Mantelzell - Lymphom
Erstellung der Leitlinie
1 Definition und Basisinformationen
Das Mantelzell - Lymphom wird unter denindolenten Lymphomengeführt, zeigt jedoch in den meisten Fällen einen klinisch aggressiven Verlauf.
2 Klinisches Bild
Das klinische Bild wird durch Lymphknotenvergrößerungen und eine Splenomegalie bestimmt. In ca. 80-90% liegt eine Knochenmarkinfiltration vor, in 20-30% der Fälle werden Lymphomzellen im Blut nachgewiesen. Extranodale Manifestationen (z.B. Darmbefall, Meningeosis lymphomatosa) sind häufiger als bei den follikulären Lymphomen [1].
3 Diagnostik
Die Diagnostik beruht auf der histologischen Untersuchung des befallenen Lymphknotens. Zur Abgrenzung von anderen Lymphomsubtypen ist der immunhistochemische Nachweis einer CyclinD1-Überexpression bzw. einer t(11;14) in der Fluoreszenz In Situ Hybridisierung (FISH) obligat.
Da die Therapie des Mantelzell-Lymphoms vom Ausbreitungsstadium abhängt, ist eine ausführliche Diagnostik vor Therapiebeginn essentiell (Staging). Hierzu gehören (Erstuntersuchung):
Anamnese, insbesondere von B-Symptomen
Körperliche Untersuchung
Zellzählung, Differentialblutbild, Retikulozyten
BSG, Elektrophorese, Gesamteiweiß
GOT, GPT, AP, γ-GT, Bilirubin, Kreatinin, Harnsäure, Blutzucker
LDH, β²-Mikroglobulin
Quick-Wert, PTT
Immunglobuline quantitativ, bei V.a. auf Paraproteinämie Immunelektrophorese
Oberflächenmarker durch FACS-Analyse (nur bei leukämischen Verlauf)
Knochenmarkzytologie, Knochenmarkhistologie
CT Hals/Thorax/Abdomen
(alternativ: Sonographie zur Verlaufskontrolle)
Die Durchführung einer Positonen-Emissions-Tomographie (PET) hat keine therapeutischen Konsequenzen und wird nicht empfohlen.
Um Patienten mit einem erhöhten Risiko für Akut- und/oder Spätkomplikationen identifizieren zu können, sind Untersuchungen der Lungenfunktion und des Herzens (EKG, Herz-Echo) vor Therapiebeginn obligat.
4 Stadieneinteilung
Die Stadieneinteilung erfolgt in Stadium I bis IV nach der Ann-Arbor-Klassifikation. Aufgrund des häufigen KM-Befalls liegt jedoch in den meisten Fällen ein fortgeschrittenes Stadium vor.
I Befall einer einzigen Lymphknotenregion (I/N) oder Vorliegen eines einzigen oder lokalisierten extranodalen Herdes (I/E)
II Befall von zwei oder mehr Lymphknotenregionen auf einer Seite des Zwerchfells (II/N) oder Vorliegen lokalisierter extranodaler Herde (II/E) und Befall einer oder mehrerer Lymphknotenregionen auf einer Seite des Zwerchfells (II/N/E)
III Befall von zwei oder mehr Lymphknotenregionen auf beiden Seiten des Zwerchfells (III/N) oder Befall von lokalisierten extranodalen Herden und Lymphknotenbefall, so daß ein Befall auf beiden Seiten des Zwerchfells vorliegt (III/E oder III/N/E)
III1subphrenische Lokalisation, beschränkt auf Milz, zöliakale und/oder portale Lymphknoten allein oder gemeinsam
III2subphrenische Lokalisation mit Beteiligung paraaortaler, mesenterialer, iliakaler und/oder inguinaler Lymphknoten allein oder gemeinsam
IV disseminierter Befall eines oder mehrerer extralymphatischer Organe mit oder ohne Befall von Lymphknoten
Zum lymphatischen Gewebe gehören: Lymphknoten, Milz, Thymus, Waldeyerscher Rachenring, Appendix. Zervikale, axilläre oder inguinale Lymphknotenvergrößerungen sowie Leber- oder Milzvergrößerungen gelten als je eine Region.
Die Stadien erhalten den Zusatz „A” bei Fehlen, „B” bei Vorliegen von
nicht erklärbarem Fieber > 38°C
nicht erklärbarem Nachtschweiß
nicht erklärbarem Gewichtsverlust (> 10% des Körpergewichts innerhalb von 6 Monaten)
5 Risikogruppen
Kürzlich wurde ein klinischer Risiko-Score (MIPI: MCL International Prognostic Index) etabliert, der den Allgemeinzustand und das Alter des Patienten sowie LDH- und Leukozytenwerte einschließt [2]. Für die Berechnung stehtauch eine Internet - basierte Version zur Verfügung [3].Zusätzlich besitzt der Proliferationsmarker Ki67 eine hohe prognostische Relevanz [4]. Die ca. 10-15% indolent verlaufenden Fälle sind darüber hinaus nicht eindeutig zu identifizieren [5].
6 Therapie
Patienten mit indolenten Lymphomen sollten wenn immer möglich im Rahmen von klinischen Studien behandelt werden.Ein Therapie - Algorithmus für die Erstlinientherapie ist in Abbildung 1 dargestellt. Die Altersangaben basieren auf den Einschlusskriterien Standard-setzender Studien. Entscheidend für die individuelle, Patienten-bezogeneEmpfehlung ist das biologische, nicht das chronologische Alter.
1entscheidend ist das biologische, nicht das chronologische Alter;2ECOG - Score nach ECOG / WHO / Zubrod zur Klassifikation des Allgemeinzustands;3R-CHOP - siehe medikamentöse Tumortherapie; 4R-DHAP - siehe medikamentöse Tumortherapie; 5autoPBSZT - autologe Stammzelltransplantation; 6Rituximab-Erhaltungstherapie;
6.1 Erstlinientherapie
6.1.1 Jüngere Patienten
Bei jüngeren Patienten (biologisches Alter <65 Jahre) stellt ein dosisintensiviertes Konzept (Induktion plus Hochdosiskonsolidierung mit autologer Stammzelltransplantation, oder HyperCVAD) aufgrund der deutlichen Verlängerung des progressionsfreien und des Gesamt-Überlebens die Standardtherapie dar [6]. Ein Cyarabin-haltiges Regime führt zusätzlich zu einem signifikant verlängerten progressions-freien Überleben [7].
6.1.2 Ältere Patienten
Bei ‚älteren Patienten‘ sind mögliche Kombinationsregime R-CHOP, R-Bendamustin (siehe Anhang Medikamentöse Tumortherapie - Protokolle), und speziell bei ausschließlich leukämischen Fällen R-FC. Allerdings rezidivieren aufgrund des aggressiveren Krankheitsverlaufs die Mehrzahl der Patienten in den ersten 3 Jahren [8]. Eine Erhaltungstherapie mit Rituximab führt nach R-CHOP zu einer signifikanten Verlängerung der Remissionsdauer und der Gesamtüberleben [9].
6.1.3 Indolenter klinischer Verlauf
Im Einzelfall kann bei Verdacht auf indolenten klinischen Verlauf eine engmaschige watch & wait Strategie verfolgt werden und erst bei Progress eine Therapie eingeleitet werden [5].
Informationen zum Zulassungsstatus sind im Anhang Medikamentöse Tumortherapie - Protokolle zusammengefasst.
6.2 Rezidiv
- Auch im Rezidiv ist die Immunchemotherapie Standard (bei initialer Remissionsdauer>6 Monate). Die Wahl des Schemas erfolgt in Abhängigkeit von der Primärtherapie.
- Im fortgeschrittenen Rezidiv ist der mTOR-Inhibitor Temsirolimus einer Monochemotherapie überlegen, siehe Anhang Medikamentöse Tumortherapie - Protokolle[10].
- Weitere vielversprechende Therapieansätze stellen die Proteasominhibitoren (Bortezomib) und immunmodulatorischen Substanzen (Thalidomid, Lenalidomid) dar, hier liegen allerdings keine randomisierten Studien vor [11, 12].
6.3 Konsolidierung / Erhaltung
Wenn die autologe Transplantation nicht bereits in der Primärtherapie eingesetzt worden ist, sollte sie im ersten Rezidiv diskutiert werden.
Bei Rezidiv nach Hochdosistherapie kann bei jüngeren Patienten eine allogene Transplantation mit reduzierter Konditionierung diskutiert werden [1].
Eine Erhaltungstherapie mit Rituximab führte in einer kleinen randomisierten Studie zu deutlich verlängertem progressionsfreiem Überleben und kann individuell eingesetzt werden.
Alternativ kann eine Radioimmunotherapie - Konsolidierung diskutiert werden.
7 Verlaufskontrolle und Nachsorge
1. Unter und unmittelbar nach Therapie (Therapiekontrolle, Erkennung von Komplikationen und Nebenwirkung)
- Anamnese und körperliche Untersuchung
- Zellzählung, Differentialblutbild, LDH
- Leber- und Nierenfunktionsparameter, ggf. weitere Labordiagnostik zur Therapieüberwachung und Komplikationskontrolle
2. Therapiebewertung (Zytoreduktion, Nebenwirkungen) nach der Hälfte der Therapiezyklen und nach Abschluss einer zytostatischen Therapie sowie bei Verdacht auf Progression oder Komplikation:
- Anamnese und körperliche Untersuchung
- Kontrolle initial pathologischer Befunde, soweit zur Entscheidungsfindung erforderlich
- Ausschluss von Therapiekomplikationen (Leber- Nierenparameter; bei klinischen Verdacht Echokardiographie, Röntgen Thorax, ggf. Lungenfunktion)
3. Verlaufskontrollen nach Abschluss der Therapie in 3monatigen, ab dem dritten Jahr in zwölfmonatigen Abständen als Nachsorge (Remissionsüberwachung bzw. Rezidiverkennung, Erkennung von Langzeittoxizität:
- Anamnese und körperliche Untersuchung
- Zellzählung, Differentialblutbild
- LDH, Leber und Nierenfunktionsparameter
- Kontrolle initial pathologischer Befunde (bildgebende Verfahren)
- weiterführende Diagnostik in Abhängigkeit von den initial und im Verlauf erhobenen Befunden
4. Bestimmung der ‚minimalen Resterkrankung‘ (MRD) nur innerhalb von Studien.
8 Literatur
Dreyling M, Hiddemann W. Current treatment standards and emerging strategies in mantle cell lymphoma. Hematology Am Soc Hematol Educ Program 2009:542-551.http://asheducationbook.hematologylibrary.org/content/2009/1/542.long
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Determann O, Hoster E, Ott G, et al: Ki-67 predicts outcome in advanced stage mantle cell lymphoma patients treated with anti-CD20 immunochemo-therapy: results from randomized trials of the European MCL Network and the German Low Grade Lymphoma Study Group. Blood 111:2385-2387,2008. DOI: 10.1182/blood-2007-10-117010
Martin P, Chadburn A, Christos P, et al: Outcome of deferred initial therapy in mantle-cell lymphoma. J Clin Oncol 27: 1209-1213, 2009.DOI: 10.1200/JCO.2008.19.6121
Dreyling M, Lenz G, Hoster E, van Hoof A, et al.Early consolidation with myeloablative radiochemotherapy followed by autologous stem cell transplantation in first remission significantly prolongs progression - free survival in mantle cell lymphoma: results of a prospective randomized trial of the European MCL Network.Blood 105: 2677-2684, 2005. DOI 10.1182/blood-2004-10-3883
Hermine O, Hoster E, Walewski J, et al.Alternating Courses of 3x CHOP and 3x DHAP Plus Rituximab Followed by a High Dose ARA-C Containing Myeloablative Regimen and Autologous Stem Cell Transplantation (ASCT) Is Superior to 6 Courses CHOP Plus Rituximab Followed by Myeloablative Radiochemotherapy and ASCT in Mantle Cell Lymphoma: Results of the MCL Younger Trial of the European Mantle Cell Lymphoma Network (MCL net). Blood, Volume 116, Number 21, 19 November 2010, #110.http://abstracts.hematologylibrary.org/cgi/content/abstract/116/21/110
Hoster E,Unterhalt M, Wörmann B, et al.The addition of rituximab to first-line chemotherapy (R-CHOP) results in superior response rates, time to treatment failure and response duration in patients with advanced stage mantle cell lymphoma: long term results of a randomized GLSG trial.Blood 2008; 112: 11: Abstract 3049.http://abstracts.hematologylibrary.org/cgi/content/abstract/112/11/3049
Kluin-Nelemans JC, Hoster E, Walewski J, et al: R-CHOP Versus R-FC Followed by Maintenance with Rituximab Versus Interferon-Alfa: Outcome of the First Randomized Trial for Elderly Patients with Mantle Cell Lymphoma. Blood 118, Number 21, 18 November 2011, Abstract 493, 2011.http://abstracts.hematologylibrary.org/cgi/content/abstract/118/21/439?maxtoshow=&hits=10&RESULTFORMAT=&fulltext=439&searchid=1&FIRSTINDEX=0&volume=118&issue=21&resourcetype=HWCIT
Hess G, Herbrecht R, Romaguera J, et al: Phase III Study to Evaluate TemsirolimusCompared With Investigator's Choice Therapy for the Treatment of Relapsed or Refractory Mantle Cell Lymphoma.J Clin Oncol. 2009 Aug 10;27:3822-3829. DOI 10.1200/JCO.2008.20.7977
Goy A, Bernstein SH, Kahl BS, et al: Bortezomib in patients with relapsed or refractory mantle cell lymphoma: updated time-to-event analyses of the multicenter phase 2 Pinnacle study.Ann Oncol. 2009 Mar;20:520-525. DOI: 10.1093/annonc/mdn656
Witzig TE, Vose JM, Zinzani PL, et al.An international phase II trial of single-agent lenalidomide for relapsed or refractory aggressive B-cell non-Hodgkin's lymphoma. Ann Oncol. 2011 Jul;22(7):1622-7. Epub 2011 Jan 12. PMID: 21228334
9 Aktive Studien
10 Medikamentöse Tumortherapie - Protokolle
Mantelzell-Lymphom - Medikamentöse Tumortherapie - Protokolle
11 Studienergebnisse
12 Zulassungsstatus
Mantelzell-Lymphom - Zulassungsstatus der Medikamente
13 Links
Kompetenznetzwerk Maligne Lymphome
http://www.lymphome.de
Deutsche Leukämie - und Lymphom - Hilfe e. V.
www.leukaemie-hilfe.de
14 Anschriften der Verfasser
15 Offenlegung potentieller Interessenkonflikte
Name | Anstellung / | Beratung / | Aktien/ | Patent / | Honorare | Finanzierung | Andere |
Buske | Universitäts-klinikum Ulm | - | - | - |
Roche Pharma, | - | |
Drach | Medizinische Universität Wien | - | - | - |
Celgene, | - | - |
Dreyling | Klinikum der Universität München |
Celgene, | - | - |
Celgene, |
Celgene, | - |
Herold | Helios Klinikum Erfurt |
Celgene, | - | - |
Novartis, | Roche Pharma | - |
Rummel | Uniklinik Gießen | - | - | - |
Amgen, |
Mundipharma, | - |
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