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Infektionen in der Ambulanz

Stand April 2019
Dies ist nicht die aktuelle Version. Siehe: Infektionen in der Ambulanz

1Zusammenfassung

Infektionen sind eine häufige Komplikation bei Patienten mit hämatologischen und onkologischen Erkrankungen im ambulanten Bereich. Sie führen zu belastender Morbidität und können die Durchführung der wirksamen antineoplastischen Therapie verzögern oder gefährden. Die konsequente Identifikation von Risikokollektiven für komplizierte Infektionen reduziert Morbidität. Die Prävention viraler Infektionen durch medikamentöse Prophylaxe und konsequente Impfung ist eine wesentliche Säule dieser Strategie. Die präzise klinische Evaluation der Patienten mit febriler Neutropenie ermöglicht in vielen Fällen eine ambulante orale empirische Therapie und vermeidet unnötige Klinikaufenthalte.

Diese Empfehlungen basieren auf Leitlinien, die von der Arbeitsgemeinschaft Infektionen der DGHO (AGIHO) für die Prophylaxe, Diagnostik und Therapie dieser Patienten erstellt wurden und als Kurzfassungen in Onkopedia zugänglich sind [1]. Grundlagen der Empfehlungen sind systematische Literaturrecherchen, die einheitliche Bewertung der Evidenzstärke [2] und ein Konsensfindungsprozess.

2Grundlagen

2.1Definition und Basisinformationen

Die systemische Therapie der Erkrankungen aus Hämatologie und Onkologie kann in den meisten Fällen ambulant durchgeführt werden. Selbst fragile, komorbide und ältere Patienten mit Tumorerkrankungen werden zunehmend ambulant versorgt. Das breite Netz an hämatologisch-onkologischen Schwerpunktpraxen und Ambulanzen macht die spezialisierte Therapie im Fachgebiet auch in ländlichen Gebieten flächendeckend möglich.

Patienten mit Erkrankungen der Hämatologie und Onkologie sind per se immunsupprimiert, selbst wenn noch keine spezifische Therapie durchgeführt wurde. Das Risiko für opportunistische Infektionen nimmt mit Art und Intensität einer spezifischen Therapie zu und korreliert mit der Grunderkrankung, dem Remissionsstatus und Zustand des Patienten. Das Spektrum der infektiösen Komplikationen ist sehr heterogen und hängt wesentlich vom zellulären Immunstatus und der Dauer und Tiefe der Neutropenie ab. Infektiöse Komplikationen spielen eine wichtige Rolle für die Morbidität und Mortalität in diesem Patientenkollektiv und sind wesentlich dafür verantwortlich, dass immer wieder Patienten an Therapie-assoziierten Komplikationen versterben.

Eine Vielzahl an Leitlinien und Empfehlungen zum Umgang mit opportunistischen Infektionen steht zur Verfügung. Diese sind in der Regel für spezielle Patientenkollektive (z.B. Stammzelltransplantation), für bestimmte mikrobiologisch gesicherte Infektionen oder für eine definierte Maßnahme (Prophylaxe oder Therapie) verfasst. Ziel dieser Übersicht ist es, Algorithmen für die Prophylaxe, Diagnose und Therapie von opportunistischen Infektionen bei ambulant versorgten Tumorpatienten bereit zu stellen. Grundlage der Empfehlungen sind die aktuellen Leitlinien der AGIHO. Die Algorithmen gelten für verschiedene Konstellationen:

  • „watch and wait“ Situation

  • spezifische Tumortherapie

  • Nachsorge

  • symptomorientierte Versorgung ohne spezifische Tumortherapie

Die Empfehlungen beziehen sich auf erwachsene Patienten.

3 [Kapitel nicht relevant]

4[Kapitel nicht relevant]

5[Kapitel nicht relevant]

6Therapie und Prophylaxe

6.1Prophylaxe

6.1.1Antibakterielle Prophylaxe

Die Indikation zu antibakterieller Prophylaxe erfolgt risikoadaptiert [3]. Neben der zu erwartenden Dauer der Neutropenie (siehe Tabelle 1) spielen zusätzliche klinische Faktoren eine wichtige Rolle für die Einschätzung, siehe Tabelle 2.

Tabelle 1: Abschätzung des Risikos febriler Komplikationen in Abhängigkeit von der Dauer einer Neutropenie [2] 

Klinische Situation

Intention

Intervention

SoR1

QoE1

Neutropenie > 7 Tage

Abschätzung des Risikos für febrile Neutropenie

Hohes Risiko

A

I

Neutropenie < 7 Tage und klinische Risikofaktoren2

Hohes Risiko

B

II

Neutropenie < 7 Tage ohne klinische Risikofaktoren

Standardrisiko

A

I

1 SoR =Strength of recommendation; QoE = quality of evidence; 2 hier auch Abwägung der Indikation zur G-CSF-Gabe und Abschätzung des Risikos unter diesem Aspekt
Tabelle 2: Abschätzung des Risikos einer febrilen Neutropenie in Abhängigkeit klinischer Faktoren 

Klinische Risikofaktoren1

Grunderkrankung: Art, Stadium und Remissionsstatus

Art und Dosis der Chemotherapie

  1. Therapiezyklus

Herzinsuffizienz

Niereninsuffizienz

Vorbestehende Leukopenie

Erhöhung von alkalischer Phosphatase und Bilirubin

Offene Wunden oder sonstige Eintrittspforten für Infektionserreger

1 Faktoren, die in multivariater Analyse unabhängig mit dem Risiko für febrile Neutropenie assoziiert sind

Aus dieser Risikoabschätzung leiten sich die Empfehlungen zum Einsatz einer antibakteriellen Prophylaxe ab. In Bezug zur klinischen Situation und dem gewünschten Behandlungsziel sind diese in Tabelle 3 dargestellt.

Tabelle 3: Indikation zu antibakterieller Prophylaxe in Abhängigkeit von der Behandlungssituation 

Klinische Situation

Intention

Intervention

SoR1

QoE1

Hohes Risiko und 1. Zyklus

Prophylaxe von Fieber und bakterieller Infektion

Antibakterielle Prophylaxe

A

I

Hohes Risiko und alle weiteren Zyklen

B

I

Standardrisiko und 1. Zyklus

B

I

Standardrisiko und alle weiteren Zyklen

C

I

Hohes Risiko

Reduktion von Mortalität

B

II

Standardrisiko

C

II

Eculizumab in Patienten ohne effektive Meningokokken Impfung

Prophylaxe einer Meningokokken-Infektion

Penicillin V 250 mg b.i.d. oder Ciprofloxacin 500 mg q.d. bis 4 Wochen nach Impfung oder dokumentierten protektiven Titern

A

IIu

1 SoR =Strength of recommendation; QoE = quality of evidence;

Es können sowohl Fluorchinolone als auch Cotrimoxazol zur antibakteriellen Prophylaxe eingesetzt, siehe Tabelle 4.

Tabelle 4: Medikamente der Wahl für die antibakterielle Prophylaxe 

Klinische Situation

Intention

Intervention

SoR1

QoE1

Neutropenische Patienten mit Indikation zu antibakterieller Prophylaxe

Vermeidung von FN2 oder Tod

Fluorchinolone (FQ3) > TMP/SMX4

C

IIr

Nebenwirkungen

Fluorchinolone > TMP/SMX

A

II

Vermeidung von FN oder Tod

Ciprofloxacin als FQ der Wahl in der Prophylaxe

A

II

Prophylaxe FN und Reduktion von Infektion mit Gram positiven Keimen

FQ + Substanz aktiv gegen Gram positive Keime

D

II

1 SoR =Strength of recommendation; QoE = quality of evidence; 2 FN – febrile Neutropenie; 3 FQ – Fluorchinolon; 4 Cotrimoxazol;

Die Pneumonie mit Pneumocystis jirovecii stellt eine schwere Komplikation in der Behandlung hämatologischer Patienten dar. Das Risiko für das Auftreten dieser Infektion steigt mit dem Ausmaß der zellulären Immunsuppression. Eine Risikostratifikation ist in Tabelle 5 dargestellt.

Tabelle 5: Risikofaktoren für Pneumocystis jirovecii-Pneumonie 

Hohes Risiko

Intermediäres Risiko

Besondere Indikation

  • Akute lymphatische Leukämie

  • Allogene Stammzelltransplantation

  • Steroidtherapie mit >20 mg Prednison-Äquivalent täglich für > 4 Wochen

  • Anti-CD 20 Therapie + Fludarabin und Cyclophosphamid

  • BEACOPP

  • Nukleosid-Analoga

  • Ganzhirnbestrahlung und Steroidtherapie

  • CD4 Zahl < 200 /µL

  • Alemtuzumab

  • Idelalisib

  • Temozolomid + Ganzhirnbestrahlung

In Abhängigkeit des klinischen Risikos kann eine medikamentöse Prophylaxe durchgeführt werden. Eine Auswahl der möglichen Substanzen in Bezug zur klinischen Fragestellung ist mit entsprechendem Empfehlungsgrad in Tabelle 6 und Tabelle 7 dargestellt.

Tabelle 6: Indikation zur Prophylaxe von Pneumocystis jirovecii-Pneumonien 

Klinische Situation

Intention

Intervention

SoR1

QoE1

Hohes Risiko

Prophylaxe der Infektion

TMP/SMX2

A

I

Intermediäres Risiko

C

III

Besondere Indikation

A

IIu, t

Hohes Risiko

Reduktion von Mortalität

TMP/SMX

A

IIr

Niedriges Risiko

C

III

1 SoR =Strength of recommendation; QoE = quality of evidence; 2 Cotrimoxazol;
Tabelle 7: Medikamente zur Prophylaxe von Pneumocystis jirovecii-Pneumonien 

Klinische Situation

Intention

Intervention

SoR1

QoE1

Indikation PcP2 Prophylaxe

Prophylaxe

TMP/SMX3 als Medikament der 1. Wahl

A

IIt, r

Eine single-strength (80/400 mg) Tablette täglich

oder

eine double-strength Tablette (160/800 mg) täglich oder dreimal in der Woche

B

IIt

TMP/SMX nicht möglich

Atovaquon als Medikament der 2. Wahl

- 1500 mg/Tag

A

IIt

Dapson als Medikament der 2. Wahl

- 100 mg/Tag

A

IIt

Pentamidine (inhalativ) als Medikament der 2. Wahl - 300 mg einmal monatlich

B

IIt

1 SoR =Strength of recommendation; QoE = quality of evidence; 2Pneumocystis jirovecii-Pneumonie; 3 Cotrimoxazol;

6.1.2Antimykotische Prophylaxe

Invasive Pilzinfektionen sind außerhalb der Behandlung von akuten Leukämien oder im Rahmen einer allogenen Stammzelltransplantation sehr selten. Ursache dafür ist die kurze Dauer einer Neutropenie, die in der Regel bei der Therapie von Tumorpatienten unter sieben Tagen liegt. Diese Patienten befinden sich damit im Hinblick auf neutropenische infektiöse Komplikationen in einem Standardrisiko [3].

Für dieses Patientenkollektiv gibt es keine generelle Indikation zu antimykotischer Prophylaxe. Bei längerfristigem Einsatz (≥ 4 Wochen) von Glukokortikoiden oder bei Bestrahlung bzw. Radiochemotherapie von Kopf-Hals- oder Ösophaguskarzinomen kann eine lokale antimykotische Prophylaxe von oropharyngealen oder ösophagealen Candida-Infektionen indiziert sein.

6.1.3Antivirale Prophylaxe

6.1.3.1Allgemein

Virale Infektionen sind in der Regel Komplikationen vorbestehender Infektionen, wie z.B. Hepatitis B oder Gürtelrose. Primäre Virusinfektion treten vor allem mit respiratorischen oder enteralen Viren auf. Das Risiko einer Reaktivierung korreliert mit der Tiefe der zellulären Immunsuppression. Weitere Risikofaktoren sind hohes Alter, prolongierte Neutropenie, fortgeschrittene und unkontrollierte Grunderkrankung und prolongierte Behandlung mit Steroiden. Für die antivirale Prophylaxe bei Patienten mit hämatologisch-onkologischen Erkrankungen außerhalb der allogenen Stammzelltransplantation gelten in entsprechender Risikokonstellation drei wesentliche Prinzipien [4]:

  • die Gabe von Aciclovir zur Prophylaxe eines Herpes zoster

  • die antivirale Behandlung zur Vorbeugung einer Reaktivierung einer Hepatitis B

  • die Impfung gegen Influenza (siehe Kapitel Impfung).

Der Algorithmus zur antiviralen medikamentösen Prophylaxe ist in Abbildung 1 dargestellt.

Abbildung 1: Empfehlungen zur antiviralen Prophylaxe 
  • Behandlung mit Proteasom-Inhibitoren: alle Patienten

  • Aciclovir 1 – 2 x 400 mg/d oder Valaciclovir 1 – 2 x 500 mg/d

6.1.3.2Hepatitis B

Patienten mit hämatologischen Erkrankungen, insbesondere nach einer Therapie mit Anthrazyklinen oder hoch dosierten Steroiden, sollen auf eine frühere Infektion mit Hepatitis B untersucht werden. In Abhängigkeit des Serostatus wird das Vorgehen zur Prophylaxe gewählt [4]. Empfehlungen zum Screening und zur Prophylaxe sind in Abbildung 2 dargestellt.

Abbildung 2: Empfehlungen zum Screening und zur Prophylaxe der Hepatitis B 
6.1.3.3Impfungen

Die Vorbeugung infektiöser Komplikationen ist ein wichtiges Element in der Reduktion von Morbidität und Mortalität von Tumortherapie. Neben Expositionsprophylaxe und medikamentöser Prophylaxe ist die Impfung eine effektive Maßnahme in der Prävention. Die Impfstrategie richtet sich nach dem Ausmaß der Immunsuppression als Folge der Grunderkrankung, der jeweiligen spezifischen Tumortherapie sowie dem aktuellen Impfstatus der Patienten [5].

Grundsätzlich sind Impfungen mit Lebend-Vakzinen bei immunsupprimierten Patienten zu vermeiden. Eine Impfung mit inaktivierten Vakzinen ist in der Regel sicher möglich. Eine Übersicht über die Empfehlungen zur Impfung von hämatologisch-onkologischen Patienten gegen spezielle Erreger gibt Tabelle 8.

Gesondert müssen Patienten betrachtet werden, die eine gegen CD20 gerichtete Therapie erhalten. Die resultierende B-Zell Depletion hält bis zu 6 – 9 Monate nach Abschluss der Behandlung an. Eine solide B-Zell Funktion ist jedoch zum Aufbau einer adäquaten Impfantwort nötig, deshalb ist eine Impfung erst nach Erholung der humoralen Immunantwort sinnvoll.

Die Evidenzlage zur Durchführung von Impfungen ist unterschiedlich. Empfehlungen sind in Tabelle 8 zusammengefasst.

Tabelle 8: Krankheitsspezifische Impfstrategien 

Erreger

Akute Leukämie

Lymphom, Multiples Myelom, Myeloproliferative Neoplasien

Solide Tumore

Diphterie

B-IIt1

A-IIt

A-IIt

Hämophilus Influenza Typ B

C-IIt

C-IIt

C-IIt

Herpes zoster

-

A-IIt

-

Influenza

A-IIt, u

A-IIt

A-IIt

Hepatitis A

B-IIt

B-IIt

B-IIt

Hepatitis B

A-IIt

B-IIt

B-IIt

Masern2

B-IIt

B-IIt

B-IIt

Meningokokken

C-III

C-III

C-III

Mumps2

B-IIt

B-IIt

B-IIt

Pertussis

B-IIt

A-IIt

A-IIt

Pneumokokken

A-IIt

A-IIt

A-IIt

Röteln2

B-IIt

B-IIt

B-IIt

Tetanus

B-IIt1

A-IIt

A-IIt

Varizellen2

C-III

C-III

C-III

1 Empfehlungsstärke siehe Tabelle 1, Evidenzgrade siehe Tabellen 2 und 3; 2 eine Impfung mit Lebendimpfstoffen soll nicht durchgeführt werden (D-IIt); 3 Für Patienten mit Haarzell-Leukämie kann eine Zoster-Vakzinierung erwogen werden, da das Risiko dieser Patienten für eine Herpes-Infektion ebenfalls erhöht ist. Studienergebnisse hierzu liegen zum Zeitpunkt der Erstellung noch nicht vor. (BIII);

6.1.4Febrile Neutropenie

Fieber in der Neutropenie stellt einen wesentlichen Risikofaktor für die Morbidität und Mortalität nach zytoreduktiver Therapie dar und bedingt die unmittelbare Einleitung einer empirischen antibiotischen Therapie. Eine mikrobiologisch gesicherte Infektion ist zum Zeitpunkt des Fiebereintritts praktisch nie vorhanden. Eine gründliche klinische Untersuchung zur Suche nach einem Infektionsherd ist unverzichtbar, um ggf. eine („präemptive“) antimikrobielle Therapie gegen ein typisches Erregerspektrum ausrichten zu können. Findet sich auch hier kein suspekter Befund, handelt es sich um Fieber unklarer Genese (FUO). Dieses wird rein empirisch behandelt [6].

6.1.4.1Diagnostik

Empfehlungen zur gezielten Diagnostik bei Patienten mit febriler Neutropenie sind in Tabelle 9 zusammengefasst.

Tabelle 9: Empfehlungen zur Diagnostik bei febriler Neutropenie 

Patienten mit

Ziel

Intervention

SoR1

QoE1

Febrile Neutropenie

Infektfokus identifizieren

Anamnese und körperliche Untersuchung

A

III

Febrile Neutropenie

Sicherung einer Bakteriämie

2 separate Blutkulturen vor Beginn der antimikrobiellen Therapie

A

II

Febrile Neutropenie mit ZVK

Sicherung Katheterinfektion

Blutkultur peripher und zentral entnehmen

A

II

Febrile Neutropenie ohne Atemnot

Sicherung Pneumonie

Röntgen Thorax

D

II

Febrile Neutropenie mit Atemnot

Sicherung Pneumonie

CT Thorax

B

III

Persistierende febrile Neutropenie > 96 h

Sicherung Pneumonie

CT Thorax

B

II

1 SoR =Strength of recommendation; QoE = quality of evidence; 2
6.1.4.2Risikostratifikation

Der wesentliche Risikofaktor für das Auftreten einer febrilen Neutropenie und die damit verbundenen Komplikationen ist die Dauer der Neutropenie [6]. Nahezu das gesamte therapeutische Spektrum bei ambulant versorgten Tumorpatienten resultiert in einer Neutropenie, die nicht länger als sieben Tage andauert. Diese Patienten sind deshalb einem Standardrisiko für das Auftreten einer febrilen Neutropenie zuzuordnen. Weitere Risikofaktoren sind das Alter, der Performance Status, Art und Remissionsstatus der Grunderkrankung, das Ausmaß der Vortherapie, Komorbidität und eingeschränkte Funktionen vitaler Organsysteme. Patienten, bei denen die Neutropenie länger als sieben Tage zu erwarten ist, gelten als Patienten in einem hohen Risiko für eine komplizierte febrile Neutropenie. Dies trifft in der Regel auf Patienten mit akuten Leukämien in Induktions- und Konsolidierungstherapien und bei allogener Stammzelltransplantation zu. Das Vorgehen bei febriler Neutropenie in diesem Kollektiv bedingt eine stationäre Versorgung und ist deshalb nicht Gegenstand dieser Leitlinie. Wir verweisen auf die aktuell gültige Leitlinie der AGIHO zur empirischen antimikrobiellen Therapie [6] und auf die spezifischen Empfehlungen beim Verdacht auf Sepsis [7].

Patienten, bei denen eine Neutropenie von weniger als 7 Tagen zu erwarten ist, können unter bestimmten Voraussetzungen auch ambulant und mit oraler empirischer antibiotischer Therapie versorgt werden. Zahlreiche klinische Parameter, die mit einem niedrigen Risiko für febrile Komplikationen assoziiert sind, helfen bei der Einschätzung des wahrscheinlichen Verlaufes einer febrilen Neutropenie, siehe Tabelle 10.

Tabelle 10: Patienten mit febriler Neutropenie - niedriges Risiko (Standardrisiko nach MASCC)  

Parameter

Kontrollierte Grunderkrankung

ECOG Status 0 oder 1

Milde Krankheitssymptomatik

Ambulanter Patient

Temperatur < 39°C

Unauffälliger Röntgen Thorax

Atemfrequenz < 24/min

Keine COPD

Kein Diabetes mellitus

Unauffälliger neurologischer Status

Kein Blutverlust

Keine Dehydrierung

Keine vorausgegangene Pilzinfektion

Albumin normwertig

Die Multinational Association of Supportive Care in Cancer (MASCC) hat auf der Basis individueller Faktoren einen Risiko-Score etabliert [3], siehe Tabelle 11.

Tabelle 11: MASCC Score bei febriler Neutropenie  

Charakteristikum

Gewicht

Belastung durch febrile Neutropenie mit keiner oder geringer Symptomatik

5

Keine Hypotonie (systolischer Blutdruck >90 mmHg)

5

Keine chronisch obstruktive Lungenerkrankung

4

Solider Tumor oder hämatologische Neoplasie ohne vorhergehende Pilzinfektion

4

Keine Dehydration, keine Indikation zur parenteralen Substitution von Flüssigkeit

3

Belastung durch febrile Neutropenie mit moderater Symptomatik

3

Ambulanter Patient

3

Alter <60 Jahre

2

Der maximale Punkte-Score liegt bei 26. Die Validierung des Scores ergab, daß Patienten mit einem Score von über 20 (73% der Gesamtgruppe) einem Niedrig-/Standardrisiko-Kollektiv zugeordnet werden können. Die Rate an Komplikationen lag bei 6%, die Todesfallrate bei 1%. Patienten mit einem Score von <21 (27% der Gesamtgruppe) hatten zu 39% eine komplizierte FN und eine Todesfallrate von 14%. Diese Patienten haben somit ein hohes Risiko für ein ungünstigen Verlauf einer FN.

6.1.4.3Therapie febrile Neutropenie bei Standardrisiko auf der Basis des MASCC Scores

Der MASCC Score identifiziert somit mit Hilfe einfacher klinischer Parameter Patienten mit einem geringen Risiko für eine komplizierte FN. Eine ambulante Versorgung kann deshalb angestrebt werden. Hierzu müssen jedoch noch weitere Faktoren sichergestellt sein, die mittels einer weiteren Risiko – Checkliste geprüft werden sollten, siehe Tabelle 11.

Tabelle 12: Risiko - Checkliste zur Abschätzung einer möglichen ambulanten Therapie bei febriler Neutropenie 

Parameter

Medizinische Versorgung ist gewährleistet

Patient ist nicht alleine und telefonisch erreichbar

Klinik mit hämatologisch-onkologischer Kompetenz in 1 Stunde erreichbar

Orale Medikation mit hoher Compliance sicher durchführbar

Patient ist bei vollem Bewusstsein und versteht die klinische Situation

Keine Prophylaxe mit Fluorochinolonen durchgeführt

Stabiler Kreislauf gewährleistet

Keine Zeichen eines Organversagens

Ein Algorithmus zur Identifikation von Patienten mit febriler Neutropenie, für die eine ambulante Therapie möglich ist, ist in Abbildung 3 dargestellt.

Abbildung 3: Algorithmus zur ambulanten Behandlung von Patienten mit febriler Neutropenie 

7[Kapitel nicht relevant]

8[Kapitel nicht relevant]

9Literatur

  1. https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines

  2. Maschmeyer G et al.: Infektionen in der Hämatologie und Onkologie, 2018

  3. Löhnert A, Henze L, von Lilienfeld-Toal M et al. Primary prophylaxis of bacterial infections and Pneumocystis jirovecii pneumonia in patients with hematological malignancies and solid tumors: 2019 updated guidelines of the Infectious Diseases Working Party of the German Society of Hematology and Medical Oncology (AGIHO/DGHO). Manuskript zur Einreichung. 2019, Version 01.02.19

  4. Sandherr M, Hentrich M, von Lilienfeld-Toal M, et al. Antiviral prophylaxis in patients with solid tumours and haematological malignancies—update of the Guidelines of the Infectious Diseases Working Party (AGIHO) of the German Society for Hematology and Medical Oncology (DGHO). Ann Hematol 94:1441–1450, 2015. DOI:10.1007/s00277-015-2447-3

  5. Rieger CT, Liss B, Mellinghoff S, et al. Anti-infective vaccination strategies in patients with hematologic malignancies or solid tumors-Guideline of the Infectious Diseases Working Party (AGIHO) of the German Society for Hematology and Medical Oncology (DGHO). Ann Oncol 29:1354–1365, 2018. DOI:10.1093/annonc/mdy117

  6. Heinz WJ, Buchheidt D, Christopeit M, et al. Diagnosis and empirical treatment of fever of unknown origin (FUO) in adult neutropenic patients: guidelines of the Infectious Diseases Working Party (AGIHO) of the German Society of Hematology and Medical Oncology (DGHO). Ann Hematol 96:1775-1792, 2017. DOI:10.1007/s00277-017-3098-3

  7. Kochanek et al.: Management of sepsis in neutropenic patients: 2018 guidelines from the Infectious Diseases Working Party of the German Society of Hematology and Medical Oncology (AGIHO). Ann Hematol Feb 22, 2019. DOI:10.1007/s00277-014-2086-0, DOI:10.1007/s00277-019-03622-0

  8. Klastersky J, Paesmans M, Rubenstein EB, et al. The Multinational Association for Supportive Care in Cancer risk index. J Clin Oncol 18:3038–3051, 2000. DOI:10.1200/JCO.2000.18.16.3038

10[Kapitel nicht relevant]

11[Kapitel nicht relevant]

12[Kapitel nicht relevant]

13[Kapitel nicht relevant]

14[Kapitel nicht relevant]

15Anschriften der Verfasser

Prof. Dr. med. Georg Maschmeyer
Deutsche Gesellschaft für Hämatologie
und Medizinische Onkologie (DGHO)
Onkopedia-Koordinator
Bauhofstr. 12
10117 Berlin
Prof. Dr. med. Christina Rieger
Hämatologie Onkologie Germering
Landsberger Str. 27
82110 Germering
PD Dr. med. Michael Sandherr
MVZ Penzberg
Schwerpunktpraxis für Hämatologie und Onkologie
Filialpraxis Weilheim
Röntgenstr. 4
82362 Weilheim

16Erklärung zu möglichen Interessenkonflikten

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Reference:

Quellenangabe:

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