykotische Prophylaxe
Studien zur Effektivität einer antimykotischen Prophylaxe zeigen für Patienten nach ASZT keinen Vorteil im Hinblick auf die Gesamtsterblichkeit (Goodman, Winston et al. 1992; Rotstein, Bow et al. 1999).
5.3 Antivirale Prophylaxe
Die Empfehlungen zur antiviralen Prophylaxe werden von den Leitlinien DGHO für Patienten mit hämatologischen und malignen Erkrankungen (Sandherr, Einsele et al. 2006) übernommen. Das Risiko für opportunistische virale Infektion ist am höchsten für CD34+ Selektion. Für diese Patienten ist eine Prophylaxe mit Aciclovir oder Valciclovir indiziert, beginnend mit dem Start der Konditionierung und sollte bis d +30 fortgeführt werden. Jenseits von d +30 kann sich die Indikationsstellung an der Zahl der CD4+-Helferzellen orientieren. Eine medikamentöse Prophylaxe gegen CMV bzw. ein Monitoring einer CMV-Reaktivierung mit PCR-Technik oder CMV-pp65 Antigen wird derzeit nicht empfohlen (Ljungman, Reusser et al. 2004; Sandherr, Einsele et al. 2006).
Bei HbS-Ag positiven Patienten nach auto SZT kann eine Prophylaxe mit Lamivudin eine Hepatitis B Aktivierung erfolgreich verhindern (Ma et al. Leuk Lymphoma 2003). Unklar ist, ob ein präemptiver Ansatz mit wöchentlichem Monitoring des HBV-loads einer primären Prophylaxe überlegen ist (Sandherr, Einsele et al. 2006). Ergänzend ist eine primäre Prophylaxe mit einer saisonalen Influenza-Vakzinierung zu empfehlen (Ljungman, Engelhard et al. 2005; Ljungman, Nahi et al. 2005). (Abbildung 2)
6 Tabellarische Zusammenfassung der Empfehlungen
Diagnostik vor Therapie und im Verlauf | |
Die Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie infektiöser Komplikationen basieren hauptsächlich auf Expertenmeinungen, wenn nicht anders definiert. | CIII |
Bei Infektion Abnahme von 2 separaten Blutkulturpärchen (aerob und anaerob) und bei liegendem ZVK hieraus ebenfalls ein Pärchen (mit Bestimmung der „Differential time to positivity“ | AII |
Empirische antimikrobielle Therapie | |
Die Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie infektiöser Komplikationen basieren hauptsächlich auf Expertenmeinungen, wenn nicht anders definiert. | CIII |
Erfassung von gramnegative Aerobiern (Enterobacteriaceae und Pseudomonas aeruginosa) und grampositive Kokken (Streptokokken, Staphylococcus aureus) bei der Initialtherapie | AII |
Keine initiale Einbeziehung von koagulasenegativen Staphylokokken, multiresistenten Erregern (sofern dies nicht aufgrund der lokalen Resistenzsituation erforderlich ist) und Hefepilzen | DII |
Als Monotherapie sind Meropenem, Ceftazidim und Piperacillin / Tazobactam als gleichwertig bezüglich des Gesamterfolgs anzusehen | AI |
Die Sekundärtherapie sollte evtl. noch vorhandene Lücken der Primärtherapie schließen. | BIII |
Kein Einsatz von Glykopeptid-Antibiotika bei anderen Indikationen als Katheter-Infektion oder nachgewiesenem Keim | DIII |
Fortführung der Erstlinientherapie bei klinisch stabilem Patienten trotz persistierenden Fiebers über 72 bis 96h | BII |
Supplementierung der antimikrobiellen Therapie mit einem Antimykotikum bei Patienten mit zu erwartender Neutropeniedauer von mehr als 10 Tagen | BIII |
Keine empirische Therapie mit Virostatika | EII |
Lungeninfiltrate | |
Ergänzung der präemptiven antibiotischen Therapie bei Hochrisikopatienten mit pilztypischen Infiltraten durch ein Fadenpilz-wirksames Antimykotikum | AII |
Keine antimykotische Therapie als Initialtherapie bei Ausschluß pilztypischer Infiltrate | DIII |
Keine präemptive Therapie mit Ganciclovir bei Lungeninfiltraten | DIII |
Keine präemptive Therapie mit Makroliden oder hoch dosiertem Cotrimoxazol ohne entsprechenden Erregernachweis | DIII |
Gastrointestinale und perianale Infektion | |
Präemptive Therapie mit Metronidazol bei Symptomen passend zu C. diff. Kolitis | CIII |
Keine Fortführung der auf Verdacht begonnenen Metronidazoltherapie bei fehlendem Nachweis von C.difficile Toxin | DIII |
Keine primäre Therapie bei C.difficile-Toxin-positiver Diarrhoe mit oralem Vancomycin (Ausnahme: schwerer Verlauf oder V.a. virulenten C.diff. Stamm) | DIII |
Keine invasive Diagnostik bei gastro-intestinalem Infekt | DIII |
Gezielte Therapie bei nachgewiesenem Erreger | |
Fortf¸hrung der Breitspektrum-Antibiotikatherapie unter Einbeziehung des nachgewiesenen Erregers | AIII |
Supportive Therapie | |
Keine Immunglobuline bei FUO oder Infektion nach ASZT | EI |
G-CSF zur Verkürzung der Neutropeniedauer und Verringerung der Rate an Infektionen | AI |
Beginn der G-CSF Therapie am Tag 4 nach zytotoxischer Therapie | AII |
Prophylaktische G-CSF Gabe bei hohem Infektionsrisiko | CII |
Fortführung einer prophylaktischen G-CSF Gabe bei Fiebereintritt | BI |
Antimikrobielle Prophylaxe | |
Prophylaxe zur Reduktion der Fieber- und Infektionsinzidenz, 500 mg/d Levofloxacin | AI |
Keine Prophylaxe zur Reduktion der Letalität, 500 mg Levofloxacin | EI |
Keine antimykotische Prophylaxe zur Reduktion der Gesamtsterblichkeit | EI |
Prophylaxe zur Verhinderung einer fulminanten Hepatitis B bei HbSAg postiven Patienten mit Lamivudin 100mg | AII |
Keine antivirale Prophylaxe einer HSV, VZV oder CMV-Reaktivierung bei autologer PBSZT | DII |
Prophylaxe einer HSV- oder VZV-Reaktivierung bei Patienten nach CD34-selektionierter Transplantation mit Aciclovir 3-4x400mg/d p.o. oder Valciclovir 2-3x500mg p.o./d | AII |
Keine antivirale Prophylaxe einer CMV-Reaktivierung bei Patienten nach CD34-selektionierter Transplantation | DII |
Saisonale Influenza-Vakzinierung mit attenuierter Vakzine | BII |
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