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Inhaltsverzeichnis

Ösophaguskarzinom

ICD-10 C15.-
Stand Juni 2023
Dies ist nicht die aktuelle Version. Siehe: Ösophaguskarzinom

0Änderungen gegenüber Vorversion

Inhaltlich relevante Änderungen gegenüber der Vorversion

Zur besseren Lesbarkeit der Leitlinie wurde das Wort für Patient/Patientin in allen Variationen des Geschlechts mit Pat. abgekürzt.

Text und Algorithmen für Adenokarzinome im ösophago-gastralen Übergang (AEG) wurden mit der Onkopedia-Leitlinie Magenkarzinom abgeglichen. Die Empfehlungen wurden dabei für lokalisierte Tumoren von der Arbeitsgruppe Ösophaguskarzinom erstellt. Für die metastasierten Tumorstadien erfolgte dies von der Arbeitsgruppe Magenkarzinom. Text und Algorithmen können in beiden Leitlinien in gleicher Weise nachgelesen werden.

Für lokal fortgeschrittene AEG gibt es unverändert keinen Nachweis, dass eine präoperative Chemoradiotherapie der perioperativen Chemotherapie überlegen ist. Finale Daten der Neo-Aegis Studie zeigen einen identischen Verlauf der Überlebenskurven (Chemoradiotherapie (überwiegend) mit Carboplatin und Paclitaxel versus Epirubicin, Cisplatin und Fluoropyrimidin) (Kapitel 6.1.3.2)

In der palliativen Erstlinientherapie des Plattenepithelkarzinoms wird bei PD-L1 positiven Tumoren eine kombinierte Chemo-Immuntherapie oder eine sog. doppelte Checkpointblockade empfohlen. Die Definition einer Positivität für PD-L1 unterscheidet sich dabei je nach zugelassener Substanz (Kapitel 6.1.4).

Sofern in der Erstlinie kein Checkpointinhibitor eingesetzt wurde, wird beim Plattenepithelkarzinom unabhängig vom PD-L1 Status der Checkpointinhibitor Nivolumab in der Zweilinie empfohlen (Kapitel 6.1.4.1.1.3).

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1Zusammenfassung

Ösophaguskarzinome machen in Deutschland ca. 1% aller malignen Erkrankungen und ca. 2% aller krebsbedingten Todesfälle aus. Klinisch relevant ist die Unterscheidung zwischen Plattenepithel- und Adenokarzinomen.

Ca. 30-40% der Pat. befinden sich bei Erstdiagnose prinzipiell in einem resektablen Stadium. Insbesondere bei Pat. mit einem Plattenepithelkarzinom sind häufig Komorbiditäten zu beachten mit einer daraus resultierenden eingeschränkten funktionellen Operabilität. Das 5-Jahres-Überleben mit alleiniger Resektion liegt um 20%. Multimodale Konzepte verbessern bei lokal fortgeschrittenen Tumoren die Prognose, sie können zudem einen Organerhalt ermöglichen. Nach präoperativer Chemoradiotherapie und kompletter Resektion besteht bei Pat. mit histologischem Tumorrest (nicht-PCR) eines Plattenepithelkarzinoms oder Adenokarzinoms (einschl. AEG Typ I) eine Indikation zum Einsatz einer adjuvanten Immuntherapie (unabhängig vom PD-L1 Status).

Für metastasierte Plattenepithelkarzinome bleibt eine platinbasierte Chemotherapie trotz geringer Evidenz die Behandlung der Wahl. Checkpoint-Inhibitoren sind entweder in Kombination mit Chemotherapie (Pembrolizumab, PD-L1 CPS ≥ 10, Nivolumab PD-L1 TC ≥ 1%) oder als so genannte doppelte Checkpointblockade (Nivolumab + Ipilimumab, PD-L1 TC ≥ 1%) in der Erstlinie sowie als Monotherapie (Nivolumab, unabhängig vom PD-L1 Status) in der Zweitlinie zugelassen. Für die metastasierten Adenokarzinome des Ösophagus und des ösophago-gastralen Übergangs stehen in Analogie zum Magenkarzinom neben der kombinierten Chemotherapie auch personalisierte Therapieansätze (HER-2 positive Karzinome) und die Immuntherapie in Kombination mit Chemotherapie (PD-L1 CPS ≥ 5) zur Verfügung (siehe Kapitel 6.1.4.1.2).

2Grundlagen

2.1Definition und Basisinformationen

Neben der histologischen Unterscheidung zwischen Plattenepithel- und Adenokarzinomen ist die Lokalisation des Tumors wesentliche Grundlage für die Planung von Diagnostik und Therapie. In Abhängigkeit von der Lokalisation sowie den Lagebeziehungen innerhalb des Brustkorbs wird das Ösophaguskarzinom unterteilt in zervikale und intrathorakale Tumoren sowie Tumoren des ösophago-gastralen Übergangs (AEG).

Die hier vorgestellte Leitlinie bezieht sich auf Ösophaguskarzinome nach der aktuell gültigen 8. Edition der TNM/UICC-Klassifikation und beinhaltet auch die Adenokarzinome des ösophago-gastralen Übergangs Typ I und Typ II nach Siewert.

2.2Epidemiologie

Es bestehen deutliche geographische Unterschiede in der allgemeinen Inzidenz von Ösophaguskarzinomen, aber auch für das Verhältnis von Plattenepithel- und Adenokarzinomen.

In den industrialisierten Ländern Europas, Nordamerikas und in Australien hat die Häufigkeit von Adenokarzinomen mit einem Anteil von mittlerweile 40-50% in den letzten Jahrzehnten zugenommen. Weltweit sind Plattenepithelkarzinome deutlich häufiger, vor allem innerhalb des sogenannten „Asian esophageal cancer belt“. Hier kann die Inzidenz auf bis zu 100/100.000 Einwohner ansteigen [1].

In Deutschland werden jährlich ungefähr 5.700 Neuerkrankungsfälle bei Männern und ca. 1.850 Neuerkrankungsfälle bei Frauen diagnostiziert. Das Ösophaguskarzinom steht bei Männern an 13. Stelle der bösartigen Krebserkrankungen (2,2% an allen Krebserkrankungen) und an 8. Stelle (3,4%) der krebsbedingen Todesursachen; bei Frauen an 22. Stelle (0,8%) bzw. 18. Stelle (1,3%). Das mittlere Erkrankungsalter liegt mit 67 Jahren bei Männern unter dem für Krebs insgesamt (70 Jahre) und bei Frauen mit 71 Jahren über dem von Krebs insgesamt (69 Jahre). Das mittlere Sterbealter liegt bei 70 Jahren (Männer) bzw. 74 Jahren (Frauen) (Krebs insgesamt: 75 bzw. 76 Jahre). Etwa 16.000 Pat. mit Ösophaguskarzinom leben in Deutschland, deren Diagnose nicht länger als fünf Jahre zurückliegt bzw. knapp 20.000 Pat. mit einer Diagnose in den letzten 10 Jahren [2].

Plattenepithelkarzinome machen etwa 43% aller Krebserkrankungen der Speiseröhre aus. Der Anteil der Adenokarzinome, die überwiegend am Übergang zum Magen auftreten, ist in den letzten Jahren auf über 45% angestiegen [2].

Diese epidemiologischen Daten stimmen mit jenen in der Schweiz [3] und in Österreich [4] weitgehend überein.

Die altersstandardisierten Inzidenzraten ebenso wie die Sterberaten beider Geschlechter sind in den letzten 15 Jahren nahezu konstant. Dabei ist anzumerken, dass die Raten der Männer erheblich (Faktor 3,5) über denen der Frauen liegen, siehe Abbildung 1.

Abbildung 1: Geschätzte Inzidenz des Speiseröhrenkrebses (ICD 10: C15) in Deutschland 
Geschätzte Inzidenz des Speiseröhrenkrebses (ICD 10: C15) in Deutschland
Geschätzte Inzidenz des Speiseröhrenkrebses (ICD 10: C15) in Deutschland – Altersstandardisierte Raten (alter Europastandard); Quelle: Zentrum für Krebsregisterdaten, Datenbankabfrage [2]

Aufgrund der Verschiebung der Altersstruktur zu einer älteren Gesellschaft und weil die geburtenstarken Jahrgänge das Alter der höchsten Erkrankungswahrscheinlichkeit erreicht haben, unterscheiden sich die Verläufe der Neuerkrankungs- und Sterbefälle von den Verläufen der Raten. Diese Verschiebung wirkt sich wegen der höheren Erkrankungswahrscheinlichkeit absolut bei Männern stärker aus, relativ ist der Anstieg bei beiden Geschlechtern gleich. Trotz konstanter altersstandardisierter Erkrankungsraten stiegen die Fallzahlen in den letzten 15 Jahren um durchschnittlich 1,7% pro Jahr. Ähnlich sieht es bei der Zahl der Sterbefälle aus. Hier stieg die Zahl bei Männern um durchschnittlich 1,7% pro Jahr, bei Frauen um 1,3% pro Jahr, siehe Abbildung 2.

Abbildung 2: Inzidenz und Mortalität des Speiseröhrenkrebses (ICD 10: C15) in Deutschland 
Inzidenz und Mortalität des Speiseröhrenkrebses (ICD 10: C15) in Deutschland
Geschätzte Inzidenz des Speiseröhrenkrebses (ICD 10: C15) in Deutschland – Fallzahlen; Quelle: Zentrum für Krebsregisterdaten, Datenbankabfrage [2]

Die meisten Erkrankungsfälle treten bei Männern zwischen 70 und 79 Jahren auf, siehe Abbildung 3 (Balken). Ab dem 50. Lebensjahr steigt die Zahl der Neuerkrankungen stetig an. Die Fallzahlen bei den 65- bis 79-jährigen sind nahezu gleich hoch, ab dem 80. Lebensjahr nimmt die Fallzahl deutlich ab. Bei Frauen steigt die Zahl – auf deutlich niedrigerem Niveau – kontinuierlich bis zum 85. Lebensjahr und ist dann nahezu konstant. Das höchste Erkrankungsrisiko, siehe Abbildung 3 (Linien), findet sich bei Männern zwischen 75 und 79 Jahren und bei Frauen stetig steigend bis zur höchsten Altersgruppe. Fallzahlen und Inzidenzraten der Männer liegen in allen Altersgruppen erheblich über denen der Frauen.

Abbildung 3: Neuerkrankungen und altersspezifische Raten des Speiseröhrenkrebses (ICD 10: C15) in Deutschland 
Neuerkrankungen und altersspezifische Raten des Speiseröhrenkrebses (ICD 10: C15) in Deutschland
Altersverteilung der Inzidenz des Speiseröhrenkrebs (ICD 10: C15) – altersspezifische Fallzahlen und Raten; Quelle: Zentrum für Krebsregisterdaten, Datenbankabfrage [2]

Die Prognose beim Speiseröhrenkrebs ist insbesondere im ersten Jahre nach Diagnose relativ ungünstig. Etwa 50% der Pat. versterben im ersten Jahr nach Diagnosestellung. Der geringe Unterschied zwischen absoluter Überlebensrate (prozentualer Anteil an Pat., die eine bestimmte Zeit überleben) und relativer Überlebensrate (Verhältnis aus absolutem Überleben und dem erwarteten Überleben in der Allgemeinbevölkerung) zeigt die Übersterblichkeit durch die Krebserkrankung. Ab dem fünften Jahr nach Diagnose vergrößert sich der Abstand zwischen absoluter und relativer Überlebensrate, außerdem sinken die relativen Überlebensraten nur noch wenig, damit treten nach etwa fünf Jahren deutlich weniger krebsbedingte Sterbefälle auf. Allerdings erreichen die relativen Überlebensraten nie einen komplett parallelen Verlauf zur x-Achse, was anzeigt, dass auch nach 8-10 Jahren noch krebsbedingte Sterbefälle auftreten. Abbildung 4 zeigt die absoluten und die relativen Überlebensraten für die ersten 10 Jahre nach Diagnose mit nur geringen Unterschieden hinsichtlich des Überlebens zwischen den Geschlechtern.

Abbildung 4: Absolute und relative Überlebensraten des Speiseröhrenkrebses (ICD 10: C15) 
Absolute und relative Überlebensraten des Speiseröhrenkrebses (ICD 10: C15)
Absolute und relative Überlebensraten beim Speiseröhrenkrebs (ICD 10: C15); Quelle: Zentrum für Krebsregisterdaten, Datenbankabfrage [2]

Legt man die aktuelle Erkrankungshäufigkeit und die 14. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes (G2L2W2, moderate Entwicklung) zugrunde, kann in den nächsten 30 Jahren allein aufgrund der Verschiebung der Altersstrukturen in der Bevölkerung mit einem Anwachsen der Fallzahlen um rund 21% auf rund 8.500 Neuerkrankungen (2050) gerechnet werden. Wegen des verhältnismäßig niedrigen Erkrankungsalters besonders bei Männern ist der demografisch bedingte, zu erwartende Anstieg der Fallzahlen geringer als bei den meisten anderen Krebserkrankungen.

2.3Pathogenese

Plattenepithelkarzinome entstehen typischerweise durch eine initiale mechanische Schädigung wie z.B. bei Achalasie, nach Strahlentherapie oder nach Verätzungen mit Säuren bzw. Laugen und in Kombination mit toxischen karzinogenen Substanzen wie Alkohol und Nikotin. Diese Karzinogene führen auch zu Zweit- Plattenepithelkarzinomen im Kopf-Halsbereich oder in der Lunge [56].

Für Karzinome im distalen Ösophagus ist der Zusammenhang mit einem chronischen Säurereflux eingehend untersucht und gilt als anerkannter Risikofaktor. Die Metaplasie des orthotopen Plattenepithels zu einem Zylinderepithel führt zur präneoplastischen Barrett-Mukosa. Das Risiko für die Entstehung eines Karzinoms wurde lange überschätzt. Die Progressionsrate von einer Barrett-Metaplasie zum Karzinom beträgt etwa 0,3% (3 von 1000 Pat.) pro Jahr [7]. Fallkontroll-Studien zeigen bei Rauchern auch ein erhöhtes Risiko für die Entstehung eines Adenokarzinoms. Die Einnahme von nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR), Protonenpumpen-inhibitoren (PPI) und Statinen scheint das Risiko eines Übergangs vom Barrettkarzinom in ein invasives Adenokarzinom zu reduzieren [8]. Aufgrund der nicht konsistenten Daten kann eine medikamentöse Prophylaxe jedoch nicht empfohlen werden [9].

Pathogenetisch erfolgt eine Transformation des Zylinderepithels zur Zylinderepitheldysplasie über eine Inaktivierung von p53, die in bis zu 50% aller Plattenepithelkarzinome des Ösophagus vorkommt. Weitere häufige Mutationen sind ein Allelverlust in p16 sowie die Amplifikation/Überexpression von Cyclin D1. Allelverluste im Fragile histidine triad- (Fhit-) Gen inaktivieren dieses Tumorsuppressor-Gen, das besonders empfindlich auf die Einwirkung chemischer Karzinogene reagiert [10].

Die Karzinogenese der Adenokarzinome, die nicht aus einer Barrett-Schleimhaut hervorgehen, erfolgt in Analogie zu den Karzinomen des übrigen Verdauungstrakts sequentiell in mehrstufigen Prozessen über präkanzeröse Zwischenstufen. Low-grade Dysplasien entwickeln sich zur high-grade Dysplasie und zum invasiven Karzinom. Eine Infektion mit Helicobacter (H.) pylori könnte als protektiv für das Entstehen eines Adenokarzinom des ösophago-gastralen Übergangs gelten. Umgekehrt zeigte sich mit vermehrtem Einsatz von H. pylori Eradikationstherapien eine Zunahme dieser Karzinome, was allerdings auch durch vermehrte Überwachungsstrategien erklärt sein könnte [11].

2.4Risikofaktoren

Die Risikofaktoren unterscheiden sich in Abhängigkeit von der Histologie und Lokalisation. Plattenepithelkarzinome sind häufig assoziiert mit Alkohol und Nikotinabusus. Bei Karzinomen des ösophago-gastralen Übergangs finden sich hingegen häufiger Adipositas und gastro-ösophagealer Säurereflux. Nikotinabusus ist ein gemeinsamer Risikofaktor für die Krebsentstehung.

Das Risiko, an einem Ösophaguskarzinom zu erkranken, wird durch folgende Faktoren erhöht [6]:

  • Plattenepithelkarzinome:

    • Rauchen und Alkohol, dosisabhängig

    • Männliches Geschlecht

    • Tylosis (autosomal-dominante Dys-/Hyperkeratose der Füße und Hände): bis zu 90% entwickeln ein Plattenepithelkarzinom des Ösophagus

    • Achalasie

    • Stenosen nach Verätzung mit Laugen oder Säuren

    • Vorbestrahlung im Hals-/Thoraxbereich (dosisabhängig)

    • Vordiagnose von Plattenepithelkarzinomen im Kopf-Hals Bereich oder der Lunge

  • Adenokarzinome:

    • Gastro-ösophageale Refluxerkrankung (GERD): Barrett-Ösophagus

    • Rauchen

    • Adipositas

    • Achalasie

    • Stenosen nach Verätzung mit Säuren oder Laugen

3Vorbeugung und Früherkennung

3.1Vorbeugung

Die Empfehlungen zur Vorbeugung eines Ösophaguskarzinoms beziehen sich auf die bisher identifizierten erworbenen Risikofaktoren [9]:

  • Verzicht auf exzessiven Alkoholkonsum

  • Verzicht auf Tabakkonsum

  • Ernährung mit reichlich Gemüse und Obst

  • Behandlung einer gastro-ösophagealen Reflux-Krankheit

Für eine medikamentöse Prophylaxe (ASS, Antioxidantien) kann derzeit keine Empfehlung gegeben werden, obwohl aus Fallkontrollstudien Hinweise für eine Risikoreduktion durch ASS bestehen [12]). Allerdings wird selbst unter geringen Dosen das Risiko für gastrointestinale Blutungen signifikant (um 14%) erhöht [13].

3.2Früherkennung

Für die Gesamtbevölkerung sind in Deutschland keine Früherkennungsmaßnahmen etabliert und ihr Einfluss auf die Entstehung eines Karzinoms im Ösophagus oder gar auf die Prognose wäre aufgrund der niedrigen Inzidenz auch schwer nachweisbar. In einigen asiatischen Ländern wird ein allgemeines Screening aufgrund der hohen Prävalenz diskutiert.

Bei Pat. mit einem Barrett-Ösophagus sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen mittels Endoskopie und einer 4-Quadratentenbiopsie alle 2 cm gängige Praxis. Daten im Sinne einer effektiven Risikoreduktion mit Senkung der krebsspezifischen Mortalität liegen allerdings nicht vor [14].

4Klinisches Bild

4.1Symptome

Frühkarzinome sind in aller Regel symptomlos. Die folgenden Symptome treten häufig erst bei lokal fortgeschrittenen Tumoren mit Verlegung von ca. zwei Dritteln des Ösophaguslumens oder bei metastasierten Karzinomen auf:

  • Dysphagie, Odynophagie

  • Rezidivierendes Erbrechen, Übelkeit

  • Inappetenz

  • Frühes Sättigungsgefühl

  • Gewichtsverlust, Asthenie

  • Thorakale Schmerzen

  • Gastrointestinale Blutung, Anämie

5Diagnose

5.1[Kapitel nicht relevant]

5.2Diagnostik

5.2.1Erstdiagnose/Lokalbefund

Die Endoskopie ist die wichtigste und meist primäre Methode bei der Diagnosestellung eines Ösophaguskarzinoms. Ziel ist die Bestimmung der Lokalisation und Ausdehnung des Tumors sowie die Erfassung metaplastischer Veränderungen des Epithels im unteren Ösophagus (Barrett-Ösophagus). Mittels hochauflösender Videoendoskopie ist es möglich, auch diskrete Änderungen in der Farbe, dem Relief und der Architektur der Mukosa zu erkennen. Die endoskopische Entdeckung von Dysplasien und Frühkarzinomen kann durch Chromo-Endoskopie (z.B. Lugol‘sche Lösung) oder durch computergestützte digitale Verfahren (z.B. narrow-band-imaging) im Endoskop verbessert werden [1516].

Da die Prognose der Pat. mit einem Ösophaguskarzinom eng mit der lokalen Tumorausbreitung und dem Lymphknotenbefall korreliert, ist ein möglichst genaues prätherapeutisches Staging zur Therapiesteuerung notwendig. Ziele der Diagnostik sind die Festlegung des Krankheitsstadiums und die Abklärung der Behandlungsfähigkeit der Pat. Hierbei spielt die Invasionstiefe des Tumors (T-Kategorie) und dessen Lage zu benachbarten Strukturen eine besondere Rolle, deren Vorhersage-Genauigkeit durch die Endosonographie verbessert werden kann, siehe Tabelle 1. Die Endosonographie hat aufgrund ihrer hohen lokalen Ortsauflösung die höchste Treffsicherheit aller Verfahren. Daten (Evidenzgrad 1b) von Russell et al. [17] deutet darauf hin, dass ein konsequentes EUS-Tumorstaging bei Ösophagus-Karzinomen zu verbesserten Überlebensraten der mittels EUS untersuchten Pat. führt (ca. 3 Monate gegenüber der Vergleichsgruppe). Einschränkungen bestehen zum einen durch die Untersucherabhängigkeit und bei hochgradig stenosierenden Tumoren durch die nur bedingt mögliche technische Durchführbarkeit.

5.2.2Umfeldstaging

5.2.2.1Sonographie

Die B-Bild-Sonographie ist das initiale bildgebende Verfahren im Rahmen der Stagingdiagnostik zum Ausschluss von Lebermetastasen. Durch den zusätzlichen Einsatz der kontrastverstärkten Sonographie werden Sensitivität und Spezifität deutlich erhöht. Zudem kann die B-Bild-Sonographie des Halses ergänzend zum Ausschluss von zervikalen Lymphknotenmetastasen eingesetzt werden, die bei 10-28% der Pat. vorliegt, vor allem bei zervikalem oder hoch intrathorakalem Sitz des Primärtumors.

5.2.2.2Röntgen-Breischluck

Der Röntgen Breischluck soll nicht zur Diagnosestellung des Ösophaguskarzinoms eingesetzt werden.

5.2.2.3Computertomographie (CT)/ Multidetektorcomputertomographie (MDCT)

Bei Pat. mit einem neu diagnostizierten Ösophaguskarzinom sollte zum primären Staging eine CT von Hals/Thorax und Abdomen mit multiplanaren Rekonstruktionen und zusätzlicher Wanddistension durch negatives Kontrastmittel und i.v. Kontrastmittel durchgeführt werden. Es bietet sich an, den Hals bei den heute üblichen schnellen Scannertechnologien mit darzustellen, dies erübrigt dann den ergänzenden Ultraschall des Halses.

5.2.2.4Magnetresonanztomographie (MRT)

Die MRT kann als Ersatzverfahren durchgeführt werden, wenn keine CT durchgeführt werden kann (KM-Kontraindikationen) oder als ergänzendes Verfahren zu CT/EUS. Insbesondere im Bereich von Tumoren im ösophago-gastralen Übergang und in der Beurteilung von Lebermetastasen (mit Anwendung von leberspezifischem Kontrastmittel) ist die MRT sinnvoll. Für pulmonale Herdbefunde ist sie weniger exakt als die CT.

5.2.2.5Positronenemissionstomographie (PET/CT)

Bei lokal fortgeschrittenen Tumoren (cT2-4 und cN+) kann zusätzlich eine PET/CT zum M-Staging eingesetzt werden, wenn eine kurative Therapieintention vorliegt bzw. das Ergebnis klinische Konsequenzen hat. Die Bewertung der PET/CT beim Ösophaguskarzinom weist erhebliche Unterschiede in der internationalen Literatur auf. Zwei jüngere Metaanalysen beschäftigen sich mit der PET/CT im Rahmen des Primärstagings [1819]. Beide bestätigen die bekannte hohe diagnostische Spezifität, jedoch die geringe Sensitivität, insbesondere hinsichtlich lokoregionärer Lymphknotenmetastasen. Wenngleich die falsch-negative Rate nicht unerheblich ist, bringt der Nachweis von lokoregionalen Lymphknotenmetastasen im PET/CT doch die klinische Konsequenz der Ausweitung des Strahlenvolumens bzw. der Ausweitung der Lymphknotendissektion mit sich.

Hinweis zur Vergütungssituation: Im Rahmen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) von Pat. mit schweren Verläufen ist bei gastrointestinalen Tumoren und Tumoren der Bauchhöhle eine PET bzw. PET/CT zur Detektion von Fernmetastasen erhalten.

In der Response Beurteilung einer (Radio-) Chemotherapie wird der Nutzen der PET/CT sehr kontrovers diskutiert. Zwar zeigen die meisten Studien eine starke Korrelation zwischen metabolischem Ansprechen im PET/CT und klinisch/histopathologischem Ansprechen, allerdings existieren keine Studien zur Überprüfung der Cut-Off Werte, um daraus Entscheidungen für eine chirurgische Resektion ableiten zu können. Aus dieser Sachlage heraus kann die PET/CT zu dieser Fragestellung nicht routinemäßig empfohlen werden.

5.2.2.6Evaluation der Operabilität

Bei potenziell resektablen Tumoren sollte zur Klärung der funktionellen Operabilität bei den häufig komorbiden Pat. eine erweiterte anästhesiologische Abklärung erfolgen, die Alter, Ernährungsstatus, Komorbiditäten, kardiopulmonale und hepatische Vorerkrankungen (Alkoholanamnese, Zirrhose?) bzw. „Reserve“ einschließt. Bei Pat. ab 70 Jahren wird zusätzlich ein geriatrisches Assessment empfohlen.

In verschiedenen Studien zeigte eine systematische Erfassung von Risikofaktoren eine gute Korrelation mit der postoperativen Morbidität und Mortalität. Für Operationen am Ösophagus stehen z.B. der „Kölner Risikoscore“ und „O-Possum für Ösophagektomie“ zur Verfügung [2021].

Tabelle 1: Diagnostik und Staging  

Untersuchung

Anmerkung

Körperliche Untersuchung

Labor (Blut)

Blutbild, Leber- und Nierenfunktionsparameter, Gerinnung, TSH

Endoskopie oberer Gastrointestinaltrakt

Fakultativ ergänzt durch Chromo-Endoskopie

Histologie

Histopathologische Befundung mit Immunhistologie

Endoskopischer Ultraschall (EUS)

Bei Pat. mit kurativer Therapieintention

Computertomographie Hals, Thorax, Abdomen mit Kontrastmittel

CT Hals bei zervikalen Tumoren, falls kein PET-CT durchgeführt wird

Sonographie Abdomen und Hals

Ggf. ergänzend zur Computertomographie

Laparoskopie mit Zytologie1

Bei Adenokarzinomen des ösophago-gastralen Übergangs, Kategorie cT3/T4, wenn eine präoperative Therapie geplant ist

Positronenemissionstomographie (PET-CT)

Ausschluss von Fernmetasen, OP-Planung, Planung der Strahlentherapie

Laryngoskopie; HNO; Panendoskopie

Bei Plattenepithelkarzinomen zur OP-Planung und zum Ausschluss von Zweitkarzinomen

Bronchoskopie

Bei anatomischer Nachbarschaft zur Trachea und zum Bronchialsystem

Risikoanalyse wichtiger Organfunktionen

Frage der funktionellen Operabilität

Screening auf Mangelernährung

Pat. mit Risiko für Mangelernährung

Anästhesiologische Abklärung

Frühzeitige Anmeldung bei kurativer Situation empfohlen, da viele Pat. eine relevante Co-Morbidität aufweisen.

1Die Laparoskopie hilft, bei AEG I und II Karzinomen eine klinisch okkulte Metastasierung des Peritoneums bei lokal resektablen Tumoren zu detektieren. Der Nachweis einer makroskopischen Peritonealkarzinose hat unmittelbare Auswirkungen auf die Therapieplanung. Laparoskopisch auffällige Befunde werden selten bei Tumoren der Kategorie T1/T2 gefunden.

Histopathologische Befunde an lokalen Exzisaten (endoskopische Resektion; ER) sollten folgende Angaben enthalten:

  • Größe der neoplastischen Läsion in 3 Dimensionen

  • Ggf. Graduierung der Dysplasie bzw. intraepithelialen Neoplasie nach WHO

  • Histologischer Typ nach WHO (insbesondere Unterscheidung Plattenepithel- versus Adenokarzinom, andere seltene Typen)

  • Immunhistochemische Informationen zu den Biomarkern PD-L1 (als kombinierter Score CPS und als Anteil der positiven Tumorzellen TPS), HER-2 und Mikrosatellitenstatus (beide bei Adenokarzinomen)

  • Bei invasiven Karzinomen:

    • Differenzierungsgrad (Grading) nach aktueller WHO-Klassifikation

    • Maximale Tiefe der Infiltration: pT1a (Mukosa m1, m2, m3, m4), pT1b (Submukosa sm1, sm2, sm3) plus Infiltrationstiefe in µm (oder höhere pT-Kategorie)

    • Lymphgefäß- und/oder Veneninvasion

  • Zusammenfassende Einschätzung des LK-Metastasierungsrisikos:

    • Low risk vs. High risk

    • Resektionsränder bzgl. der Neoplasie: bei ER in toto zirkulärer und basaler Resektionsrand; bei „piece-meal“-ER basaler Resektionsrand, da hier der zirkuläre Resektionsrand in der Regel histopathologisch als RX gewertet werden muss

Nach neoadjuvanter Therapie sollte ein Re-Staging zum Ausschluss von Metastasen erfolgen. Bei klinischem Anhalt für eine Tumorprogression unter neoadjuvanter Therapie wird eine symptombezogene Diagnostik zur Planung der nächsten therapeutischen Schritte empfohlen [9].

5.3Klassifikation

5.3.1Einteilung nach Lokalisation

In Abhängigkeit von der Lokalisation (Abstand „ab Zahnreihe“, ZR) sowie den Lagebeziehungen innerhalb des Brustkorbs wird nach der aktuellen TNM-Klassifikation 8. Auflage [22] unterschieden in Karzinome

  • des zervikalen Ösophagus (C15.0): ab Unterrand des Krikoidknorpels bis Eintritt des Ösophagus in den Thorax (Suprasternalgrube), etwa 18 cm ab ZR

  • des intrathorakalen Ösophagus

    • oberer thorakaler Abschnitt (C15.3): vom Eintritt des Ösophagus in den Thorax bis zur Höhe der Trachealbifurkation, 18 bis 24 cm ab ZR

    • mittlerer thorakaler Abschnitt (C15.4): obere Hälfte des Ösophagus zwischen Trachealbifurkation und ösophago-gastralem Übergang, 24 bis 32 cm ab ZR

    • unterer thorakaler Abschnitt (C15.5): distale Hälfte des Ösophagus zwischen Trachealbifurkation und ösophago-gastralem Übergang. Untere Grenze ist die Z-Linie etwa 40 cm ab ZR

  • des ösophago-gastralen Übergangs (C16.0): Tumoren, die den ösophago-gastralen Übergang einbeziehen und deren Zentrum innerhalb von 2 cm oberhalb oder unterhalb der Z-Linie liegt und diese überschreitet (Siewert-Typen I und II), Synonym AEG (Adenokarzinom des ösophago-gastralen Übergangs)

    • Typ I: Haupttumor im distalen Ösophagus

    • Typ II: Haupttumor in der Kardia des Magens

    • (Typ III: Adenokarzinom des subkardialen Magens, gehört zu den Magenkarzinomen)

5.3.2Stadien und Stadieneinteilung/TNM

Die Klassifikation der Ausdehnung des Primärtumors und der Metastasierung erfolgt auf der Basis der UICC/AJCC-TNM Kriterien. Seit dem 1. Januar 2017 wird in Europa die 8. Edition verwendet [22]. Die TNM-Kriterien sind in Tabelle 2, die Stadieneinteilung für Plattenepithelkarzinome in Tabelle 3 und für Adenokarzinome in Tabelle 4 zusammengefasst.

Als regionäre Lymphknoten (LK) gelten die im lymphatischen Abflussgebiet des Ösophagus lokalisierten LK. Eingeschlossen sind die zöliakalen LK und die paraösophagealen Lymphknoten des Halses, aber nicht die supraklavikulären Lymphknoten.

Tabelle 2: UICC (2018) TNM-Klassifikation – Ösophaguskarzinom 

Klassifikation

Tumor

T

Primärtumor

TX

Primärtumor kann nicht beurteilt werden

T0

Kein Anhalt für Primärtumor

Tis

Hochgradige Dysplasie (maligne Zellen begrenzt durch die Basalmembran)

T1

Tumor infiltriert die Lamina propria oder Muscularis mucosae oder Submucosa

T1a

Tumor infiltriert Lamina propria oder Muscularis mucosae

T1b

Tumor infiltriert Submucosa

T2

Tumor eingewachsen infiltriert die Muscularis propria

T3

Tumor infiltriert Adventitia

T4

Tumor infiltriert Nachbarstrukturen wie Aorta, Wirbelkörper oder Trachea

T4a

Tumor infiltriert die Pleura, das Pericard, die Vena azygos, das Zwerchfell oder das Peritoneum

T4b

Tumor eingewachsen (infiltriert die Aorta), einen Wirbelkörper oder die Trachea

N

Regionäre Lymphknoten

NX

Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden

N0

Keine regionären Lymphknotenmetastasen

N1

Metastasen in 1 – 2 regionären Lymphknoten

N2

Metastasen in 3 – 6 regionären Lymphnoten

N3

Metastasen in mehr als 7 regionären Lymphknoten

M

Fernmetastasen

M0

Keine Fernmetastasen nachgewiesen

M1

Fernmetastasen nachgewiesen

Tabelle 3: Plattenepithelkarzinom des Ösophagus –klinische Stadieneinteilung nach UICC 2018 

Stadium

T

N

M

I

T1

N0, N1

M0

II

T2

T3

N0, N1

N0

M0

III

T1, T2

N2

M0

T3

N1, N2

M0

IVa

T4a, T4b

jedes N

M0

jedes T

N3

M0

IVb

jedes T

jedes N

M1

Tabelle 4: Adenokarzinome de Ösophagus –klinische Stadieneinteilung nach UICC 

Stadium

T

N

M

I

T1

N0

M0

IIa

T1

N1

M0

IIb

T2

N0

M0

III

 

T1

N2

M0

T2

N1, N2

M0

T3, T4a

N0, N1, N2

M0

IVa

T4b

N0, N1, N2

M0

jedes T

N3

M0

IVb

Jedes T

Jedes N

M1

5.3.3Histologische Subtypen

  • Carcinoma in situ (CIS): makroskopisch erhabene oder flache Epithelverdickung oder eingesunkene Verdünnung des Schleimhautepithels, die weißlich (Leukoplakie), rötlich (Erythroplasie) oder farblich unverändert (okkulter Typ) erscheinen. In 10-20% solitär und in 80-90% multipel.

  • Polypöses Karzinom: mit ca. 60% am häufigsten.

  • Diffus infiltrierendes Karzinom: ca. 15% der Fälle.

  • Ulzeröses Karzinom: in etwa 25% der Fälle imponiert der Tumor als unregelmäßig begrenztes hämorrhagisches Ulkus mit wallartig erhabenen Rändern.

  • Variköses Karzinom: Unter dieser Bezeichnung sind Tumoren beschrieben, die in ihrem endoskopischen und röntgenologischen Bild Ösophagusvarizen ähneln.

5.3.4The Cancer Genome Atlas (TCGA)-Klassifikation

Aktuelle Studien unterteilen das Ösophaguskarzinom in drei molekulare Subtypen [23]:

  • BRCA- und BRCA ähnliche Mutationen (BRCAness) und Alteration von Genen der DNS Reparatur mittels homologer Rekombination (HRD)

  • Mutationsmuster mit überwiegendem Austausch der Basen T>G und einer Assoziation mit einer hohen Mutationslast und dem Entstehen von Neoantigenen

  • Mutationsmuster mit überwiegendem Austausch der Basen C>A und einer Assoziation mit einer akzelerierten Zellalterung.

Diese Subtypen haben bisher noch keinen Einfluss auf den klinischen Alltag und therapeutische Entscheidungen.

6Therapie

6.1Therapiestruktur

Aufgrund der komplexen Therapiemöglichkeiten sollten Empfehlungen immer multidisziplinär diskutiert und entschieden werden (interdisziplinäre Tumorkonferenz).

Neben den tumorspezifischen spielen die patientenspezifischen Faktoren eine besondere Rolle, da entitätstypisch häufig Komorbiditäten mit potentiellen kardiovaskulären, pulmonalen oder hepatischen Einschränkungen vorliegen, die eine Therapie deutlich erschweren und bei resektablen Tumoren zur sogenannten funktionellen Inoperabilität führen können [11].

Viele Pat. sind bei Diagnosestellung in einem reduzierten Allgemeinzustand, schwere Mangelernährung ist besonders beim Plattenepithelkarzinom häufig. Aufgrund des hohen metabolischen Risikos sollten Pat. bereits vor der Operation ernährt werden, auch wenn die Operation deswegen verschoben werden muss. Nach einer Operation sollte frühzeitig (innerhalb von 24 Stunden) mit einer (parenteralen) Ernährung begonnen werden.

Mehr als 50% der Pat. mit einem Ösophaguskarzinom sind bei Diagnosestellung über 65 Jahre alt. Dennoch liegen weiterhin nur wenige Daten zur Therapie von Pat. über 70 Jahre vor. Aus älteren britischen Analysen ergibt sich der Hinweis, dass der Vorteil einer präoperativen Chemoradiotherapie gegenüber alleiniger Operation mit dem Alter abnimmt und für Pat. ab 65 Jahren nicht mehr signifikant ist. Eine randomisierte britische Studie (GO2-Studie) bei metastasierter Erkrankung belegt zumindest für ältere Pat. mit einem Adenokarzinom, dass eine primäre Dosisreduktion vs. Standarddosierung der Chemotherapie die Prognose nicht verschlechtert, dabei aber die Lebensqualität unter Therapie verbessert [60] (siehe Kapitel 6.1.4.1.2).

Die Therapieentscheidung richtet sich primär nach der T-Kategorie sowie nach dem Vorliegen einer Fernmetastasierung. Ein Lymphknotenbefall geht erst sekundär in die Therapiealgorithmen ein.

Ein Therapiealgorithmus ist für resektable Plattenepithelkarzinome in Abbildung 5, für resektable Adenokarzinome in Abbildung 6, für metastasierte Tumoren in Abbildung 7 und Abbildung 8, 9 und10 dargestellt.

Abbildung 5: Algorithmus für die Primärtherapie beim Plattenepithelkarzinom 
Therapie in kurativer Intention
1 Mehr als 16 cm hinter der Zahnreihe
2 m=mukosal, sm=submukosal
3 Risikofaktoren: Ulceration, L1, V1, G3, R1 basal, tiefe Submukosainfiltration
4 R0-Resektion, wenn ypT ≥1 oder ypN ≥1
Abbildung 6: Algorithmus für die Primärtherapie beim Adenokarzinom 
Therapie in kurativer Intention
1 AEG: Adenokarzinom des ösophago-gastraler Übergangs
2 Risikofaktoren: Ulceration, L1, V1, G3, R1 basal tiefe Submukosainfiltration, multifokale/nicht abtragbare Barrett-Läsionen
3 R0-Resektion, wenn ypT ≥1 oder ypN ≥1

6.1.1T1a N0 M0 (Frühkarzinome)

Da die Wahrscheinlichkeit einer Lymphknotenmetastasierung beim mukosalen Ösophaguskarzinom (T1a) mit 1-2% sehr gering ist, gilt eine Mukosektomie mittels endoskopischer Resektion (ER) als Therapiestandard, und zwar beim Adenofrühkarzinom für die Kategorie pT1 m1-sm1, beim Plattenepithelfrühkarzinom für die Kategorie pT1 m1-m2. Hierbei sollte eine En-bloc-Resektion angestrebt werden, die eine vollständige histologische Beurteilung der lateralen und basalen Ränder erlaubt.

Ziel des Eingriffs muss eine R0 Resektion sein. Technisch stehen die endoskopische Mukosaresektion (EMR / ER) und die endoskopische Submukosa-Dissektion (ESD) [24] zur Verfügung.

In Europa ist die EMR gut etabliert. Allerdings können damit nur Läsionen bis max. 15 mm en-bloc vollständig reseziert werden. Bei größeren Tumoren muss in sog. „piecemeal“ Technik reseziert werden, was die Gefahr für inkomplette Resektionen erhöht. So treten bei Barrettneoplasien nach EMR in bis zu 30% Rezidive oder Zweitmanifestationen auf [25].

Daten für die ESD liegen bisher vor allem aus asiatischen Ländern für das Plattenepithelkarzinom vor. Hier zeigte sich eine Überlegenheit hinsichtlich en-bloc-Resektionsrate, kurativer Resektionsrate und Lokalrezidivrate. Daten aus Japan belegen, dass auch beim Barrettkarzinom prinzipiell eine ESD möglich ist und in 85% eine R0 Resektion erzielt werden kann. Allerdings ist der Stellenwert der ESD beim Adeno-/Barrettkarzinom nicht abschließend geklärt [2526].

Bei Pat. mit oberflächlicher Mukosainfiltration eines Plattenepithelkarzinom ohne Risikofaktoren (T1m3, L0, V0, G1/2, < 20 mm, keine Ulzeration) kann nach interdisziplinärer Diskussion die endoskopische Resektion eine ausreichende Alternative zur Operation sein.

Bei folgenden Risikofaktoren sollte statt der endoskopischen die chirurgische Resektion des Tumors durchgeführt werden [9]:

  • Tumorrest am basalen Resektionsrand (R1 basal)

  • Multifokale oder nicht abtragbare Barrett-Läsionen

Nach endoskopischer Resektion und histopathologischer Diagnose eines Tumors der Kategorie T1sm1-3 (Plattenepithelkarzinom) bzw. T1sm2-3 (Adenokarzinom) sollte eine chirurgische Resektion mit systematischer Lymphadenektomie erfolgen. Eine chirurgische Resektion sollte immer auch dann in Erwägung gezogen werden, wenn nach ER eine Lymph- oder Veneninvasion (L1, V1), ein Differenzierungsgrad G3 oder eine tiefe Submukosainfiltration (> 500 µm) vorliegt [9].

Da ein auf die Mukosa begrenztes Lokalrezidiv nach ER oder ein frühes Zweitkarzinom erneut in kurativer Absicht endoskopisch behandelt werden kann, sind regelmäßige endoskopische Verlaufskontrollen indiziert. Die empfohlenen Kontrollintervalle liegen bei 3 Monaten im ersten und bei 6 Monaten im zweiten Jahr. Danach sollten Kontrollen jährlich stattfinden.

Beim Barrettösophagus sollte nach erfolgreicher endoskopischer Resektion die nicht-neoplastische Barrett-Mukosa thermoabladiert werden, da so die Rate an Zweitneoplasien gesenkt werden kann.

6.1.2T1b-T2 M0 (Lokalisierte Tumoren)

Bei Ösophaguskarzinomen der Kategorie pT1b (Infiltration der Submukosa) liegt das Risiko von Lymphknotenmetastasen zwischen 7% und 35%, bei Plattenepithelkarzinomen höher als bei Adenokarzinomen.

Therapie der Wahl bei den thorakalen Karzinomen und den Karzinomen des ösophago-gastralen Übergangs ist die primäre chirurgische Resektion mit einer kompletten Entfernung des Tumors oral, aboral und in der Zirkumferenz sowie der regionären Lymphknoten.

Die Art und das Ausmaß der Operation sowie der zugehörigen Lymphknotendissektion richtet sich nach der jeweiligen Lokalisation des Tumors und eventuell befallener Lymphknoten, siehe hierzu Kapitel 6.2.1. Therapiemodalitäten – Resektion.

Der Wert einer perioperativen oder einer adjuvanten Chemotherapie ist für Pat. mit Karzinomen der Kategorie T1b unabhängig vom Lymphknotenbefall nicht belegt.

Unabhängig von der Tumorlokalisation im Ösophagus und der Histologie (Adeno- oder Plattenepithelkarzinom), stellt eine definitive Radiochemotherapie für Pat., die aufgrund von Komorbiditäten nicht für eine Operation geeignet sind, eine Alternative dar mit dem Ziel der dauerhaften loko-regionären Tumorkontrolle. Für diese Pat. kann bei einem Tumor der Kategorie T1b eine endoskopische Resektion trotz erhöhtem Rezidivrisiko Therapie der Wahl sein [9].

Bereits bei einem Tumor der Kategorie T2 kann, insbesondere bei hochgradigem V.a. oder Nachweis von Lymphknotenmetastasen, der Einsatz multimodaler Therapiekonzepte sinnvoll sein, wie sie im Folgenden für die T3/T4 Tumoren (siehe Kapitel 6.1.3) dargestellt werden. Die Empfehlung für ein solches Vorgehen sollte interdisziplinär diskutiert und Vor- und Nachteile mit den Pat. besprochen werden [27]. Jedenfalls wurden auch Pat. mit T2 Tumoren in die publizierten randomisierten Studien zur perioperativen Chemotherapie [28] und präoperativen Radiochemotherapie [29] eingeschlossen. Ein signifikanter Überlebensvorteil war in dieser Untergruppe bisher nicht nachweisbar [3031].

Wenn eine präoperative Therapie durchgeführt wird, muss darauf geachtet werden, dass das Ziel der sekundären Tumorresektion nicht gefährdet wird. Eine Verschlechterung des Allgemeinzustandes muss frühzeitig erkannt und deren Ursache geklärt werden (Toxizität, Nicht-Ansprechen mit anhaltender oder zunehmender Symptomatik durch die Tumorerkrankung). Eine präoperative Chemotherapie sollte in diesen Fällen ggf. verkürzt und – sofern Fernmetastasen ausgeschlossen wurden - die Operation vorgezogen werden. Bei einer präoperativen Chemostrahlentherapie sollte diskutiert werden, ob die Chemotherapie pausiert wird. Die kontinuierliche Fortsetzung der Radiotherapie bis zu einer wirksamen Dosis (über 40 Gy) ist allerdings dringend anzustreben.

6.1.3T3-T4 M0 (Lokal fortgeschrittene Tumoren)

Sowohl Plattenepithel- als auch Adenokarzinome des Ösophagus sollen ab einer Kategorie cT3 im Rahmen multimodaler Therapiekonzepte behandelt werden. Hierbei stehen ergänzend zur kurativ intendierten Resektion prinzipiell eine präoperative Radiochemotherapie oder bei Adenokarzinomen des ösophago-gastralen Übergangs (AEG) auch mit guter Evidenz eine perioperative Chemotherapie zur Verfügung [9].

Eine präoperative Radiochemotherapie zeigte in der CROSS Studie für beide histologischen Subgruppen einen Überlebensvorteil (medianes Gesamtüberleben 49 versus 24 Monate, HR 0,66, p= 0.003), der allerdings nach Langzeitbeobachtung nur für die Gruppe der Plattenepithelkarzinome signifikant war [30]. In dieser randomisierten Studie wurden 368 Pat. (davon 75% mit einem Adenokarzinom) mittels präoperativer Radiochemotherapie bis 41,4 Gy in Kombination mit wöchentlicher Gabe von Carboplatin und Paclitaxel plus nachfolgender Operation oder primärer Operation behandelt. Der positive Effekt der Radiochemotherapie war für Pat. mit einem Plattenepithelkarzinom deutlicher (Überlebensrate nach 10 Jahren 46% vs. 23% HR 0,48, p = 0,007), bestand aber auch für Pat. mit einem Adenokarzinom (Überlebensrate nach 10 Jahren 36% vs. 26%, HR 0,73; p=0,061). Die postoperativen Komplikationen waren in beiden Gruppen vergleichbar [28]. In der Bewertung dieser Studie muss die hohe Patientenselektion berücksichtigt werden. Es wurden nahezu ausschließlich Pat. mit Tumoren des distalen Ösophagus / AEG in bestem Allgemeinzustand (84% AZ Grad 0 nach WHO) aufgenommen und auch Pat. mit frühen Tumoren wurden eingeschlossen (17% Kategorie T1 oder T2). Weitere Studien haben gezeigt, dass auch bei Pat. mit sicher lokal fortgeschrittenen Karzinomen nach optimierter Strahlentherapie in Kombination mit Platin/Taxan-basierter Chemotherapie und Operation Überlebensraten nach 5 Jahren von über 40% möglich sind.

Der Nutzen einer präoperativen Radiochemotherapie versus primäre Operation konnte auch in Metaanalysen bestätigt werden [3233], so dass diese bei Plattenepithel- und Adenokarzinomen mit einem Tumor der Kategorie ≥T3 als Therapie der 1. Wahl eingesetzt werden kann.

Nach präoperativer RCT und OP bestand bisher keine Indikation zur adjuvanten Therapie. Dies hat sich durch die internationale Phase III-Studie CheckMate 577 geändert. Die Studie hat untersucht, ob eine Immuntherapie mit Nivolumab die Überlebenszeiten nach Chemoradiotherapie und R0-Resektion verbessert, sofern keine pathologisch komplette Remission erzielt wurde. In dieser Studie wurden 794 Pat. nach Abschluss einer präoperativen Chemoradiotherapie und Erholung von der nachfolgenden Operation randomisiert in Placebo vs. Nivolumab über 1 Jahr [34]. Die Ergebnisse zeigen, dass die Immuntherapie gut durchführbar ist und die Lebensqualität der Pat. gegenüber Placebo nicht verschlechtert. Der primäre Endpunkt wurde mit einer signifikanten Verlängerung des krankheitsfreien Überlebens erreicht (median von 11,0 auf 22,4 Monate, p=0,0003, HR=0,69 (CI 0,56-0,86)). Nivolumab reduzierte insbesondere die Rate an Fernrezidiven (29% vs. 39%). Pat. mit Karzinomen beider Histologien profitierten signifikant (HR=0,61 für Plattenepithelkarzinome, HR=0,75 für Adenokarzinome). Das Ergebnis unterschied sich nicht zwischen PD-L1 positiven (72% der Pat.) oder negativen Tumoren, wobei für die Beurteilung nur die Tumorzellen vor Chemoradiotherapie berücksichtigt wurden (PD-L1 TPS ≥ 1% oder <1%). Das DFS im Kontrollarm erscheint mit median 11 Monaten kurz. In einer bisher nur als Kongressbeitrag publizierten Registerstudie aus den Niederlanden betrug das OS für Pat. mit Tumorrest nach CRT ohne Nachbehandlung im Median 19,2 Monate. Das ungünstige DFS in der CheckMate 577 Studie könnte am hohen Anteil von Hochrisikopat. mit fehlendem Downsizing (ypT3-4) oder anhaltend positiven Lymphknoten (ypN+) liegen, der bei nahezu 60% lag. Diese Informationen liegen aus der niederländischen Studie bisher nicht vor.

Obwohl in der CheckMate 577 Studie bisher keine Daten zum Gesamtüberleben berichtet wurden, hat die Europäische Kommission im September 2021 eine Zulassung für die adjuvante Immuntherapie mit Nivolumab für beide histologische Typen in Europa erteilt. Auch die ASCO hat in einem Update ihrer Stellungnahme zum Ösophaguskarzinom eine starke Empfehlung für die adjuvante Therapie mit Nivolumab nach CRT und OP gegeben, wenn im Resektat noch maligne Zellen nachweisbar waren [35].

6.1.3.1Lokal fortgeschrittenes Plattenepithelkarzinom*

*siehe Abbildung 5

Bei Pat. mit einem Plattenepithelkarzinom des oberen oder mittleren thorakalen Ösophagus mit einem guten Therapieansprechen auf die Radiochemotherapie sollte der Nutzen einer ergänzenden Operation kritisch hinterfragt werden. Durch die zusätzliche Operation kann zwar die lokale Tumorkontrolle verbessert werden, zwei randomisierte Studien konnten aber keinen positiven Effekt auf das Gesamtüberleben nachweisen und die therapiebedingte Letalität ist mit Operation signifikant höher [363839]. Nach der DRG-Statistik betrug die Krankenhaussterblichkeit in Deutschland in den Jahren 2006 bis 2013 nach komplexen Eingriffen am Ösophagus 9,2% in high-volume Zentren (im Median 62 Behandlungsfälle mit OP am Ösophagus pro Jahr) und 12,1% in low-volume Zentren [37].

Insofern kann ein Vorgehen empfohlen werden, bei dem nach Chemoradiotherapie (Dosis der Radiatio 50,4 Gy) zunächst abgewartet wird, wenn bei einer Abschlusskontrolle ca. 12 Wochen nach Ende der Bestrahlung mittels CT und Endoskopie einschl. Biopsien in der ehemaligen Tumorregion eine klinisch komplette Remission gesichert ist. Danach müssen kurzfristige Kontrollen (alle 8 Wochen) erfolgen, um bei einer isoliert lokalen Tumorprogression durch eine Salvage-Operation die Möglichkeit für eine Kuration zu erhalten. Vor einer Salvage-Operation nach definitiver Radiochemotherapie sollte das Rezidiv / der Tumorrest auch histologisch gesichert sein, da eine Wandverdickung des Ösophagus nach Radiochemotherapie lange bestehen bleibt und daher klinisch zwischen anhaltender Remission und Progression zum Teil schwer zu unterscheiden ist.

Bei zervikalen (fast immer Plattenepithel-) Karzinomen des Ösophagus gilt eine definitive Radiochemotherapie als Standardtherapie [46]. Nur wenige Zentren in Europa führen bei Tumoren dieser Lokalisation eine operative Resektion (in der Regel mit Laryngektomie) durch. Zu berücksichtigen ist, dass Resektionen bis an den oberen Ösophagussphinkter mit einer hohen Komplikationsrate und hoher postoperativer Morbidität wie Anschluckstörung, Aspirationsneigung und Rekurrensparese einhergehen, so dass bei hochsitzenden Ösophaguskarzinomen keine Operation erfolgen sollte.

Eine alleinige definitive Radiatio ohne Chemotherapie, eine präoperative Radiatio ohne Chemotherapie oder eine präoperative Chemotherapie wird beim Plattenepithelkarzinom des Ösophagus nicht empfohlen [39]. Es liegen allerdings vorläufige Daten aus einer Japanischen Multicenterstudie (NEXT-Studie) vor, die auf eine Verbesserung der Prognose durch eine präoperative Chemotherapie hinweisen [87]. In dieser 3-armigen Studie wurden 2 Kurse Standardchemotherapie (Cisplatin / 5-FU) mit 3 Kursen intensivierter Chemotherapie (Docetaxel / Cisplatin / 5-FU) oder einer kombinierten Chemoradiotherapie (41,4 Gy + 2 Kurse Cisplatin / 5-FU) verglichen. Von 200 Pat. je Therapiegruppe hatten über 98% ein Plattenepithelkarzinom, etwa 1/3 der Kategorie cT1 und cT2. Das Gesamtüberleben wurde gegenüber Cisplatin / 5-FU nur durch die intensivierte Chemotherapie signifikant verbessert (Überlebensrate nach 3 Jahren 72% vs. 63%, HR 0,68 (0,50-0,92)), nicht jedoch durch die kombinierte CRT (Überlebensrate nach 3 Jahren 68% vs. 63%, HR 0,84 (0,63-1,12)). Lediglich hinsichtlich des histologischen Tumoransprechens war die CRT überlegen (pathologisch komplette Remission 37% mit CRT vs. 19% mit DCF vs. 2% mit CF). Die Rate postoperativer Komplikationen war in den Behandlungsgruppen nicht unterschiedlich.

Hinweise aus asiatischen Studien und Meta-Analysen [4041], dass eine adjuvante Radiotherapie die lokale Tumorkontrolle und möglicherweise das Gesamtüberleben verbessern kann, sollten in Phase III-Studie mit „westlichen“ Pat. überprüft werden. Die adjuvante Radiotherapie (oder Chemoradiotherapie) stellt keinen Therapiestandard dar.

6.1.3.2Lokal fortgeschrittenes AEG*

*siehe Abbildung 6

Bei Pat. mit Adenokarzinomen des ösophago-gastralen Übergangs (AEG) der Kategorie ≥T3 oder N+ ist die perioperative Chemotherapie eine evidenzbasierte und gut etablierte Therapieoption. Eine perioperative Chemotherapie bestehend aus Anthrazyklin, Platinderivat und einem Fluoropyrimidin (Epirubicin, Cisplatin und 5-FU, ECF) galt aufgrund der Daten der MAGIC-Studie lange Zeit als perioperative Standardtherapie. Daten einer deutschen Phase III – Studie belegen jedoch, dass eine Chemotherapie nach dem FLOT-Schema (5-Fluorouracil/Folinsäure/Oxaliplatin/Docetaxel) bei Pat. mit lokal fortgeschrittenen AEG (≥cT2 und/oder cN+) einer Kombination aus ECF oder Epirubicin, Cisplatin und Capecitabin (ECX) überlegen ist. FLOT führte zu einer signifikanten Verlängerung des progressionsfreien (Hazard Ratio 0,75) und des Gesamtüberlebens (HR 0,77 (0,63-0,94), p=0,012). Dieser Effekt zeigte sich konsistent über alle relevanten Subgruppen wie Alter, histologischer Typ oder Lokalisation. Die Rate an perioperativen Komplikationen war in beiden Armen vergleichbar [28].

Vergleichende Daten zwischen präoperativer Radiochemotherapie und perioperativer Chemotherapie bei lokal fortgeschrittenen AEG konnten keinen statistisch signifikanten Überlebensvorteil durch die zusätzliche Strahlentherapie nachweisen. Daten einer US-amerikanischen Phase III – Studie (Neo-AEGIS) zeigen keinen Unterschied im Gesamtüberleben (Überlebensrate nach 3 Jahren 55% vs. 57%, HR 1,03 (0,77-1,38)) zwischen einer perioperativen Chemotherapie (90% der Pat. erhielten Epirubicin / Platin / Fluoropyrimidin) und einer präoperativen Chemoradiotherapie analog zur CROSS-Studie [88]. Etwa 80% der Pat. hatten ein AEG der Kategorie cT3. Da nur 10% der Pat. in der perioperativen Behandlungsgruppe die best-mögliche Chemotherapie mit FLOT erhielten, sind die Daten allerdings nicht abschließend. Auch die präoperative Chemoradiotherapie nach dem CROSS-Regime ist für AEG nicht optimal, weil die gewählte Chemotherapie keine Reduktion der Rate an Fernmetastasen induziert [39]. Eine ältere deutsche Phase III-Studie [63] weist darauf hin, dass eine suboptimale präoperative Chemotherapie (PLF-Regime) durch eine zusätzliche Chemoradiotherapie verbessert werden kann (HR 0,65 (0,42-1,01), p=0,055).

Die weiterhin aktivierte deutsche Phase III-Studie RACE ist daher unverändert wichtig für die Frage, welche multimodale Therapie für lokal fortgeschrittene AEG künftiger Standard sein wird, weil sie als Kontrollarm die perioperative Chemotherapie mit FLOT enthält.

Zusammenfassend gelten beim AEG beide Therapiekonzepte unverändert als gleichwertige Optionen. Bei Pat. mit lokal ausgedehnten Tumoren kann wegen des hohen Risikos einer inkompletten Resektion und eines Lokalrezidivs eine präoperative Radiochemotherapie, bei vorwiegend regionalen Lymphknotenmetastasen eine perioperative Chemotherapie favorisiert werden [9]. Der direkte Vergleich zwischen beiden Therapiemodalitäten wird derzeit in mehreren Phase III-Studien untersucht. Die Vermutung, dass eine perioperative Chemotherapie bei Pat. mit Siegelringkarzinomen oder mikrosatelliten-instabilen (MSI-H) Adenokarzinomen nicht wirksam sein könnte, ist nach jüngeren Analysen nicht gerechtfertigt [32].

Die Therapie lokal fortgeschrittener Adenokarzinome ist weiterhin unabhängig vom HER2-Status. Bei der perioperativen Chemotherapie sprechen Phase II-Daten zwar für eine höhere Rate an komplettem histologischem Ansprechen durch die Kombination aus Chemotherapie (FLOT) und HER2-Antikörpern [43]. Die Ergebnisse der randomisierten Phase II-Studie INNOVATION stehen allerdings noch aus. Bei einer kombinierten präoperativen Chemoradiotherapie (CROSS-Regime) verbessert die Zugabe von Trastuzumab die Ergebnisse nicht [44].

Bei Pat. mit einem lokal fortgeschrittenen AEG, die eine Resektion ohne Vorbehandlung erhalten haben (z.B. durch fehlerhaft niedrig eingeschätztes Tumorstadium vor Chirurgie), kann eine adjuvante Therapie bei erhöhtem Lokalrezidivrisiko wie z.B. bei ausgedehntem Lymphknotenbefall (pN2-3) durchgeführt werden. Es ist derzeit unklar, ob eine adjuvante Chemo- oder Chemoradiotherapie bevorzugt werden sollte. Nach Daten einer asiatischen Phase III-Studie führt die kombinierte Radiochemotherapie (45 Gy + Cisplatin/Capecitabin) allerdings im Vergleich zu einer alleinigen Kombinations-Chemotherapie (Cisplatin/Capecitabin) nicht zu einer (weiteren) Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens (ARTIST2-Studie) [45].

Nach R1 Resektionen wird aufgrund des hohen Risikos für ein Lokalrezidiv eine adjuvante Radiochemotherapie empfohlen [40419].

6.1.3.3Lokal fortgeschrittenes Adenokarzinom des Ösophagus*

*siehe Abbildung 6

Bei Pat. mit einem Adenokarzinom des Ösophagus, die funktionell nicht operabel oder deren Tumoren technisch nicht resektabel sind, scheinen mit der definitiven Radiochemotherapie vergleichbare Ergebnisse wie beim Plattenepithelkarzinom erzielt werden zu können.

Für eine definitive Radiochemotherapie ist eine Strahlendosis von 50,4 Gy anzustreben. Höhere Dosen verbessern nach reifen Daten einer niederländischen Phase III Studie (ARTDECO) weder beim Plattenepithel- noch beim Adenokarzinom die lokale Tumorkontrolle oder das Gesamtüberleben [47]. Hinsichtlich der Chemotherapie innerhalb der kombinierten Chemoradiotherapie spricht die Datenlage für eine Kombination aus Platin und Fluoropyrimidin oder Carboplatin und Paclitaxel [38]. In einer französischen Phase III-Studie zeigte sich eine vergleichbare Wirksamkeit für eine Kombination aus Oxaliplatin und 5-FU (FOLFOX-Schema) gegenüber der Standardkombination Cisplatin und 5-FU in Verbindung mit einer definitiven Radiotherapie [49]. Die in der präoperativen Therapie gut belegte Kombination aus Radiotherapie plus Carboplatin und Paclitaxel ist offenbar auch für die definitive Chemoradiotherapie geeignet [48], ohne dass Daten vergleichender Studien vorliegen. Die Durchführbarkeit in Kombination mit 50,4 Gy scheint besser möglich als mit Cisplatin und FU. Die Hinzunahme von Cetuximab ergab in mehreren Studien keine Steigerung der Effektivität oder sogar negative Effekte [505152].

In der präoperativen Chemoradiotherapie ist die Chemotherapie mit Carboplatin und Paclitaxel ein Standard (CROSS-Studie). Es muss dabei bedacht werden, dass der Vorteil für Adenokarzinome gering ist und dass aufgrund der limitierten kumulativen Dosis der Chemotherapie kein Einfluss auf die Rate an Fernrezidiven nachweisbar ist. Zusätzlich ist die Kombination aus Cisplatin und Docetaxel durch prospektive Phase II oder Phase III-Studien gut abgesichert. Auch in der präoperativen Situation verbessert die Hinzunahme eines EGFR-Inhibitors (hier Cetuximab) die Prognose der Pat. nicht. Allerdings zeigte sich in einer europäischen Phase III-Studie eine signifikante Verbesserung der lokalen Tumorkontrolle [53].

6.1.4Stadium IV (Metastasierte Tumoren)

6.1.4.1Medikamentöse Tumortherapie

Die Therapie metastasierter Ösophaguskarzinome ist palliativ. An erster Stelle steht die systemische Therapie, ggf. ergänzt durch lokale Therapiemaßnahmen. Ein Algorithmus für das metastasierte Plattenepithelkarzinom ist in Abbildung 7 und für das metastasierte Adenokarzinom in Abbildung 8 -10 dargestellt.

Abbildung 7: Algorithmus für die Therapie des Plattenepithelkarzinoms im Stadium IV 
Therapie in nicht-kurativer Intention;
1 Kombinierter Score aus Tumorzellen und Immunzellinfiltrat
2 TC oder TPS benennt die Anzahl der PD-L1 positiven Tumorzellen je 100 Tumorzellen
3 Fluoropyrimidin (5-Fluorouracil + Folinsäure oder Capecitabin)
4 Progrediente Erkrankung
5 Best Supportive Care
Abbildung 8: Algorithmus für die Erstlinientherapie des fortgeschrittenen Adenokarzinoms des Ösophagus und ösophago-gastralen Übergangs 
1 Nivolumab ist in Europa zugelassen bei PD-L1 CPS ≥ 5 entsprechend Checkmate-649-Studie; Pembrolizumab ist in Europa zugelassen bei Adenokarzinomen des Ösophagus und ösophago-gastralen Übergangs bei PD-L1 CPS ≥ 10 entsprechend Keynote-590-Studie. Positive Phase III-Studienergebnisse bei positivem CPS wurden auch bei Magenkarzinom in Keynote-859 berichtet
Therapie in nicht-kurativer Intention
Abbildung 9: Algorithmus für die Zweitlinientherapie des fortgeschrittenen Adenokarzinoms des Ösophagus und ösophago-gastralen Übergangs 
1 Da viele Tumoren ihre HER2-Überexpression nach Trastuzumab-Versagen verlieren, ist eine erneute Überprüfung des aktuellen HER2-Status anhand einer frischen Biopsie vor T-DXd-Therapie in der Zweitlinie zu empfehlen
Therapie in nicht-kurativer Intention
Abbildung 10: Algorithmus für die Drittlinientherapie des fortgeschrittenen Adenokarzinoms des Ösophagus und ösophago-gastralen Übergangs 
1 Gemäß der Destiny Gastric01-Studie ist bei T-DXd-Therapie in der Drittlinie eine erneute Überprüfung des HER2-Status nicht zwingend notwendig
Therapie in nicht-kurativer Intention
6.1.4.1.1Chemotherapie des Plattenepithelkarzinoms

Eine systemische Therapie kann das Überleben bei Pat. mit nicht-resektablem oder metastasiertem Ösophaguskarzinom verlängern und ist daher Therapie der Wahl. Beim Plattenepithelkarzinom ist dies nicht durch Phase III-Studien belegt. Das mediane Gesamtüberleben bei Pat. in einem guten Allgemeinzustand liegt bei dieser Histologie unter einem Jahr [11]. Dennoch wird die palliative Chemotherapie in internationalen Leitlinien als Standard empfohlen [9].

Für die Planung der Chemotherapie sind der Allgemeinzustand der Pat. und die vorliegenden Komorbiditäten, die Patientenpräferenz sowie die Toxizität der geplanten Therapie zu berücksichtigen. Eine Resektion des Primärtumors führt in der metastasierten Situation zu keiner Verbesserung der Prognose [46].

Bei einem TPS < 1 gilt eine Kombinations-Chemotherapie aus Cisplatin und 5-FU als Standard. Eine Hinzunahme von EGFR- Antikörpern (Panitumumab) verbessert das Ansprechen nicht [58]. Bei PD-L1 positiven Tumoren kann eine Kombination aus Chemotherapie und Checkpoint-Inhibitor oder eine alleinige Immuntherapie mit einer dualen Checkpoint-Inhibition erfolgen.

Wenngleich keine vergleichenden Daten vorliegen, kann statt Cisplatin/FU die vermutlich gleich wirksame Kombinationstherapie mit FOLFOX wegen der geringeren Toxizität ebenfalls empfohlen werden. Wegen der häufig vorliegenden Dysphagie wird Capecitabin an Stelle von 5-FU beim Ösophaguskarzinom eher selten eingesetzt.

6.1.4.1.1.1Erstlinientherapie
6.1.4.1.1.2Immuntherapie

In der Phase III-Studie KEYNOTE-590 [55] konnte gezeigt werden, dass die Kombination aus Chemotherapie und Immuncheckpoint-Blockade die Ergebnisse der Erstlinientherapie verbessert. In dieser Studie wurden überwiegend (73%, n=548) Pat. mit Plattenepithelkarzinom des Ösophagus behandelt. Es ergab sich ein signifikanter Vorteil im Gesamtüberleben für die Gruppe der Pat. mit hoher PD-L1 Expression (CPS ≥ 10) des Tumors, die zu Cisplatin und 5-FU noch Pembrolizumab erhalten hatten (HR 0,57; CI 0,43-0,75). In Subgruppenanalysen profitierten insbesondere Pat. mit PD-L1 positiven Plattenepithelkarzinomen. Für die Gruppe der Pat. mit Adenokarzinomen (Ösophagus n=110, AEG n=91) fiel der Vorteil geringer aus (HR 0,74 (CI 0,54-1,02)). Dennoch wurde die kombinierte Chemo-Immuntherapie (Platin + Fluoropyrimidin + Pembrolizumab) für Pat. mit SCC oder AC des Ösophagus und hoher PD-L1 Expression (CPS ≥10) im September 2020 in Europa zugelassen.

Eine zweite Phase III-Studie (CheckMate 648) liegt für die Erstlinientherapie metastasierter Plattenepithelkarzinome vor [56]. In diese dreiarmige Studie wurden insgesamt fast 1000 Pat. randomisiert in die 3 Behandlungsgruppen Chemotherapie (Cisplatin + 5-FU), Chemotherapie + Nivolumab (240mg alle 2 Wochen) oder Nivolumab + Ipilimumab (1mg/kg alle 6 Wochen). Als gemeinsame primäre Endpunkte wurden OS und PFS für Pat. mit PD-L1 positiven Tumoren festgelegt. Abweichend von den anderen Studien des oberen GI-Traktes wurden in dieser Studie jedoch nur die Tumorzellen für den PD-L1 Status ausgewertet (TC ≥1%). Die primären Endpunkte wurden in beiden experimentellen Armen erreicht. Mit Chemotherapie + Nivolumab war das OS signifikant gegenüber alleiniger Chemotherapie verbessert (median 15,4 vs. 9,1 Mo, HR 0,54 (CI 0,37-0,80), p<0,001). Auch mit doppelter Checkpointblockade war das OS signifikant besser als mit Chemotherapie (median 13,7 vs. 9,1 Mo, HR 0,64 (CI 0,46-0,90), p=0,001). Allerdings kreuzten sich hier die Kaplan-Meier Kurven zu Beginn, was bedeutet, dass ein Teil der Pat. durch die alleinige Immuntherapie einen Nachteil hatte. Die Bewertung der Daten fällt schwer wegen der speziellen Definition der Studienpopulation (Pat., deren Tumoren nach TC-positiv sind). Es ist derzeit nicht klar, welche Schnittmengen zwischen Tumoren mit CPS ≥10 und TC ≥1% bestehen.

Eine dritte Phase III-Studie belegt die Wirksamkeit einer Immuntherapie in Kombination mit Chemotherapie in der Erstlinientherapie des fortgeschrittenen Plattenepithelkarzinoms (RATIONALE-306). In dieser weltweit durchgeführten Studie wurden etwa 650 Pat. randomisiert in Chemotherapie + Placebo (Platin / 5-FU oder Platin / Paclitaxel) vs. Chemotherapie + dem PD-1 Inhibitor Tislelizumab. Das Gesamtüberleben war in der Gruppe mit Tislelizumab signifikant verbessert (mOS 17,2 vs. 10,6 Monate, HR 0,66 (0,54-0,80), p˂0,0001) [89]. Der Vorteil war für Pat. mit einem PD-L1 score ≥10% und für alle Pat. (primärer Endpunkt) signifikant. Anders als in den o.g. Studien wurde hier allerdings nicht die Anzahl der positiven Zellen, sondern die Fläche mit positiven Tumorzellen bewertet. Die Studie bestätigt also die o.g. Daten zu Nivolumab und Pembrolizumab. Sie zeigt darüber hinaus, dass auch eine Chemotherapie aus Platin + Taxan durch die zusätzliche Immuntherapie verbessert wird. Eine Zulassung für Tislelizumab besteht derzeit für diese Indikation in der EU nicht.

6.1.4.1.1.3Zweitlinientherapie

Aufgrund der Daten der ATTRACTION -3 Studie ist Nivolumab beim fortgeschrittenen Plattenepithelkarzinom des Ösophagus nach Vorbehandlung mit einer Kombination aus einem Platinderivat und einem Fluoropyrimidin für die Zweitlinientherapie in Europa zugelassen, wenn zuvor kein Checkpointinhibitor eingesetzt worden ist.

In die Phase III-Studie (ATTRACTION-3) wurden Pat. mit fortgeschrittenem oder rezidiviertem Plattenepithelkarzinom nach Therapie mit Platin/Fluoropyrimidin in Chemotherapie (Paclitaxel oder Docetaxel) versus den PD-1 Inhibitor Nivolumab (240 mg fixe Dosis) randomisiert [64]. Etwa die Hälfte der Pat. hatte PD-L1 positive Karzinome. Unabhängig vom PD-L1 Status war das Gesamtüberleben mit Immuntherapie signifikant besser (median 10,9 vs. 8,4 Monate, HR 0,77 (0,62-0,96), p=0,019). Zudem war die Rate an Nebenwirkungen insgesamt und im Schweregrad 3-4 unter Chemotherapie signifikant höher. Ein vorzeitiger Therapieabbruch erfolgte in beiden Studienarmen bei 9% der Pat. Nach 4 Monaten wiesen in beiden Armen nur 30% der Pat. keine Tumorprogression auf. Die Studie war prinzipiell auch für „westliche Pat.“ geöffnet. Tatsächlich wurden jedoch nahezu ausschließlich (96%) Pat. aus Asien eingeschlossen.

Eine zweite Phase III-Studie (KEYNOTE-181) wurde mit dem PD-1 Inhibitor Pembrolizumab durchgeführt [65]. In dieser Studie kamen über 60% der eingeschlossenen Pat. nicht aus Asien. Pat. mit Plattenepithelkarzinom (64%) oder Adenokarzinom (einschl. AEG) des Ösophagus nach Progression trotz Erstlinien-Chemotherapie wurden randomisiert in Chemotherapie (Paclitaxel, Docetaxel oder Irinotecan) oder Pembrolizumab (200 mg fixe Dosis). Etwa 35% der Pat. hatten hoch PD-L1-positive Tumoren (CPS ≥10%). Die intent-to-treat-Analyse ergab keinen signifikanten Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen. Lediglich bei Pat. mit hoch PD-L1-positiven Tumoren führte die Immuntherapie zu einem signifikant besseren Gesamtüberleben (median 9,3 vs. 6,7 Monate, p=0,0074), Auch Pat. mit einem Plattenepithelkarzinom wiesen im Trend ein längeres Überleben auf (median 8,2 vs. 7,1 Monate). In einer Subgruppen-Analyse zeigt sich, dass hauptsächlich asiatische Pat. mit PD-L1-positiven Plattenepithelkarzinomen profitieren. Die Studie ist auch wegen mehrerer Co-primärer Endpunkte schwer zu interpretieren. In den USA wurde Pembrolizumab im Juli 2019 auf dem Boden dieser Daten zugelassen. In Europa besteht keine Zulassung in dieser Indikation.

Eine Übersicht der Zulassung von Immun-Checkpoint-Inhibitoren beim Plattenepithelkarzinom des Ösophagus ist im Anhang dargestellt.

6.1.4.1.1.4Drittlinientherapie

Ältere Phase II Studien weisen auf eine Wirksamkeit von Taxanen, Platinderivaten oder Irinotecan in der Drittlinientherapie hin [66]. Es gibt aber für diese Therapiesituation keine spezifischen Zulassungen. Therapieentscheidungen müssen daher individuell getroffen und supportive Maßnahmen unbedingt in die Behandlung einbezogen werden.

6.1.4.1.2Chemotherapie des Adenokarzinoms (Ösophagus und AEG)

Studien bei fortgeschrittenen Adenokarzinomen (AC) im oberen GI-Trakt haben in der Regel Pat. mit AC von Magen, ösophago-gastralem Übergang und Ösophagus eingeschlossen. In den meisten Studien überwiegen Pat. mit Magenkarzinom. Trotz der unterschiedlichen Biologie der AC in den genannten Lokalisationen unterscheidet sich die Systemtherapie bei metastasierter Erkrankung nicht. Für die fortgeschrittene Erkrankung wurde daher in der Folge der Text aus der Onkopedia-Leitlinie Magenkarzinom übernommen. Textpassagen, die sich ausschließlich auf AC des Magens beziehen, werden in dieser Leitlinie nicht zitiert. Wenn nachstehend von Magenkarzinom gesprochen wird, sind in der Leitlinie Ösophaguskarzinom die AC des Ösophagus und des ösophago-gastralen Übergangs gemeint.

6.1.4.1.2.1Erstlinien-Chemotherapie, zielgerichtete Therapie und Immuntherapie
6.1.4.1.2.1.1Erstlinien-Chemotherapie

Abbildung 8 zeigt den Algorithmus für die Erstlinienchemotherapie. Standard beim fortgeschrittenen Magenkarzinom ist eine Platin–Fluoropyrimidin-Doublette. Oxaliplatin und Cisplatin sind vergleichbar wirksam, mit Vorteilen hinsichtlich des Nebenwirkungsprofils für Oxaliplatin. Dies kann gerade bei älteren Pat. (>65 Jahre) zu tendenziell besserer Wirksamkeit beitragen. Fluoropyrimidine können als Infusion (5-FU) oder oral (Capecitabine oder S-1) verabreicht werden. Orale Fluoropyrimidine sind vergleichbar wirksam wie infundiertes 5-FU. Capecitabin ist in Kombination mit einem Platinderivat zugelassen und wurde sowohl mit Cis- als auch mit Oxaliplatin bei Europäern geprüft. S-1 ist in Japan als Standard etabliert und in Europa für die palliative Ersttherapie in Kombination mit Cisplatin zugelassen. Infundiertes 5-FU sollte bei Dysphagie oder anderen Ernährungsproblemen gegenüber oralen Medikamenten bevorzugt werden. Bei älteren oder gebrechlichen Pat. unterstützen Ergebnis der Phase III GO2-Studie die von Beginn an Dosis-reduzierte Anwendung von Oxaliplatin-Fluoropyrimidin-Chemotherapie auf 80% oder 60% der Standarddosis, womit weniger Nebenwirkungen bei vergleichbarer Wirksamkeit erzielt werden konnten [60].

Die Hinzunahme von Docetaxel zur einer Platin-Fluoropyrimidin Kombination (dreiwöchentliches DCF-Schema) verbesserte die radiologische Ansprechraterate und verlängerte die Gesamtüberlebensdauer in einer älteren Phase III-Studie, führte aber gleichzeitig zu signifikant verstärkten Nebenwirkungen [68]. Weitere Phase II-Studien untersuchten modifizierte Docetaxel/Platin/Fluoropyrimidin-Tripletten. Diese zeigten teils eine verminderte Toxizität im Vergleich zu DCF. Die höhere Ansprechrate einer Triplette übersetzt sich jedoch in neueren Studien bei effektiven Zweitlinien-Regimen nicht in ein verlängertes Überleben. In der Phase III JCOG1013-Studie erhielten Pat. mit fortgeschrittenem Magenkarzinom entweder Cisplatin–S1 oder Cisplatin–S1–Docetaxel. Es zeigten sich keine Unterschiede im radiologischen Ansprechen, dem progressionsfreien und dem Gesamtüberleben [69]. Bei erhöhter Toxizität und unsicheren Effekten auf das Gesamtüberleben lässt sich daher keine Empfehlung für eine Erstlinientherapie mit Docetaxel-Platin-Fluoropyrimidin aussprechen. Standard ist eine Platin-Fluoropyrimidin-Doublette. In begründeten Einzelfällen, zum Beispiel bei vitalem Remissionsdruck der Erkrankung, kann ein Therapiestart mit einer Platin-Fluoropyrimidin-Docetaxel-Triplette indiziert sein.

Irinotecan–5-FU wurde mit Cisplatin–5-FU und mit Epirubicin-Cisplatin-Capecitabin in randomisierten Phase III Studien verglichen und zeigte vergleichbare Überlebenszeiten bei kontrollierbaren Nebenwirkungen [59]. Irinotecan–5-FU kann deshalb entsprechend der wissenschaftlichen Evidenz als eine Behandlungsalternative zu Platin-Fluoropyrimidin-Doubletten angesehen werden, auch wenn Irinotecan beim Magenkarzinom keine Zulassung in Europa hat.

6.1.4.1.2.1.2HER2-positives Magenkarzinom

HER2-Positivität wird beim Magenkarzinom definiert als Vorliegen einer Proteinexpression mit Immunhistochemie-Score [IHC] 3+ oder IHC 2+ und gleichzeitig Genamplifikation bei in-situ-Hybridisierung [ISH] HER2/CEP17 Ratio ≥2.0. Die HER2-Diagnostik soll qualitätskontrolliert erfolgen [8290]. Trastuzumab soll zu Chemotherapie bei Pat. mit HER2-positivem fortgeschrittenem Magenkarzinom hinzugefügt werden [86]. Die Empfehlung basiert auf den Daten der Phase III ToGA-Studie, welche eine höhere Ansprechrate und ein verlängertes Überleben für Trastuzumab-Cisplatin-Fluoropyrimidin-Chemotherapie versus Chemotherapie alleine bei oben genannten Selektionskriterien zeigte; die zusätzlichen Trastuzumab-Nebenwirkungen sind gering und kontrollierbar [96]. Kombinationen von Trastuzumab und Oxaliplatin plus Fluoropyrimidin führen zu vergleichbaren Ergebnissen wie das historische Cisplatin-haltige ToGA-Regime [6197].

6.1.4.1.2.1.3Immuntherapie in der Erstlinientherapie des Adenokarzinoms

Die Phase III CheckMate 649 Studie untersuchte die Hinzunahme von Nivolumab zu Chemotherapie (Capecitabin–Oxaliplatin oder 5-FU/Folinsäure–Oxaliplatin) bei Pat. mit nicht vorbehandeltem Magen-, ösophago-gastralem Übergangs- oder ösophagealem Adenokarzinom [57]. Die Studie umfasste Pat. unabhängig vom Tumor-PD-L1-Status; die dualen primären Endpunkte waren das Gesamtüberleben und das Progressions-freie Überleben. ~60% der Studienpopulation hatten Tumoren mit einem PD-L1 CPS ≥ 5. Nivolumab plus Chemotherapie erbrachte eine signifikante Verbesserung gegenüber alleiniger Chemotherapie im Gesamtüberleben (14,4 vs 11,1 Monate, HR 0,71 [98,4% KI 0,59–0,86]; p<0,0001) und im Progressions-freien Überleben (7,7 vs. 6,0 Monate, HR 0,68 [98% KI 0,56–0,81]; p<0,0001) bei Pat. mit einem PD-L1 CPS ≥ 5.

Auch in der asiatischen Phase II/III-Studie ATTRACTION-4 wurde mit Nivolumab und Erstlinien-Chemotherapie eine signifikante Verbesserung des progressionsfreien Überlebens gezeigt, bei allerdings nicht nachweisbarer Verbesserung des Gesamtüberlebens im Vergleich zu alleiniger Chemo-Erstlinientherapie. Der Grund für den fehlenden Überlebensvorteils (>17 Monate in beiden Armen) ist wahrscheinlich, dass viele Pat. Post-Progressions-Therapien einschließlich Immuntherapie jenseits der ersten Therapielinie erhielten [98].

Die multinationale randomisierte Phase-III-Studie KEYNOTE-859 schloss 1589 Pat. mit fortgeschrittenem inkurablem Magenkarzinom ein. Die Pat. erhielten entweder Platin-Fluoropyrimidin und Pembrolizumab oder dieselbe Chemotherapie und Placebo alle 3 Wochen i.v. Das Gesamtüberleben war zu Gunsten der Pembrolizumab-Gruppe verlängert (HR 0,78 [95% KI 0,70-0,87], p < 0,0001). Der Effekt war vor allem in der Subgruppe mit einem PD-L1 CPS ≥ 10 ausgeprägt (HR 0,64), während die Wirksamkeit bei CPS < 10 geringer war (HR 0,86) [90]. Die Ergebnisse ergänzen damit die positiven Studiendaten der Phase-III-Studie KEYNOTE-590, die zu einer EU-Zulassung von Pembrolizumab in Kombination mit Platin-Fluoropyrimidin-Chemotherapie bei Adenokarzinomen des Ösophagus und ösophagogastralen Übergangs führte [55].

Auch zu zwei in Europa derzeit nicht zugelassenen Immuncheckpoint PD1-Inhibitoren wurden positive Phase-III-Studiendaten präsentiert: Sintilimab in Kombination mit Oxaliplatin und Capecitabin verbesserte das Gesamtüberleben in der Phase-III ORIENT-16-Studie [92].

Tislelizumab verlängerte in der Phase-III-Rationale-305-Studie das Gesamtüberleben in Kombination mit Platin-Fluoropyrimidin oder Platin-Investigator-Choice-Chemotherapie bei Pat. mit einem positiven PD-L1-Score. Dieser wurde nach einem bisher international nicht etablierten Scoring-System (sog. Tumor Area Proportion, TAP) evaluiert [93].

Orient-16 und Rationale-305 sind bislang nicht voll publiziert, unterstützen aber die Gesamtbewertung, dass PD-1-Immuncheckpointinhibitoren die Wirksamkeit von Chemotherapie (abhängig von der PD-L1-Expression) verbessern können.

6.1.4.1.2.1.4Claudin 18.2

Jüngst wurden Daten aus der multinationalen Phase-III Spotlight-Studie vorgelegt. Diese zeigen, dass bei Pat. mit fortgeschrittenem irresektablem Magenkarzinom und einer Tumor-Claudin18.2-Expression in ≥ 75% der Tumorzellen Zolbetuximab, ein chimärer monoklonaler, gegen Claudin18.2-gerichteter IgG1-Antikörper in Kombination mit FOLFOX-Chemotherapie das Gesamtüberleben verlängert (median 18,23 vs. 15,54 Monate, HR 0,750, p = 0,0053). Die Hauptnebenwirkungen von Zolbetuximab sind Übelkeit und Erbrechen, vor allem im Zuge der ersten Anwendungen [99].

Die Ergebnisse der Spotlight-Studie werden in weiten Teilen durch die multinationale Phase-III-GLOW-Studie bestätigt, in welcher die Chemotherapie-Doublette als Kontrolltherapie bzw. Kombinationspartner für Zolbetuximab zur Anwendung kam [100].

Es bleibt abzuwarten, ob die europäische Zulassungsbehörde Zolbetuximab bei Pat. mit Claudin 18.2-positiven metastasierten und bislang nicht behandelten Karzinomen des Magens die Zulassung erteilt.

6.1.4.1.2.2Zweit- und Drittlinientherapie
6.1.4.1.2.2.1Chemotherapie und anti-angiogene Therapie

Abbildungen 9 und 10 zeigen den Algorithmus für Zweit- und Drittlinientherapie für Pat. mit fortgeschrittenem Magenkarzinom. Die Evidenz-basierten Chemotherapie-Optionen in dieser Situation sind Paclitaxel, Docetaxel und Irinotecan, die vergleichbare Wirksamkeit bei unterschiedlichen substanztypischen Toxizitäten aufweisen. Irinotecan kann bevorzugt bei vorbestehender Neuropathie eingesetzt werden, auch wenn weiterhin keine EU-Zulassung besteht. 5-FU/Folinsäure–Irinotecan (FOLFIRI) wird ebenfalls gelegentlich verwendet, die wissenschaftliche Evidenz dafür ist aber begrenzt. Ramucirumab plus Paclitaxel ist die empfohlene Standardtherapie in der zweiten Therapielinie und ist in der EU zugelassen. Die Hinzunahme des anti-vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor-Rezeptor-2 (VEGFR-2) Antikörpers Ramucirumab zu Paclitaxel erhöht die Tumoransprechrate und verlängert das progressionsfreie und das Gesamtüberleben entsprechend der Ergebnisse der Phase III-RAINBOW-Studie [101]. Bereits in der Phase III REGARD-Studie zeigte Ramucirumab-Monotherapie bei allerdings niedriger radiologischer Ansprechrate eine verlängerte Überlebenszeit gegenüber Placebo [102].

6.1.4.1.2.2.2Immuntherapie in der Zweit- und Drittlinientherapie des Adenokarzinoms

In der Phase-III-Studie KEYNOTE-061 zeigte eine Pembrolizumab Monotherapie kein verlängertes Gesamtüberleben im Vergleich zu Chemotherapie [103]. Eine explorative Subgruppenanalyse erkannte allerdings einen sehr deutlichen Benefit für die anti-PD-1-Immuntherapie bei Pat. mit MSI-H Magenkarzinomen [104]. Deshalb ist die PD-1-Inhibition bei fortgeschrittenen MSI-Karzinomen spätestens in der zweiten Behandlungslinie zu empfehlen. Pembrolizumab hat auf der Grundlage der Keynote-061- und der Keynote-158-Studie [105] eine europäische Zulassung in dieser Indikation. Auch andere Biomarker, insbesondere EBV und Tumormutationslast werden als prädiktive Faktoren für eine Wirksamkeit von PD-1-Immuncheckpointinhibitoren diskutiert [106107108].

Die Evidenz reicht aber bislang für eine positive Empfehlung zur Immuntherapie bei Vorliegen dieser Biomarker nicht aus.

6.1.4.1.2.2.3Her2-gerichtete Therapie

Studien, welche in der zweiten Behandlungslinie Trastuzumab, Lapatinib und Trastuzumab-Emtansin bei Pat. mit HER2-positiven Karzinomen untersuchten, fielen negativ aus [62109110111112].

Diese Medikamente sollen daher beim Magenkarzinom außerhalb klinischer Studien nicht eingesetzt werden. Eine randomisierte Phase II-Studie zeigte für das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd) im Vergleich zu einer Standard-Chemotherapie bei Pat. mit vorbehandeltem HER2-positivem fortgeschrittenem Magenkarzinom eine Verbesserung der Tumoransprechrate und des Gesamtüberlebens [99].

Voraussetzung für den Einschluss in die Destiny-Gastric01-Studie waren mindestens zwei vorherige Therapielinien, vorherige Behandlung mit einem Platin-Derivat, einem Fluoropyrimidin und Trastuzumab sowie vormals bestätigte HER2-Positivität. Die Studie wurde ausschließlich in Ostasien rekrutiert. Die Ergebnisse der Destiny-GC-01 wurden in weiten Teilen in der nicht-randomisierten Phase-II-Destiny-Gastric02-Studie bestätigt, die nicht-asiatische Pat. in der zweiten Therapielinie einschloss. Obligat war eine Platin-Fluoropyrimidin-Trastuzumab-Vorbehandlung und eine bestätigte HER2-Positivität des Tumors in einer aktuellen Re-Biopsie, bevor die T-DXd Therapie initiiert wurde [94]. Die EU-Zulassung sieht folgendes Einsatzgebiet von T-DXd vor: Monotherapie zur Behandlung von erwachsenen Pat. mit fortgeschrittenem HER2-positivem Adenokarzinom des Magens oder des ösophago-gastralen Übergangs, die bereits ein vorhergehendes Trastuzumab-basiertes Therapieschema erhalten haben.

Wir empfehlen, entsprechend der klassisch etablierten HER2-Diagnostik-Kriterien den Her2-Status vor Therapie mit T-DXd zu überprüfen, insbesondere wenn ein Einsatz in der zweiten Therapielinie vorgesehen ist, wo eine valide Alternative mit Paclitaxel-Ramucirumab zur Verfügung steht. Grundlage dieser Empfehlung sind die Einschlusskriterien der Destiny-Gastric02-Studie und die Kenntnis, dass bei ca. 30% der Magenkarzinome ein Verlust des HER2-Status während Erstlinientherapie mit Trastuzumab eintritt [111].

Es gibt erste Hinweise zur Wirksamkeit von T-DXd bei niedriger HER2-Expression [95]. Diese sind bislang aber nicht ausreichend, um einen Einsatz zu empfehlen.

6.1.4.1.2.2.4Dritte Therapielinie

In der Behandlung von Pat. mit fortgeschrittenem Magenkarzinom in der dritten Linie und darüber hinaus besteht die beste Evidenz für Trifluridin–Tipiracil (FTD/TPI) basierend auf der Phase III TAGS-Studie. Das mediane Gesamtüberleben mit FTD/TPI versus Placebo war in der Gesamtgruppe, in der Drittlinien- und in der Viertlinienkohorte signifikant verbessert [67].

Bei Durchführbarkeit einer oralen Therapie sollte daher Trifluridin–Tipiracil (FTD/TPI) zur Anwendung kommen, alternativ bei Präferenz für eine i.v. Therapie kann Irinotecan oder ein Taxan gegeben werden, wenn nicht bereits in einer früheren Therapielinie verwendet. Wie oben dargestellt, ist T-DXd eine sehr wirksame Drittlinientherapie bei HER2-positiven Karzinomen nach Trastuzumab-Vorbehandlung. Nivolumab erwies sich ebenfalls als wirksam; die Daten der ATTRACTION-3 Studie wurden aber ausschließlich bei asiatischen Pat. gewonnen [64], so dass Nivolumab in der dritten Behandlungslinie bei Pat. mit fortgeschrittenem Magenkarzinom keine Zulassung der EMA hat und daher nicht empfohlen werden kann.

Nach Empfehlung eines molekularen Tumorboards kann in begründeten Fällen auch eine nicht zugelassene Therapieoption zu bevorzugen sein, insbesondere dann, wenn der Empfehlung ein Evidenzgrad entsprechend ESMO Scale for Clinical Actionability of Molecular Targets (ESCAT) Level I oder II zugrunde gelegt werden kann [113].

6.1.4.1.2.2.5Chirurgie beim metastasierten Adenokarzinom

Die randomisierte Phase III REGATTA-Studie zeigte, dass eine Gastrektomie zusätzlich zur Chemotherapie bei metastasierter Erkrankung keinen Überlebensvorteil im Vergleich zu alleiniger Chemotherapie bringt [54]. Internationale Datenerhebungen zeigen, dass operative Therapie bei Oligometastasierung zunehmend als Behandlungsoption wahrgenommen werden. Die AIO-FLOT3 Phase II-Studie berichtete Ergebnisse zur Machbarkeit von Resektionen bei Stadium IV Magenkarzinom und Überlebenszeiten bei hoch selektionierten Pat. mit oligometastasierter Erkrankung, welche unter FLOT-Chemotherapie ohne primäre Progredienz war [114]. Der mögliche Prognosegewinn von Resektionen bei oligometastasiertem Magenkarzinom wird derzeit in randomisierten Phase III-Studien evaluiert (RENAISSANCE [74], NCT0257836 und SURGIGAST, NCT03042169).

In einem Delphi-Verfahren wurde eine Definition für Oligometastasierung in einer europäischen Expertengruppe (OMEC) ermittelt. Demnach kann von Oligometastasierung gesprochen worden bei folgenden Phänotypen: 1-2 Metastasen in entweder Leber, Lunge, retroperitonealen Lymphknoten, Nebennieren, Weichgewebe oder Knochen [115].

6.1.4.1.2.2.6Supportive Therapie und Ernährung

Es wird empfohlen, bei allen Pat. mit fortgeschrittenem Magenkarzinom ein Ernährungs- und Symptomscreening mit geeigneten Instrumenten regelmäßig durchzuführen und entsprechende unterstützende Therapien daraus abzuleiten. Eine Studie aus China zeigte, dass die frühe Integration einer supportiv-palliativen Unterstützung effektiv ist und legt einen Überlebensvorteil bei Pat. mit fortgeschrittenem Magenkarzinom nahe [116].

Gewichtsverlust ist ein multifaktorielles Phänomen und kann auf eine Obstruktion der Verdauungswege, Malabsorption oder Hypermetabolismus zurückzuführen sein. In klinischen Datensätzen zeigt sich, dass Gewichtsverlust von ≥10% vor Chemotherapie oder ≥3% während des ersten Zyklus einer Chemotherapie mit reduzierten Überlebenszeiten verbunden ist [117]. Auch eine Veränderung der Körperzusammensetzung mit Reduktion der Muskelqualität erwies sich bei Pat. mit fortgeschrittenem Magenkarzinom als prognostisch ungünstig [118]. Mit dem modifizierten Glasgow Prognostic Score (Serum CRP und Albumin) lässt sich das Ausmaß der Sarkopenie und die Prognose der Pat. mit fortgeschrittenem Magenkarzinom einschätzen [119]. Daraus lässt sich ableiten, dass bei allen Pat. mit fortgeschrittenem Magenkarzinom ein Screening zum Ernährungszustand durchgeführt werden sollte (zum Beispiel mittels Nutritional Risk Screening, NRS) [120] und bei Hinweisen auf Ernährungsmangel eine fachgerechte ernährungsmedizinische Beratung und Mitbetreuung angeboten werden sollte.

Dysphagie bei AC des Ösophagus oder des ösophago-gastralen Übergangs kann mittels Strahlentherapie oder Insertion eines Stents gebessert werden [121]. Einzeldosis-Brachytherapie ist an einigen Zentren die bevorzugte Option und führt zu einer länger anhaltenden Symptomkontrolle und weniger Komplikationen als eine Stent-Einlage. Stenting wird bei schwerer Dysphagie benötigt und insbesondere bei Pat. mit limitierter Lebenserwartung, da die Effekte des Stents unmittelbar eintreten, während sich die dysphagischen Beschwerden bei Strahlentherapie erst nach ca. 4-6 Wochen verbessern [122]. Wenn Strahlentherapie oder ein Stent nicht in Betracht kommen, kann eine enterale Ernährung mittels naso-gastrischer, naso-jejunaler oder perkutan gelegter Ernährungssonde Erleichterung verschaffen [123]. Die Indikation zur parenteralen Ernährung folgt den allgemein anerkannten Leitlinien.

6.2Therapiemodalitäten

6.2.1Resektion

6.2.1.1Endoskopische Resektion

Die endoskopische Resektion (ER) ist ein minimal-invasives Verfahren zur Resektion von Frühkarzinomen. Techniken sind die endoskopische Mukosaresektion (EMR) und die endoskopische Submukosadissektion (ESD) [26]. Die ER erfolgt als En-bloc-Resektion. Sie erlaubt eine vollständige histologische Beurteilung der lateralen und basalen Ränder.

Die empfohlenen endoskopischen Kontrollintervalle liegen bei 3 Monaten im ersten und 6 Monaten im zweiten Jahr. Danach sollten Kontrollen jährlich stattfinden.

Lokalrezidive nach ER eines Frühkarzinoms können endoskopisch behandelt werden, wenn erneut ein rein mukosaler Befall (rT1aN0M0) vorliegt. Ein (begrenztes) chirurgisches Vorgehen stellt eine Alternative dar.

6.2.1.2Ösophagektomie, Lymphadenektomie und Rekonstruktionsverfahren

Die Resektion des Primärtumors einschließlich der regionalen Lymphknoten ist zentrales Element der kurativen Therapie. Ziel der Operation ist das Erreichen einer R0 Situation.

Bei den Standard-Operationstechniken wird ein Sicherheitsabstand von 2-4 cm angestrebt. In Abhängigkeit von der Lage sollten die folgenden Operationstechniken gewählt werden:

  • Tumoren des mittleren und distalen Ösophagus und AEG I: transthorakale subtotale Ösophagektomie mit Schlauchmagenhochzug und hoch-intrathorakaler Anastomose (ggf. bei Erweiterung nach oral mit totaler Ösophagektomie und zervikaler Anastomose).

  • AEG Typ II: transthorakale Ösophagektomie mit Schlauchmagenhochzug oder transhiatal erweiterte Gastrektomie mit distaler Ösophagusteilresektion, dann Rekonstruktion nach Roux-Y (derzeit Vergleich der Techniken in Deutscher Phase III-Studie, Cardia-Trial).

  • Bei langstreckigem Befall sowohl des distalen Ösophagus als auch des proximalen Magens kann eine totale Ösophago-Gastrektomie erforderlich sein. Diese erfordert in aller Regel eine Rekonstruktion mittels Koloninterponat.

  • Die Ösophagektomie und die Rekonstruktion sollten minimal-invasiv oder in Kombination mit offenen Techniken (Hybrid-Technik) ausgeführt werden, wenn keine Kontraindikationen hierfür vorliegen [9]

Das Ausmaß der Lymphadenektomie orientiert sich an der Tumorlokalisation. ES werden cervikale, thorakale und abdominale Felder unterschieden. Die Zweifeld-Lymphadenektomie ist die Methode der Wahl. In Abhängigkeit von der Lage des Primärtumors erfolgt eine zervikale + thorakale oder eine thorakale + abdominale peritumorale Lymphknotendissektion, die das entsprechende Lymphabflussgebiet umfassen muss.

Für die TNM-Klassifizierung ist beim Ösophaguskarzinom die Beurteilung von mindestens 7 Lymphknoten erforderlich, in der Regel werden mehr als 20 Lymphknoten entfernt. Retrospektive Untersuchungen gehen von einer Prognoseverbesserung ab einer Zahl von 23 resezierten Lymphknoten aus [7071].

Die Operation sollte an einem spezialisierten Zentrum (high-volume Zentrum) durchgeführt werden [7273], weil durch die höhere chirurgische und perioperative Expertise („failure to rescue“) die perioperative Letalität verringert und die Langzeitprognose der Pat. verbessert wird. Für die Zertifizierung als Ösophaguszentrum nach DKG werden mindestens 20 Resektionen von Ösophaguskarzinomen pro Jahr gefordert. Eine Vorgabe des gemeinsamen Bundesausschuss definiert für ein Zentrum, das künftig Ösophaguskarzinome operieren kann, eine Zahl von mindestens 26 komplexen Eingriffen pro Jahr.

Stellt sich, anders als beim obligaten intraoperativen Schnellschnitt diagnostiziert, postoperativ in der histologischen Aufarbeitung eine R1-Resektion heraus, so sind die Voraussetzungen für eine zweite, erweiterte Resektion in der Regel ungünstig. Aufgrund des hohen Lokalrezidivrisikos sollte daher eine adjuvante Radiochemotherapie empfohlen werden [4041].

6.2.1.3Metastasenresektion

Aktuell gibt es keinen evidenzbasierten Nutzen für die palliative Resektion von Primärtumor oder Metastasen eines Ösophaguskarzinoms bei Vorliegen eines Stadium IV. Eine Resektion soll daher nicht durchgeführt werden. Wenn während der kurativ intendierten Operation Metastasen entdeckt werden, die (ohne Risiko) vollständig resektabel sind, können diese im Einzelfall reseziert werden. Gemäß der deutschen perioperativen AIO FLOT-3 Studie hatten Pat. mit gutem Ansprechen auf 6-8 Zyklen intensiver Chemotherapie (wie FLOT) nach Resektion der Restmetastasen ein besseres 5 Jahres-Überleben. Pat. mit einer synchronen limitierten Metastasierung bzw. Peritonealkarzinose sollten daher an einem high-Volume-Zentrum vorgestellt werden, um eine sekundäre Resektabilität zu überprüfen, bevorzugt im Rahmen der in Deutschland aktivierten, prospektiv randomisierten Phase III-Studie RENAISSANCE / FLOT-5 (NCT02578368). Diese evaluiert, ob eine Induktionschemotherapie plus Metastasektomie im Vergleich zur Fortführung der palliativen Chemotherapie ohne Operation die Prognose bei limitierter Metastasierung eines AEG oder Adenokarzinom des Magens verbessert [74].

6.2.2Strahlentherapie

6.2.2.1Neo-/adjuvante Radiochemotherapie

Eine neoadjuvante Radiochemotherapie ist Standard für lokal-fortgeschrittene (Kategorie cT3/T4) Plattenepithelkarzinome und Adenokarzinome des Ösophagus. In randomisierten Studien wurden präoperativ Dosen von 41,4 bis 54 Gy in 22 bis 28 Fraktionen verabreicht. Als Partner für die kombinierte Chemoradiotherapie haben sich wöchentliche Gaben von Carboplatin (AUC 2) und Paclitaxel (50 mg/m²) [75] oder Cisplatin (30mg/m2) und Docetaxel (60mg/m2) etabliert, neben dem ursprünglichen Standard Cisplatin und 5-Fluorouracil alle 3 bis 4 Wochen.

Bei Pat. mit einem Tumor der Kategorie T2 ist, insbesondere bei V.a. oder Nachweis von Lymphknotenmetastasen, eine neoadjuvante Radiochemotherapie eine Therapieoption. Ihr Einsatz statt primärer Resektion sollte interdisziplinär diskutiert und im Einzelfall empfohlen werden.

Bei Pat. mit R1-Resektion legen retrospektive Studien nahe, dass eine adjuvante Radiochemotherapie eine Verbesserung des Überlebens bewirken kann [76].

Hierbei sollte die Strahlenchemotherapie wie bei der definitiven Radiochemotherapie durchgeführt werden. Das klinische Zielvolumen umfasst Resttumor (wenn vorhanden), die Anastomosen und die befallenen Lymphknotenstationen. Zur Optimierung der Schonung umgebender Normalgewebe, insbesondere von Herz und Lunge, sollte eine intensitätsmodulierte Strahlentherapie verwendet werden [7778].

6.2.2.2Definitive Radiochemotherapie

Bei hochsitzenden (zervikalen] Ösophaguskarzinomen ist zur Vermeidung der häufigen postoperativen Komplikationen wie Schluckstörungen und Aspirationsneigung und von mutilierenden Eingriffen (Laryngektomie] eine definitive Radiochemotherapie die Methode der ersten Wahl. Sie führt zu Langzeitüberlebensraten von 17-55 % [7980]. Sie zeigte sich in verschiedenen Untersuchungen einer alleinigen Strahlentherapie überlegen, die beim Ösophaguskarzinom deswegen nur in palliativer Intention eingesetzt wird.

Die definitive Radiochemotherapie ist zudem eine Therapiealternative bei Tumoren, die nach interdisziplinärer Diskussion als nicht resektabel angesehen werden und für Pat. mit funktioneller Inoperabilität oder Pat., die eine operative Therapie ablehnen.

Ergebnisse einer randomisierten Phase III-Studie aus den Niederlanden (ARTDECO-Studie) zeigten mit einer Gesamtstrahlendosis oberhalb von 50,4 Gray bei Pat. mit intrathorakalen Ösophaguskarzinomen keinen Vorteil hinsichtlich der lokalen Tumorkontrolle bei simultaner Chemotherapie mit Carboplatin / Paclitaxel. Diese Studie hatte das Ziel, eine Verbesserung der lokalen Tumorkontrolle von 50% auf ≥ 65% durch Steigerung der Gesamtdosis am Primärtumor von 50,4 Gy auf 61,6 Gy in jeweils 28 Fraktionen nachzuweisen. Die lokalen Tumorkontrollraten als primärer Endpunkt waren mit 71% und 73% nach 3 Jahren im Standard- und Dosiseskalationsarm jeweils deutlich besser als erwartet. In dieser Studie hatten 62% der Pat. ein Plattenepithel- und 38% ein Adenokarzinom [47]. Die Vollpublikation der Studie belegt die hohe Qualität der Studiendurchführung und –auswertung. Entsprechend sollte eine Gesamtdosis von 50,4 Gy als Standard für die definitive Chemostrahlentherapie intrathorakler Ösophaguskarzinome bei simultaner Chemotherapie mit Carboplatin/Paclitaxel angesehen werden. Bei einer Tumorlokalisation im zervikalen Ösophagus werden in Übereinstimmung mit den Empfehlungen der aktuellen NCCN-Guideline zum Ösophaguskarzinom in der Version 4.2023 höhere Gesamtdosen bis 66 Gy in konventioneller Fraktionierung mit 1,8 Gy pro Fraktion nach monoinstitutionellen Behandlungsserien empfohlen. Die größeren randomisierten Studien verwendeten zum Vergleich der neoadjuvanten Radiochemotherapie + nachfolgende Operation mit einer definitiven Radiochemotherapie ohne Operation beim Plattenepithelkarzinom des Ösophagus Gesamtstrahlendosen von 60-66 Gy in konventioneller Fraktionierung bei simultaner Chemotherapie mit Cisplatin/5-FU oder anderen Cisplatin-haltigen Kombinationen [42]. Signifikante Unterschiede im Gesamtüberleben wurden zwischen den Behandlungsarmen nicht beobachtet. Die exploratorische Analyse der FFCD 9102-Studie zeigte beim Vergleich der konventionell bis 66 Gy mit den hypofraktioniert bis 45 Gy behandelten Pat. eine Dosis-Effekt-Beziehung [124]. Daher werden bei simultaner Chemotherapie mit Cisplatin/5-FU Gesamtstrahlendosen von 50-60 Gy als therapeutischer Korridor bei der definitiven Radiochemotherapie empfohlen. Falls eine Salvage-Operation in Abhängigkeit vom Allgemeinzustand und der Tumorausbreitung als Option für Pat. möglich erscheint, sollte jedoch die Gesamtdosis bei der Strahlentherapie nach den Daten der FREGAT-Gruppe [125] auf 50-55 Gy in konventioneller Fraktionierung mit 1,8–2,0 Gy pro Fraktion begrenzt werden, da bei höheren Gesamtdosen der präoperativen Bestrahlung ein Ansteigen der postoperativen Komplikationen beobachtet wurde.

Die früher am häufigsten in Kombination mit Radiotherapie eingesetzte Chemotherapie war Cisplatin und 5-FU [11], mittlerweile gilt eine kombinierte Radiochemotherapie mit FOLFOX als gleichwertig [49]. Die definitive Chemoradiotherapie unter Einsatz von Carboplatin/Paclitaxel oder Cisplatin/Paclitaxel ist bei niedriger Toxizität und vergleichbaren Langzeittherapieergebnissen ebenfalls eine Option erster Wahl. Randomisierte Studien zum Vergleich von Effektivität und Toxizität der Kombination von Cisplatin/5-FU mit Carboplatin/Paclitaxel sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht publiziert.

6.2.3Medikamentöse Tumortherapie

6.2.3.1Perioperative Chemotherapie

Eine perioperative Chemotherapie ist bei Adenokarzinomen des ösophago-gastralen Übergangs eine gut etablierte Standardtherapie für Tumoren ab einer Kategorie cT3 (siehe auch Onkopedia-Leitlinie zum Magenkarzinom). Ein direkter Vergleich zwischen perioperativer Chemotherapie und neoadjuvanter Radiochemotherapie steht nur für AEG zur Verfügung. Die Ergebnisse sind nicht eindeutig (siehe Kapitel 6.1.3). Aus der Neo-AEGIS Studie ergeben sich keine Unterschiede in den Überlebenszeiten zwischen einer perioperativen Chemotherapie mit EC(O)F(X) / FLOT und einer präoperativen Chemoradiotherapie entsprechend dem CROSS-Protokoll (Kapitel 6.1.3.2). Allerdings haben in dieser Studie nur etwa 10% der Pat. die Standardtherapie mit FLOT erhalten, so dass die Vergleichsgruppe der perioperativen Chemotherapie in dieser Studie suboptimal behandelt wurde.

Auf dem Boden der UK-MRC MAGIC-Studie galt eine Kombination aus Epirubicin, Cisplatin und 5-FU (ECF 3 Zyklen à jeweils 3 Wochen präoperativ und 3 Zyklen postoperativ) lange Zeit als Therapiestandard, weil sie im Vergleich zur alleinigen Chirurgie eine Verbesserung des 5-Jahresüberlebens von 23% auf 36% erzielen konnte. Vergleichbare Ergebnisse liegen für die Kombination aus Cisplatin und 5-FU vor (2 Zyklen entsprechend 8 Wochen präoperative Behandlungsdauer) vor. Das FLOT-Regime (5-FU, Folinsäure, Oxaliplatin, Docetaxel) zeigte in einer randomisierten Phase III Studie im Vergleich zu ECF/ECX eine signifikant höhere histopathologische Ansprechrate (15,6% vs. 5,8%), eine Verbesserung des progressionsfreien Überlebens (Hazard Ratio 0,75; Median 12 Monate) und eine signifikante Verbesserung des Gesamtüberlebens (HR 0,77; p=0,012) [28]. Bei zudem geringerer Toxizität ist FLOT daher die Standardtherapie im perioperativen Konzept.

Das Ansprechen auf die präoperative Chemotherapie bestimmt nach aktueller Datenlage nicht die Wahl der postoperativen Chemotherapie, weder in Bezug auf ihre Durchführung noch auf eine Intensivierung oder einen Medikamentenwechsel. Einzig bei einer Tumorprogression unter der präoperativen Therapie sollte diese postoperativ nicht fortgesetzt werden. Ob eine frühe Response-Evaluation mittels PET-CT nach 1 Kurs präoperativer Chemotherapie mit Cisplatin/5-FU diese Situation verändern kann, ist nicht geklärt. Interessant sind die Ergebnisse einer randomisierten Phase II-Studie (DOCTOR) [81], in der die Behandlung für Pat. ohne metabolisches Tumoransprechen eskaliert wurde entweder auf Docetaxel, Cisplatin, 5-FU (DCF) oder auf DCF + Radiotherapie. Über 90% der Pat. mit AC des Ösophagus oder AEG erhielten danach eine Operation. Durch die zusätzliche Radiotherapie scheint sowohl das progressionsfreie Überleben (nach 3 Jahren 46% vs. 29%) als auch das Gesamtüberleben (nach 5 Jahren 46% vs. 31%) verbessert werden zu können.

In Einzelfällen (understaging) kann eine alleinige adjuvante Chemotherapie gerechtfertigt sein [83], wenn präoperativ keine Therapie durchgeführt wurde bzw. durchgeführt werden konnte. Dies gilt insbesondere bei einer ausgedehnten Lymphknotenmetastasierung (pN2-3). In diesen begründeten Ausnahmesituationen kann eine adjuvante Chemotherapie mit Oxaliplatin und einem Fluoropyrimidin für eine Gesamtdauer von 6 Monaten entsprechend der koreanischen CLASSIC Studie empfohlen werden [8384].

Die Monotherapie mit einem oralen Fluoropyrimidin über 12 Monate wird auf dem Boden der ARTIST2-Studie auch in Asien nicht mehr als Standard angesehen [85].

6.2.3.2Palliative Chemotherapie

Diese ist Therapie der Wahl bei metastasierten Tumoren oder in Ausnahmefällen eine Option zur symptomatischen Behandlung bei Pat. mit lokal fortgeschrittenen Ösophaguskarzinomen, bei denen weder einer Resektion noch eine Strahlentherapie durchgeführt werden kann [86].

Eine Übersicht über die verschiedenen therapeutischen Möglichkeiten findet sich unter Kapitel 6.1.4.1 Medikamentöse Tumortherapie sowie zu den einzelnen Substanzen im nächsten Kapitel 6.2.3.3.

6.2.3.3Medikamentöse Tumortherapie - Substanzen
6.2.3.3.1 5-Fluorouracil

5-Fluorouracil kommt in fast in allen Formen der medikamentösen Tumortherapie von Pat. mit Ösophaguskarzinomen vor. Die Wirksamkeit wird durch Kombination mit Folinsäure gesteigert. Eine Alternative ist die orale Therapie mit Capecitabin, siehe Kapitel 6.2.3.3.2. Schwere Nebenwirkungen sind Diarrhoe und Stomatitis. Pat. mit funktionell relevanten Polymorphismen der Gene des 5-FU Abbaus haben ein erhöhtes Risiko für schwere Nebenwirkungen einschl. Neutropenie und neutropenischem Fieber. Vor einer 5-FU haltigen Chemotherapie muss eine Mutation in den vier wichtigsten Gen-Loci der Dihydropyrimidin Dehydrogenase (DPD) ausgeschlossen werden.

6.2.3.3.2Capecitabin und S1

Capecitabin und S1 sind orale Fluoropyrimidine, die im Körper zu 5-FU metabolisiert werden. In klinischen Vergleichsstudien sind sie ebenso effektiv wie 5-FU. Sie können in der palliativen Therapie anstelle von 5-Fluorouracil eingesetzt werden, wenn ausreichende Schluckfähigkeit besteht. In Kombination mit Platinderivaten werden Remissionsraten bis zu 45% erreicht. Schwere Nebenwirkungen (Grad 3 / 4), die bei mehr als 5 % der Pat. in den Zulassungsstudien auftreten, sind Diarrhoe und Hand-Fuß-Syndrom (sehr selten für S1). Vor einer Capecitabin- oder S1-haltigen Chemotherapie muss eine Mutation in den vier wichtigsten Gen-Loci der Dihydropyrimidin Dehydrogenase (DPD) ausgeschlossen werden.

6.2.3.3.3Cisplatin

Platinderivate gehören zu den wirksamsten Einzelsubstanzen. In Kombination mit anderen Zytostatika ist Cisplatin Bestandteil des medikamentösen Standards. In der palliativen Therapie erreicht Cisplatin in Kombination mit Fluoropyrimidinen Remissionsraten von bis zu 30%. Spezifische schwere Nebenwirkungen (Grad 3/4) sind Übelkeit und Erbrechen, Nephrotoxizität, Polyneuropathie, Ototoxizität, Hämatotoxizität, Elektrolytverschiebungen und Diarrhoe.

6.2.3.3.4Docetaxel

Docetaxel gehört zu den Taxanen. Docetaxel ist ein wirksamer Kombinationspartner von Fluoropyrimidinen und Platinderivaten in der perioperativen und der palliativen Therapie und Bestandteil des FLOT-Schemas. Schwere Nebenwirkungen (Grad 3/4) sind Infektionen, Nagelveränderungen, Geschmackstörungen, Stomatitis und Diarrhoe. Zu den belastenden Nebenwirkungen (Grad 2) gehört die Alopezie. Besonders belastend ist eine z. T. irreversible Polyneuropathie. Häufige Nebenwirkungen wie Übelkeit/Erbrechen und allergische Reaktionen können durch adäquate supportive Therapie verhindert werden, siehe Onkopedia Antiemese.

6.2.3.3.5Irinotecan

Irinotecan ist ein Topoisomerase I Inhibitor. In Kombination mit Fluoropyrimidinen betragen die Remissionsraten bis zu 40%. FOLFIRI ist bezüglich des progressionsfreien Überlebens und der Gesamtüberlebenszeit vergleichbar wirksam wie Cisplatin-basierte Therapien. Schwere Nebenwirkungen (Grad 3/4), die bei mehr als 5 % der Pat. in den Zulassungsstudien auftraten, sind Diarrhoe, Übelkeit/ Erbrechen, Neutropenie und neutropenisches Fieber. Die Substanz kann als Monotherapie wöchentlich, zwei- oder dreiwöchentlich appliziert werden.

6.2.3.3.6Nivolumab

Nivolumab ist ein monoklonaler Anti-PD-1-Antikörper und gehört zur Substanzklasse der Immuncheckpoint-Inhibitoren. Es ist als Monotherapie für die Zweitlinientherapie beim Plattenepithelkarzinoms des Ösophagus nach vorheriger fluoropyrimidin-und platinbasierter Kombinationschemotherapie unabhängig vom PD-L1 Status zugelassen. Typische milde (Grad 1-2) Nebenwirkungen in der Zulassungsstudie waren Hautausschlag (11%), Diarrhoe (10%) und Appetitverlust (7%), schwerwiegend (Grad 3-4) waren Pyrexie (2%) und interstitielle Lungenerkrankung (2%).

6.2.3.3.7Oxaliplatin

Dieses Platinderivat ist wirksam in Kombination mit Fluoropyrimidinen (5-FU/Folinsäure, Capecitabin). In der Erstlinientherapie im Stadium IV steigert es die Remissionsraten auf 45%. Schwere Nebenwirkungen (Grad 3/4), die bei mehr als 5 % der Pat. in den Zulassungsstudien auftraten, sind Übelkeit/Erbrechen, Diarrhoe, Mukositis und Polyneuropathie. Oxaliplatin ist Teil des perioperativ empfohlenen FLOT-Regimes und des Standards der palliativen Erstlinientherapie FOLFOX bzw. FLO.

6.2.3.3.8Paclitaxel

Paclitaxel gehört zu den Taxanen. Paclitaxel ist wirksam als Monotherapie in der palliativen Zweitlinientherapie oder in Kombination mit Cisplatin/5-FU/Folinsäure (Gastro-Tax) in der palliativen Erstlinientherapie. Schwere Nebenwirkungen (Grad 3/4) sind Infektionen, Stomatitis und Diarrhoe und allergische Reaktionen auf das enthaltene Lösungsmittel Cremophor. Zu den belastenden Nebenwirkungen gehört die Alopezie. Besonders belastend ist eine z. T. irreversible Polyneuropathie. Häufige Nebenwirkungen wie allergische Reaktionen können zum Teil durch adäquate supportive Therapie verhindert werden.

6.2.3.3.9Pembrolizumab

Pembrolizumab ist ein monoklonaler Anti-PD-1 Antikörper und gehört zur Substanzklasse der Immuncheckpoint-Inhibitoren. In der Phase III-Studie KEYNOTE-590 [55] zur Erstlinientherapie des metastasierten Ösophaguskarzinoms führte Pembrolizumab + Chemotherapie gegenüber Chemotherapie zu einer signifikanten Steigerung der Ansprechrate, zur Verlängerung der progressionsfreien und der Gesamtüberlebenszeit sowie zur Steigerung der Überlebensrate nach 2 Jahren. Charakteristische Nebenwirkungen unter Pembrolizumab sind immunvermittelt, insbesondere Autoimmunphänomene. Häufigere Nebenwirkungen sind Hypothyreose/Hyperthyreose, Appetitlosigkeit, Fatigue, Diarrhoe, Übelkeit, Hautausschlag und Asthenie.

6.2.3.3.10Ramucirumab

Ramucirumab ist ein VEGF-Rezeptor2-Antikörper, der die Neoangiogenese hemmt. In Kombination mit Paclitaxel führt Ramucirumab gegenüber einer Paclitaxel-Monotherapie zur signifikanten Verlängerung der progressionsfreien Überlebenszeit, zur Verlängerung der Gesamtüberlebenszeit sowie zu einer Steigerung der Remissionsrate. Bei Pat., die für eine Paclitaxel-Therapie nicht geeignet sind, führt die Monotherapie mit Ramucirumab gegenüber Placebo ebenfalls zur Verlängerung der progressionsfreien Überlebenszeit und der Gesamtüberlebenszeit. Die einzige schwere Nebenwirkung Grad 3/4, die bei mehr als 5% der Pat. in der Monotherapie mit Ramucirumab auftrat, war eine arterielle Hypertonie. Häufigere Nebenwirkungen in der Kombinationstherapie waren Fatigue (12%), Neuropathie (8%) und abdominelle Schmerzen (6%).

6.2.3.3.11Trastuzumab

Trastuzumab ist ein monoklonaler Antikörper, der spezifisch mit dem HER2/neu-Rezeptor interferiert und für die Behandlung von Pat. mit HER2-Überexpression oder –Genamplifikation zugelassen wurde. Er ist wirksam in der palliativen Situation. Bei HER2-positivem Magenkarzinom führt Trastuzumab in Kombination mit einem Fluoropyrimidin und Cisplatin gegenüber alleiniger Chemotherapie zu einer Verlängerung der Gesamtüberlebenszeit. Schwere Nebenwirkungen (Grad 3/4) sind selten.

6.2.3.3.12Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd)

Trastuzumab-Deruxtecan ist ein Antikörper-Wirkstoff-Konjugat, das einen humanisierten monoklonalen Anti-HER2-IgG1-Antikörper (mAb) mit der gleichen Aminosäuresequenz wie Trastuzumab enthält, welcher über einen Tetrapeptid-basierten spaltbaren Linker kovalent an DXd, ein Exatecan-Derivat und Topoisomerase-I-Inhibitor, gebunden ist. An jedes Antikörpermolekül sind ungefähr 8 DXd-Moleküle gebunden. T-DXd wird angewendet als Monotherapie zur Behandlung von erwachsenen Pat. mit fortgeschrittenem HER2-positivem Adenokarzinom des Magens oder des ösophago-gastralen Übergangs, die bereits ein vorhergehendes Trastuzumab-basiertes Therapieschema erhalten haben. Pat., die mit T-DXd behandelt werden, müssen einen dokumentierten HER2-positiven Tumorstatus aufweisen, definiert entweder immunhistochemisch (IHC) durch einen Score von 3+ oder durch ein Genkopienzahlverhältnis in Relation zu CEP17 von ≥ 2 gemessen mittels In-situ-Hybridisierung (ISH).

Die empfohlene Dosis T-DXd beim Magenkarzinom (abweichend vom Mammakarzinom) beträgt 6,4 mg/kg und wird als intravenöse Infusion einmal alle 3 Wochen (21-tägiger Zyklus) bis zum Fortschreiten der Erkrankung oder bis zum Auftreten einer inakzeptablen Toxizität angewendet. Die Initialdosis ist als 90-minütige intravenöse Infusion zu geben. Wenn die vorausgegangene Infusion gut vertragen wurde, kann nachfolgend T-DXd als 30-minütige Infusion gegeben werden. Wenn der Pat. infusionsbedingte Symptome zeigt, muss die Infusionsgeschwindigkeit von T-DXd gesenkt oder die Infusion unterbrochen werden. Bei schweren Reaktionen auf die Infusion ist T-DXd dauerhaft abzusetzen. In besonderer Weise ist das mögliche Auftreten von Lungentoxizität in Form einer interstitiellen Lungenerkrankung oder Pneumonitis zu beachten. Außerdem ist zu beachten, dass Trastuzumab-Deruxtecan ein moderat bis hohes akutes und verzögertes emetogenes Potenzial hat. Wir empfehlen deshalb den Einsatz einer Prophylaxe mit 3 Antiemetika (Dexamethason, 5-HT3-Antagonist, NK-1-Antagonist).

6.2.3.3.13Trifluridin/Tipiracil (FTD/TPI)

Das Kombinationspräparat FTD/TPI besteht aus dem nukleosidischen Thymidinanalogon Trifluridin (FTD) und dem Thymidinphosphorylaseinhibitor Tipiracil (TPI). Das molare Mengenverhältnis Trifluridin/Tipiracil ist 1 : 0,5 (exaktes Massenverhältnis: 1 : 0,471). TF wird intrazellulär durch das Enzym Thymidinkinase zum Monophosphat (TF-MP) und durch das Enzym Thymidylatkinase nachfolgend zum Di- (TF-DP) und Triphosphat (TF-TP) phosphoryliert. TF-TP wird als falscher Baustein in die DNS eingebaut. Aus diesem falschen Einbau resultieren lang andauernde DNS-Schäden und DNS-Strangbrüche. TF-MP wiederum bindet kovalent an Thyrosin-146 im aktiven Zentrum des Enzyms Thymidilatsynthetase (TS, auch Thymidilat-Synthase) und inhibiert dessen Aktivität. TS ist für die Konversion von Uracil-Nukleotiden in die Thymidin-Nukleotide zuständig und ist somit durch die Aufrechterhaltung ausreichender Menge an Thymidin für die DNS-Synthese von vitaler Bedeutung. Trifluridin/Tipiracil erwies sich in der dritten Behandlungslinie des metastasierten Magenkarzinoms gegenüber Placebo überlegen, verlängerte das Gesamtüberleben (HR 0,69; p<0,001) und wurde zufriedenstellend toleriert: Grad ≥3 unerwünschte Ereignisse traten bei 267 (80%) Pat. in der Trifluridin/Tipiracil-Gruppe und bei 97 (58%) in der Placebo Gruppe auf.

6.2.4Maßnahmen zur Ernährungssicherung

Die Mehrzahl der Pat. haben zum Zeitpunkt der Diagnose bereits fortgeschrittene Tumoren und somit häufig symptomatische Tumorstenosen. Durch eine Kombinations-Chemotherapie kann diese Symptomatik bei zwei Drittel der Pat. rasch verbessert werden. Andere Pat. brauchen aufgrund der Dysphagie lokale palliative Maßnahmen. Der Einsatz selbstexpandierender Metallstents (SEMS) zur schnellen Linderung der Dysphagie hat sich als Standardtherapie etabliert. Bei symptomatischen Tumorstenosen können in Abhängigkeit von der Prognose neben SEMS eine hochdosierte intraluminale Brachytherapie oder eine perkutane Radiotherapie angeboten werden. Die Wahl des palliativen Therapieverfahrens hängt von der Lokalisation und der Ausdehnung des Primarius, der Schwere der Symptomatik und von der Vortherapie ab. Daten zur präoperativen Therapie beim lokal fortgeschrittenen Adenokarzinomen des Ösophagus und AEG zeigen zudem, dass eine Chemotherapie bei 2/3 der Pat. mit hochgradiger Dysphagie zu einer Verbesserung oder Normalisierung der Schluckfähigkeit führt (Dysphagie Grad 0 oder 1).

Falls bei Tumorblutungen endoskopisch keine Blutstillung möglich ist, kann eine palliative Radiotherapie angeboten werden (hypofraktioniert, z.B. 5 x 3 Gy). Sie ist insbesondere bei chronischer Sickerblutung Therapie der Wahl. Bei Verfügbarkeit kann eine angiographische Embolisation sinnvoll sein. Eine palliative Resektion kann nur als ultima ratio erwogen werden.

7Rehabilitation

Das Ösophaguskarzinom selbst, aber auch seine Behandlung mittels Operation, Chemotherapie und/oder Strahlentherapie führt häufig zu erheblichen somatischen Folgestörungen wie z.B. Gewichtsabnahme bis zur Tumorkachexie, postoperative Maldigestion, Chemotherapie-induzierte Polyneuropathie und allgemeine Schwäche bis hin zu einem (chronischem) Fatigue-Syndrom.

Infolge dieser Nebenwirkungen und der onkologischen Diagnose selbst besteht zudem häufig eine hohe psychische Belastung und entsprechend Bedarf nach psychoonkologischer Mitbehandlung.

Daher sind gezielte rehabilitative Maßnahmen erforderlich. Diese sollten möglichst zügig nach Abschluss der Primärtherapie im Rahmen einer Anschlussrehabilitation erfolgen.

Bei der Auswahl der Rehabilitationseinrichtung ist die Zulassung der Klinik für Ösophaguskarzinom- Pat. durch die Kostenträger (Rentenversicherung, Krankenversicherung) zwingende Voraussetzung. Zusätzlich sollte dem Wunsch- und Wahlrecht des Pat. gemäß §9 SGB IX Rechnung getragen werden.

Während der Rehabilitation sollte neben den allgemeinen Therapieangeboten (Sport-/Physio-/Ergotherapie) eine umfassende Ernährungsberatung erfolgen, Pat. in eine Lehrküche einbezogen werden sowie die Möglichkeit bestehen, alle wissenschaftlich anerkannten Kostformen - von der normalen Vollkost bis zur kompletten parenteralen Ernährung - zu verabreichen. 

Pat., die das gesetzliche Rentenalter noch nicht erreicht haben, sollten im Rahmen der Medizinisch-Beruflich Orientierten Rehabilitation (MBOR) über Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben informiert werden. Weitere sozialmedizinische Fragen sowie die eventuell erforderliche Betreuung für Pat. sollten während der Rehabilitation geklärt werden.

Allen Pat. sollte eine psychoonkologische Betreuung angeboten werden.

8Verlaufskontrolle und Nachsorge

8.1Verlaufskontrolle

Während laufender Chemotherapie sollten das allgemeine Befinden der Pat. und vitale Körperfunktionen in der Regel einmal wöchentlich geprüft werden. Bildmorphologische Verlaufsuntersuchungen, bevorzugt mittels Computertomographie, sind ebenfalls regelmäßig indiziert, um negative Entwicklungen der Erkrankung rechtzeitig zu erkennen und Pat. unwirksamen Therapien nicht unnötig lange auszusetzen bzw. die Chance auf wirksamere Therapien zu eröffnen.

8.2Nachsorge

Es gibt keine prospektiven Daten, auf deren Grundlage ein bestimmtes Nachsorgeschema empfohlen kann. Im Vordergrund sollte die klinische Kontrolle und die Behandlung Therapie-bedingter Beschwerden stehen; regelmäßige endoskopische und bildgebende Untersuchungen können erwogen werden. In vergangenen und laufenden Studien hat sich das Schema aus Tabelle 5 etabliert.

Tabelle 5: Strukturierte Verlaufskontrolle und Nachsorge bei kurativer Therapie 

Untersuchung

nach Therapieabschluss (Monate)

(3)

6

(9)

12

(15)

18

(21)

24

(30)

36

(42)

48

54

60

Körperliche Untersuchung

X

X

X

X

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Labor

Blutbild und Serumroutine

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Bildgebung:

Ultraschall
oder ggf.
CT Thorax/

Abdomen/

Becken

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X

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9Literatur

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10Aktive Studien

12Therapieprotokolle

13Studienergebnisse

14Zulassungsstatus

15Anschriften der Verfasser

Prof. Dr. med. Salah-Eddin Al-Batran
UCT- Universitäres Centrum für
Tumorerkrankungen Frankfurt
Institut für klinisch-Onkologische Forschung (IKF)
Steinbacher Hohl 2-26
60488 Frankfurt
Prof. Dr. med. Markus Borner
ONCOCARE am Engeriedspital
Riedweg 15
CH-3012 Bern
Prof. Dr. med. Ines Gockel
Universitätsklinikum Leipzig
Klinik und Poliklinik für Viszeral-,
Transplantations-, Thorax- und Gefäßchirurgie
Liebigstr. 20
04103 Leipzig
Prof. Dr. med. Lars Grenacher
Diagnostik München
Augustenstraße/München GmbH
Augustenstr. 115
80798 München
PD Dr. med. Holger Hass
Paracelsus Klinik Scheidegg
Kurstr. 5
88175 Scheidegg
Prof. Dr. med. Dieter Köberle
St. Claraspital
Medizinische Klinik, Onkologie
Kleinriehenstr. 30
CH-4016 Basel
Prof. Dr. med. Markus Möhler
Universitätsklinik Mainz
I. Medizinische Klinik und Poliklinik
Langenbeckstr. 1
55131 Mainz
Prof. Dr. med. Rainer Porschen
Kreiskrankenhaus Osterholz
Gastroenterologische Praxis
Am Krankenhaus 4
27711 Osterholz-Scharmbeck
Dr. Ron Pritzkuleit
Institut für Krebsepidemiologie
Krebsregister Schleswig-Holstein
Ratzeburger Allee 160
23538 Lübeck
PD Dr. med. Holger Rumpold
Ordensklinikum Linz
Viszeralonkologisches Zentrum
Fadingerstr.1
A-4020 Linz
PD Dr. med. Marianne Sinn
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
II. Medizinische Klinik und Poliklinik
Onkologie, Hämatologie, KMT mit Sektion Pneumologie
Martinistr. 52
20246 Hamburg
Prof. Dr. med. Michael Stahl
Prof. Dr. med. Martin Stuschke
Universitätsklinikum Essen (AöR)
Klinik für Strahlentherapie
Hufelandstr. 55
45147 Essen
PD Dr. med. Peter Thuss-Patience
Vivantes Klinikum im Friedrichshain
Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin
Landsberger Allee 49
10249 Berlin

16Erklärung zu möglichen Interessenkonflikten

Autor*in Anstellung1 Beratung / Gutachten2 Aktien / Fonds3 Patent / Urheberrecht / Lizenz4 Honorare5 Finanzierung wissenschaftlicher Untersuchungen6 Andere finanzielle Beziehungen7 Persönliche Beziehung zu Vertretungsberechtigten8
Al-Batran, Salah-Eddin Eine Erklärung liegt noch nicht vor
Borner, Markus
Angestellt bei eigener Firma.
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Gockel, Ines
Universitätsklinikum Leipzig
Ja
ETHICON Johnson & Johnson FALK Foundation
Nein
Nein
Ja
Onkopedia.de
Nein
Nein
Nein
Grenacher, Lars
Conradia Radiologie München
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Hass, Holger Eine Erklärung liegt noch nicht vor
Köberle, Dieter
Claraspital Basel Basel Schweiz
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Möhler, Markus
Universitätsmedizin Mainz
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Porschen, Rainer
MVZ am Kreiskrankenhaus Osterholz Am Krankenhaus 4 27711 Osterholz-Scharmbeck
Nein
Nein
Nein
Ja
Med Update Falk Foundation
Ja
Ösophaguskarzinomleitlinie Dt. Krebshilfe
Nein
Nein
Pritzkuleit, Ron
Institut für Krebsepidemiologie an der Universität Lübeck Registerstelle des Krebsregisters Schleswig-Holstein Ratzeburger Allee 160 23538 Lübeck
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Rumpold, Holger
Ordensklinikum Linz, Seilserstätte 4 4010 Linz Österreich
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Sinn, Marianne
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Universitäres Cancer Center (UCCH) II. Medizinische Klinik und Poliklinik- Onkologie, Hämatologie, Knochenmarktransplantation mit der Abteilung Pneumologie Martinistraße 52 20246 Hamburg
Nein
Nein
Nein
Ja
Roche, Falk, MSD, BMS, Servier, Astra Zeneca, Incyte, PIerre Fabre, ESanum Nicht-Pharma: FOMF, MCI, Ars tempi
Ja
Astra Z, Bayer, BMS, Boston Medical, Incyte, Leo Pharma, MSD, Roche, Servier (Institution)
Nein
Nein
Stahl, Michael
Evang. Kliniken Essen-Mitte
Ja
Novartis, BMS, Lilly, Daiichy-Sankyo, MSD, Roche, Amgen
Nein
Nein
Ja
BMS, Lilly, Daiichy-Sankyo, Roche, Amgen, Merck
Nein
Nein
Nein
Stuschke, Martin
Universitätsklinikum Essen, Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie, Hufelandstraße 55, 45147 Essen
Ja
- Bristol-Myers Squibb "Vortrag bei IO-Academy" 12.11.2022
Nein
Nein
Nein
Ja
institutionelle Förderung durch AstraZeneca bei Forschungsvorhaben "Durvalumab bei neoadjuvanter Therapie des Lungenkarzinoms"
Nein
Nein
Thuss-Patience, Peter
Charité Vivantes
Ja
AstraZeneca, Astellas, Daiichi, Roche, Merck, MSD, BMS, Lilly Novartis, Servier, BeiGene Advisory Boards
Nein
Nein
Ja
AstraZeneca, Astellas, Daiichi, Roche, Merck, MSD, BMS, Lilly Novartis, Servier, BeiGene Advisory Boards
Ja
Merck Serono,
Ja
Reisekosten Merck Serono, AstraZeneca
Nein
1 - Gegenwärtiger Arbeitgeber, relevante frühere Arbeitgeber der letzten 3 Jahre (Institution/Ort)
2 - Tätigkeit als Berater*in bzw. Gutachter*in oder bezahlte Mitarbeit in einem wissenschaftlichen Beirat / Advisory Board eines Unternehmens der Gesundheitswirtschaft (z. B. Arzneimittelindustrie, Medizinproduktindustrie), eines kommerziell orientierten Auftragsinstituts oder einer Versicherung
3 - Besitz von Geschäftsanteilen, Aktien, Fonds mit Beteiligung von Unternehmen der Gesundheitswirtschaft
4 - Betrifft Arzneimittel und Medizinprodukte
5 - Honorare für Vortrags- und Schulungstätigkeiten oder bezahlte Autor*innen oder Koautor*innenschaften im Auftrag eines Unternehmens der Gesundheitswirtschaft, eines kommerziell orientierten Auftragsinstituts oder einer Versicherung
6 - Finanzielle Zuwendungen (Drittmittel) für Forschungsvorhaben oder direkte Finanzierung von Mitarbeiter*innen der Einrichtung von Seiten eines Unternehmens der Gesundheitswirtschaft, eines kommerziell orientierten Auftrags-instituts oder einer Versicherung
7 - Andere finanzielle Beziehungen, z. B. Geschenke, Reisekostenerstattungen, oder andere Zahlungen über 100 Euro außerhalb von Forschungsprojekten, wenn sie von einer Körperschaft gezahlt wurden, die eine Investition im Gegenstand der Untersuchung, eine Lizenz oder ein sonstiges kommerzielles Interesse am Gegenstand der Untersuchung hat
8 - Persönliche Beziehung zu einem/einer Vertretungsberechtigten eines Unternehmens der Gesundheitswirtschaft

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