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Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH)

ICD-10 D59.5
Stand November 2019
Dies ist nicht die aktuelle Version. Siehe: Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH)

1Zusammenfassung

Die paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH) ist eine seltene, erworbene hämatologische Erkrankung mit variabler klinischer Ausprägung. Charakteristisch sind eine intravasale Hämolyse, eine Thrombophilie mit der Neigung zu Thrombosen in typischer und atypischer Lokalisation sowie eine Zytopenie, die in ihrer Ausprägungsform von einer milden, subklinischen Zytopenie bis hin zu einer schweren Panzytopenie (sogenanntes aplastische Anämie/PNH-Syndrom) reichen kann. Ursache der PNH ist eine erworbene somatische Mutation im PIG-A-Gen auf der Ebene der pluripotenten hämatopoetischen Stammzelle des Knochenmarks.

Die Therapie erfolgt symptomorientiert. Bei asymptomatischen Patienten wird eine abwartende Haltung empfohlen, ggf. mit prophylaktischer Antikoagulation. Bei symptomatischen Patienten hat die Entwicklung einer gezielten medikamentösen Inhibition der terminalen Komplement-Kaskade eine deutliche Verbesserung der klinischen Symptomatik sowie die Möglichkeit, krankheits-bedingte Komplikationen therapeutisch zu unterbinden, erbracht. Nach der Marktreife von Eculizumab im Jahr 2006 und der Zulassung von Ravulizumab im Jahr 2019 werden aktuell weitere unterschiedliche Substanzen aus dem Bereich der Komplement-Inhibition in klinischen Studien getestet. Im Vergleich zu historischen Kontrollen ist die Überlebenszeit der symptomatischen PNH-Patienten unter Komplementinhibition heute deutlich verlängert.

2Grundlagen

2.1Definition

Bei der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie (PNH) handelt es sich um eine seltene erworbene Erkrankung hämatopoetischer Stammzellen des Knochenmarkes. Die Erkrankung verläuft klinisch variabel, charakteristisch sind eine intravasale Hämolyse, eine Thrombophilie, mit der Neigung zu Thrombosen in typischer und atypischer Lokalisation und eine Zytopenie, die in ihrer Ausprägungsform von einer milden, subklinischen Zytopenie bis hin zu einer schweren Panzytopenie (aplastische Anämie/PNH-Syndrom) reichen kann [12].

2.2Epidemiologie

Bei der PNH handelt es sich um eine sehr seltene Erkrankung mit einer geschätzten Prävalenz von bis zu 16 Fällen/1 Million Einwohner und einer Inzidenz von ungefähr 1,3 Fällen/1 Million Einwohner (Daten aus Großbritannien / Frankreich). Für Prävalenz und Inzidenz der PNH in Deutschland liegen keine verlässlichen epidemiologischen Daten vor. Aufgrund Ihrer klinischen Heterogenität ist davon auszugehen, dass sie deutlich „unterdiagnostiziert“ wird [3].

2.3Pathogenese

Grundlage der PNH ist eine Mutation im PIG-A-Gen in einer oder mehreren multipotenten hämatopoetischen Stammzelle des Knochenmarks [456]. Da die Mutation erworben ist, sind nicht alle Stammzellen des Knochenmarks betroffen, und es entsteht eine sogenannte Mosaiksituation. Als weitere pathophysiologische Mechanismen werden zum einen eine autoimmun-mediierte Depletion GPI+, d.h. gesunder Stammzellen mit konsekutiver, d.h. sekundärer Anreicherung GPI-defizienter PNH-Stammzellen diskutiert. Zum zweiten bestehen Beobachtungen, dass bei zwei einzelnen PNH-Patienten GPI-defiziente gegenüber den normal exprimierenden Stammzellen einen intrinsischen Wachstumsvorteil durch eine weitere aktivierende genetische Veränderung wie eine ektopische Expression des HMGA2-Gens, bedingt durch ein Rearrangement am Chrosomon 12, aufweisen und somit die klonale Dominanz im Knochenmark ausüben [7]. Neuere Untersuchungen mittels „Next Generation Sequencing“ haben ergeben, dass der Mechanismus der klonalen Expansion bei den meisten PNH-Patienten deutlich komplexer ist. So konnten in den meisten PNH-Patienten neben den charakteristischen PIG-A Mutationen weitere somatische Mutationen ähnlich wie bei MDS und AML gefunden werden. Untersuchungen zu der Verteilung dieser Mutationen in den einzelnen Klonen haben gezeigt, dass im Knochenmark der PNH-Patienten zumeist eine komplexe klonale Hierarchie vorliegt [8].

Die Folge der GPI-Defizienz auf einem signifikanten Anteil peripheren Blutzellen ist ein Fehlen von sogenannten komplementinaktivierenden Proteinen, insbesondere auf der Oberfläche von Erythrozyten. Hier sind insbesondere CD55 der sogenannte „Decay accelerating factor (DAF)“ bzw. CD59, der „Membrane-Inhibitor of reactive lysis (MIRL)“ [9] zu nennen. Bei Komplementaktivierung sind somit die Erythrozyten aufgrund des konstitutiven Fehlens von transmembran-verankerten Molekülen sensibel gegenüber der terminalen Komplement-vermittelten Lyse. Da nahezu alle PNH-spezifischen Symptome bei einem isolierten CD59-Defekt beschrieben sind, kommt hierbei dem CD59-Molekül eine entscheidende Rolle in der klinischen Symptomatik zu [10].

3[Kapitel nicht relevant]

4Klinisches Bild

4.1Symptome

4.1.1Hämolyse und Hämoglobinurie

Obwohl zur klassischen Manifestation der PNH der dunkelbraune (Morgen-)Urin gehört, so ist dieses typische klinische Zeichen nur bei ca. 26% der PNH-Patienten zum Zeitpunkt der Erstdiagnose nachweisbar. Viele PNH-Patienten haben keine klinisch augenscheinliche Hämoglobinurie oder allenfalls intermittierende Episoden, die keine Beziehung zum Tag/Nacht-Rhythmus aufweisen. Es besteht jedoch ein Zusammenhang zwischen auftretender Hämoglobinurie und der Größe des PNH-Klons, d. h. des Anteils der GPI-defizienten Zellen im peripheren Blut.

Als klassische Charakteristika einer chronischen hämolytischen Anämie stehen Schwäche, Fatigue und Belastungsdyspnoe im klinischen Vordergrund. Hierbei ist das Ausmaß der Fatigue nicht streng linear mit dem Ausmaß der Anämie, dafür aber mit dem Ausmaß der Hämolyse sowie der Größe des PNH-Klons korreliert. Mit der intravasalen Hämoglobinfreisetzung korreliert eine abnorme Depletion von Stickoxiden einerseits bedingt durch den NO-Verbrauch durch die Metabolisierung von Hämoglobin zu Methämoglobin. Andererseits kommt es auch zu einer Freisetzung der erythrozytären Arginase, die Argininin als Ausgangssubstanz für die de-novo NO-Produktion reduziert [11]. Damit ist eine Dysfunktion von Endothelzellen sowie eine Aktivierung von Thrombozyten verbunden. Auch die abnorme Fatigue der PNH-Patienten lässt sich mit dieser Depletion in Verbindung bringen [11].

4.1.2Thrombophilie

Thrombembolische Komplikationen stellen die klinisch relevanteste Komplikation für Patienten mit PNH dar und sind die Hauptursache für die erhöhte Morbidität und Mortalität dieser Erkrankung [312]. Ein signifikanter Anteil der Patienten mit PNH entwickelt Thrombosen, welche überwiegend das venöse System betreffen aber auch arteriell auftreten können (z. B. Myokardinfarkt, Apoplex). Die Wahrscheinlichkeit eine Thrombose zu erleiden, korreliert mit dem Vorhandensein der klassischen Symptome, d.h. Hämolyse und Hämoglobinurie. Als Frühindikatoren für ein bevorstehendes thrombembolisches Ereignis konnten abdominelle und thorakale Schmerzen sowie Dyspnoe und Hämoglobinurie identifiziert werden [13]. Venöse Thrombosen in PNH Patienten treten in typischen und in atypischen Lokalisationen wie den abdominellen, insbesondere den hepatischen Venen oder Zerebralvenen auf.

Neben den typischen und atypischen venösen Manifestationen der thrombembolischen Ereignisse treten diese auch arteriell auf und führen zu Gefäßverschlüssen an zerebralen, koronaren, viszeralen sowie auch retinalen Gefäßen mit entsprechender Klinik. Die Häufigkeit dieser arteriellen Verschlüsse wurde in einer koreanischen Kohorte mit 39% aller thrombembolischen Ereignisse beziffert [14]. Diese Zahl erscheint nach den Beobachtungen aus den anderen Kohorten weltweit jedoch verhältnismäßig hoch. Dennoch sollte an PNH auch bei arteriellen Ereignissen insbesondere bei nicht vorbestehender Gefäßerkrankung gedacht werden.

4.1.3Sekundäre aplastische Syndrome bzw. AA-PNH-Syndrom

Sowohl klinisch wie auch pathophysiologisch besteht ein enger Zusammenhang zwischen der aplastischen Anämie und der PNH:

  1. Das Risiko für die Entwicklung einer klinischen PNH liegt in Abhängigkeit von der initialen PNH-Klongröße bei Patienten mit einer erworbenen aplastischen Anämie bei ca. 15-25% [15].

  2. Schon zum Diagnosezeitpunkt weisen >20% der Patienten mit aplastischer Anämie eine kleine oder moderate GPI-defiziente Population auf [16].

  3. Je nach Studie entwickeln 10-20% der Patienten mit aplastischer Anämie, im Verlauf Ihrer Erkrankung eine manifeste hämolytische PNH, häufig viele Jahre nach Abschluss einer immunsuppressiven Therapie [17].

  4. In ca. 20% der Patienten mit PNH findet sich einer retrospektiven Studie zufolge bereits zum Diagnosezeitpunkt ein abberanter zytogenetischer Befund [18].

  5. Eine allogene Stammzelltransplantation kann das Risiko einer sekundären Entwicklung einer PNH in Patienten mit aplastischer Anämie verhindern.

Daraus folgt, dass sekundäre klonale Erkrankungen, d. h. PNH und MDS den natürlichen Verlauf der aplastischen Anämie kennzeichnen.

4.1.4Renale Manifestation

Eine Beeinträchtigung der Nierenfunktion findet sich insgesamt in zwei Drittel aller Patienten mit PNH, in 21% bereits in fortgeschrittenen Stadien [3]. Dabei ist eine reversible Nierenfunktionseinschränkung als Ausdruck eines Vasospasmus der vasa afferentia von einer Nierenparenchymschädigung mit Tubulusschaden zu unterscheiden. Die reversible Nierenfunktionseinschränkung steht vermutlich ursächlich im Zusammenhang mit einem durch die intravasale Hämolyse gesteigertem Stickoxid (NO)-Katabolismus, der zu einer Dysregulation von Endothelzellen und glatten Muskelzellen in der Gefäßwand und daraus resultierender Vaskulopathie/Vasospasmus führt. Sowohl Hämosiderinablagerungen in den proximalen Tubuli als auch mikrovaskuläre Thrombosen sind als Korrelat der Nierenparenchymschädigung bei Patienten mit PNH identifiziert worden. Klinisch dominierend ist eine gestörte Tubulusfunktion und eine allmählich abnehmende Kreatininclearence in der Mehrzahl der Patienten [19].

4.1.5Pulmonale Manifestation

Als klinisches Symptom bei Patienten mit hämolytischer PNH findet sich oft eine Dyspnoe, die nicht allein aus der durch die Hämolyse bedingten Anämie korreliert. Vielmehr resultiert aus der intravasalen Hämolyse ein erheblicher NO-Verbrauch, über den sich eine ausgeprägte pulmonale Hypertonie erklärt. Diese lässt sich einerseits erfassen durch eine deutliche Erhöhung des pro-BNP Wertes, der hier als Maßstab für die rechtsventrikuläre Dysfunktion eingesetzt worden ist [20]. In einer zweiten Publikation der gleichen Arbeitsgruppe wurde die rechtsventrikuläre Funktionseinschränkung per Echokardiographie oder Kardio-MRT bei 8 von 10 Patienten gemessen. Bei 4 von den 8 Patienten wurde in einer Perfusionsszintigraphie Perfusionsausfälle wie bei Thrombembolie gemessen, die anderen 4 Patienten hatten jedoch keine Hinweise auf ein thrombembolisches Geschehen [20]. Somit ist das pathophysiologische Korrelat der pulmonalen Hypertonie einerseits ein rezidivierendes thrombembolisches Geschehen, andererseits auch eine direkte Wirkung des Hämolyse-bedingten NO-Verbrauchs.

4.1.6Unspezifische klinische Manifestationen

Im klinischen Vordergrund der Patienten mit PNH steht die ausgeprägte Fatigue. Diese ist typischerweise häufig nicht proportional zum Ausmaß der Anämie, sondern zum Ausmaß der Hämolyse. Zusätzlich treten intermittierend Ösophagusspasmen, Thoraxschmerzen, Übelkeit und Schluckbeschwerden auf, letzteres insbesondere im Zusammenhang mit hämolytischen Episoden. Männliche Patienten berichten mitunter auch über erektile Dysfunktion. Darüber hinaus treten moderate bis teilweise intensive Schmerzen, insbesondere Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen und Bauchschmerzen in Zusammenhang mit hämolytischen Krisen auf. Diese Symptome sind durch Behandlung mit Komplement-blockierenden Medikamenten wie Eculizumab oder Ravulizumab positiv beeinflussbar [21].

5Diagnostik

Die diagnostische Abklärung bei Verdacht auf PNH sollte die in Tabelle 1 dargestellte Basisdiagnostik umfassen [21]. Die erweiterte Diagnostik bei Verdacht auf PNH ist in Tabelle 2 enthalten.

Tabelle 1: Basisdiagnostik bei Verdacht auf PNH  

Untersuchungen

Anmerkungen

Anamnese

  • Ausführliche Familienanamnese und Eigenanamnese zur Diskriminierung, ob von einer erworbenen Störung auszugehen ist oder Hinweise auf kongenitale Differentialdiagnosen z.B. Membranopathien, Enzymopathien etc. vorliegen.

  • Eigenanamnese einschließlich gezielter Befragung zu PNH-typischen Symptomen wie Anämie-Symptomatik, Fatigue, Dyspnoe, Urinverfärbung, rekurrente abdominelle Schmerzkrisen, Dysphagie, Kopfschmerzen, erektile Dysfunktion, thromboembolische Ereignisse, Blutungszeichen.

Körperliche Untersuchung

  • Anämie-Zeichen, Ikterus, Hinweise für akute oder abgelaufene Thrombosen, Blutungszeichen, konstitutionelle Auffälligkeiten wie bei kongenitalen aplastischen Anämien, Splenomegalie.

Laboruntersuchungen [21]

  • Differentialblutbild und Retikulozytenzählung, Erythrozytenmorphologie, vor allem wichtig zum Ausschluss von Fragmentozyten in der differentialdiagnostischen Abgrenzung der PNH zur mikroangiopathischen Hämolysen.

  • Hämolyse-Parameter.

  • obligat: LDH, Bilirubin gesamt, Bilirubin direkt;

  • ergänzend: Haptoglobin, Hämopexin, Harnstatus mit Nachweis von Hämoglobin. Fakultativ: freies Hämoglobin im Serum; Hämosiderin im Urin

  • Direkter (monospezifischer) Antiglobulin-Test (DAT); Blutgruppe.

  • Durchflusszytometrie: GPI-verankerte Proteine, siehe Tabelle 3.

Knochenmarkpunktion

  • Zytologie, Zytogenetik und Histologie, wenn gleichzeitig eine Zytopenie eines solchen Ausmaßes besteht, dass der Verdacht auf eine PNH im Kontext einer anderen hämatologischen Erkrankung (v. a. aplastische Anämie; MDS) besteht.

Sonographie

  • Oberbauchsonographie einschließlich Farbdoppler mit besonderer Beachtung folgender Aspekte: Leber- und Milzgröße; dopplersonographische Hinweise auf akute oder abgelaufene Lebervenen-, Pfortader-, Milzvenen- oder Mesenterialvenenthrombosen. Bei Verdacht auf akutes thrombotisches Ereignis ggf. auch Farbdoppler und Angiographie weiterer Stromgebiete (z. B. zerebrale Venen).

Tabelle 2: Erweiterte Diagnostik bei Verdacht auf PNH   

Untersuchung

Anmerkungen

Laboruntersuchungen

  • Kreatinin, Kreatinin-Clearance.

  • Ferritin, Eisen, Transferrin, Transferrinsättigung, Retikulozytenhämoglobin, löslicher Transferrin-Rezeptor.

  • Bei Ferritin-Werten >1.000 ng/ml weitere Abklärung von möglichen Organschäden durch Eisenüberladung (Echokardiographie, Blutzucker/Blutzuckertagesprofil; Schilddrüsenwerte, TSH; ggf. FerriScan).

  • Plasma-Spiegel von Folsäure und Vitamin B12.

  • Pro-BNP im Serum zur Einschätzung der rechtsventrikulären Funktion.

  • Bei jungen Patienten mit Indikation zu Stammzelltransplantation: HLA-Typisierung Patient und Geschwister.

  • Bei positiver Familienanamnese für thrombembolische Ereignisse: Thrombophilie-Screening (Faktor V-Leiden; Prothrombin-Mutationen; Protein C, Protein S etc.).

  • Genetische Analysen (PIG-A Gen) zur Diagnosesicherung in der Routine-Diagnostik bei typischen Befundkonstellationen sind nicht erforderlich.

  • Bei atypischen klinischen Manifestationen/atypischen durchflusszytometrischen Befunden kann eine erweiterte genetische Diagnostik sinnvoll sein [25].

  • Bei AA/PNH-Syndrom: Ausschluss Telomeropathie (siehe AA Leitlinie).

Die Standardmethode zum Nachweis des PNH-typischen GPI-Anker-Defektes ist die hochsensitive durchflusszytometrische Untersuchung von Blutzellen (Minimum 2x2 Regel: 2 Zellreihen, wie z.B. Granulozyten und Retikuloyzyten, jeweils untersucht mit je 2 separierbaren Reagenzien) [222324]. Die in Tabelle 3 genannten Konstellationen sollten Anlass für eine durchflusszytometrische Analyse der GPI-verankerten Proteine auf Blutzellen sein.

Tabelle 3: Indikationen für durchflusszytometrische Diagnostik der Expression GPI-verankerter Proteine [2223] 
  • Erworbene, Coombs-negative hämolytische Anämie (ohne Zeichen einer mikroangiopathischen hämolytischen Anämie)

  • Intravasale Hämolyse (Haptoglobin nicht nachweisbar, Hämoglobinurie, erhöhtes freies Plasmahämoglobin)

  • Thrombosen, wenn mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt ist:

    • "Atypische" Lokalisation (Sinusvenenthrombose, Budd-Chiari-Syndrom, Mesenteria- oder Pfortader- oder Milzvenenthrombose, dermale Thrombosen)

    • Thrombosen (unabhängig von ihrer Lokalisation) bei Patienten mit Zeichen einer hämolytischen Anämie (LDH-Erhöhung)

    • Thrombosen (unabhängig von ihrer Lokalisation) in Verbindung mit unklarer Zytopenie

    • Thrombosen (unabhängig von ihrer Lokalisation, auch arteriell) in Abwesenheit von Risikofaktoren

  • Patienten mit unklarer Eisenmangelanämie (nach sorgfältigem Ausschluss anderer Ursachen) in Verbindung mit Zeichen einer hämolytischen Anämie

  • Diagnose oder dringender Verdacht auf aplastische Anämie

  • Diagnose oder dringender Verdacht auf Niedrigrisiko-MDS (Myelodysplastisches Syndrom)

  • Rezidiverend auftretende abdominelle Schmerzkrisen unklarer Genese oder Dysphagie, insbesondere bei gleichzeitigen Zeichen einer Hämolyse

Verlaufskontrollen:

Verlaufskontrollen der durchflusszytometrischen Analyse (Tabelle 4) sind in Abhängigkeit von der aktuellen klinischen Situation anzusetzen. So sollte bei Nachweis einer signifikanten GPI-defizienten Population die Analyse im Abstand von 6 Monaten, bei stabilem Verlauf dann jährlich wiederholt werden.

Unter einer Komplement-Inhibitions-Therapie mit Eculizumab oder Ravulizumab sollte die Diagnostik in jährlichen Abständen wiederholt werden. Bei schwankendem Anteil der GPI-defizienten Zellen bzw. einer geänderten klinischen Symptomatik sind die Untersuchungsintervalle individuell anzupassen.

Nach allogener Transplantation ist die durchflusszytometrische Analyse bei positivem Empfängeranteil in der Chimärismusanalyse alle drei Monate empfohlen, bis die GPI-defiziente Population nicht mehr nachweisbar ist. Bei klinischem Verdacht auf Rezidiv nach Transplantation ist eine erneute Analyse ebenfalls sinnvoll. Bei der Verlaufskontrolle nach Diagnosestellung einer aplastischen Anämie ist eine Wiederholung der durchflusszytometrischen Analyse in zwölfmonatlichen Abständen empfohlen, sofern keine Hinweise auf eine signifikante Hämolyse vorliegen.

Tabelle 4: Durchflusszytometrische Analyse GPI-verankerter Proteine [222324]  

Kriterium

Anmerkungen

Material

peripheres Blut (bevorzugt EDTA-antikoaguliert).

(Zur Routine-Diagnostik keine Untersuchung von Knochenmark (!), da die Interpretation wegen physiologischer Veränderungen der Expression GPI-verankerter Proteine im Rahmen der hämatopoetischen Differenzierung sehr schwierig ist).

Intervall zwischen Entnahme und Untersuchung

möglichst < 48 Stunden, maximal 72 Stunden

Bei Transportzeiten > 24 Stunden sollte die Probe gekühlt werden (+1 bis +10oC).

Untersuchte Zellreihen

z.B. Granulozyten und Retikulozyten;

pro Zellreihe sollten mindestens 2 verschiedene Marker (GPI-verankerte Proteine oder GPI-Anker selbst) untersucht werden. Die untersuchte Zellpopulation soll mit einem nicht-GPI-verankerten Marker identifiziert werden.

Befund

im Befund sollten quantitative Angaben für die untersuchten Zellreihen ausgewiesen werden mit getrennter Angabe des Anteils von Zellen (PNH-Klongröße) mit völlig fehlender Expression GPI-verankerter Proteine (PNH-Typ III-Zellen) und reduzierter Expression (PNH-Typ II-Zellen).

Sensitivität

bei Routineuntersuchungen soll ein Nachweis einer GPI-defizienten Population ab einem relativen Anteil von 1% möglich sein. Bei der Untersuchung von Patienten mit aplastischer Anämie sollte eine Herabsetzung der Sensitivitätsgrenze auf 0,001% erwogen werden.

Zu methodischen Aspekten der Durchführung der Untersuchung wird auf Spezialliteratur verwiesen [222324]. Die Teilnahme an Ringversuchen zur durchflusszytometrischen PNH-Diagnostik wird empfohlen.

6Therapie

6.1Therapiestruktur

Abbildung 1: Algorithmus für die Therapie von Patienten mit Paroxysmaler Nächtlicher Hämoglobinurie 
w&w: abwartendes Verhalten; TE: Venöse Thrombembolien bzw. Z. n. stattgehabter VTE oder erhöhtes Risiko

6.1.1Supportive Therapie

6.1.1.1Allgemeines

Die folgenden Empfehlungen beziehen sich im Wesentlichen auf die Therapie der hämolytischen PNH. Bzgl. der Behandlung der AA mit PNH-Klon siehe insbesondere auch Leitlinie aplastische Anämie.

  • Substitution von Erythrozytenkonzentraten (gewaschene Erythrozytenkonzentrate sind nicht notwendig oder sinnvoll) [26]

  • Gabe von Folsäure (1-5 mg/Tag p.o.) und ggf. auch Vitamin B12 (bei einem Mangel) aufgrund der kompensatorisch erheblich gesteigerten Erythropoese im Knochenmark

  • Orale Substitution von Eisen bei einem Mangel unter Kontrolle der Eisenspeicher (Ferritin, Transferrin-Sättigung, Retikulozytenhämoglobin), eine intravenöse Gabe von Eisen sollte vermieden werden, da hierdurch ein hämolytischer Schub ausgelöst werden kann. Im Rahmen einer Komplement-blockierenden Therapie mit Eculizumab oder Ravulizumab wird durch die effektive Hemmung der intravasalen Hämolyse der chronische Eisenverlust durch die Hämoglobinurie bzw. Hämosiderinurie unterbunden. So sollte unter einer Komplement-blockierenden Therapie keine unkontrollierte Eisengabe erfolgen und bei einer möglichen Eisenüberladung (insbesondere bei einem residuellen Transfusionsbedarf) ggf. eine Eisendepletion eingeleitet werden.

  • Bakterielle Infektionen sollten frühzeitig und konsequent antibiotisch therapiert werden, da diese zu einer Exazerbation der PNH mit hämolytischen Krisen führen können [21]

  • Ausreichende Hydratation im Rahmen von krisenhaften Hämolysen

6.1.1.2Antikoagulation
  • Lebenslange Antikoagulation nach stattgehabter Thrombose. Trotz effektiver Antikoagulation besteht ein Rezidivrisiko für thromboembolische Ereignisse, somit ergibt sich daraus bei den meisten Patienten die Indikation für eine Komplement-blockierende Therapie, z. B. mit Eculizumab [2728]

  • Bei PNH-Patienten, die für eine längere Zeit in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, sollte die Einleitung einer Therapie mit Komplement-blockierender Therapie erwogen werden, um das erhöhte Thrombophilierisiko trotz suffizienter Antikoagulation abzuwenden.

  • Therapie von Thrombosen an atypischer Lokalisation, wie z.B. ein Budd-Chiari-Syndrom sollte in einem spezialisierten Zentrum erfolgen, ggf. lokale oder systemischer Lysetherapie, Einleitung einer Komplement-blockierenden Therapie, z. B. mit Eculizumab [28]

  • Eine primärprophylaktische Antikoagulation sollte bei Patienten erwogen werden, bei denen eine Therapie mit Komplement-blockierende Therapie nicht durchgeführt wird.

  • Sowohl Cumarine als auch Heparine können therapeutisch und prophylaktisch eingesetzt werden. Publizierte Daten zum Einsatz von DOAKs liegen nicht vor, ihr Einsatz scheint aber auf der Grundlage von Erfahrungen in Zentren zu vergleichbaren Ergebnissen zu führen.

6.1.1.3Immunsuppressive Behandlung
  • Immunsuppressive Therapie ist zur alleinigen Behandlung der Hämolyseaktivität nicht indiziert.

  • Zur Therapie der aplastischen Anämie siehe Leitlinie aplastische Anämie. Vor Durchführung einer Therapie mit ATG sollte die Fortsetzung der Therapie mit Komplement-blockierender Therapie z.B. Eculizumab diskutiert werden, da in der Regel aufgrund der bestehenden Aplasie keine Indikation mehr besteht (keine oder nur geringe GPI-defiziente Retikulozyten/Erythrozyten). Bei einem relevanten Anteil an PNH-Retikulozyten/Erythrozyten kann die Komplement-blockierende Therapie z.B. mit Eculizumab fortgesetzt werden ohne Hinweise auf ein schlechteres Ansprechen [29].

6.1.2Potentiell kurative Therapie

6.1.2.1Allogene Stammzelltransplantation

Indikationen:
Eine Indikation für eine allogene Stammzelltransplantation ergibt sich bei einer PNH im Kontext einer schweren aplastischen Anämie, wenn aufgrund der aplastischen Anämie alleine bereits eine Transplantationsindikation besteht (siehe Therapieempfehlungen zur aplastischen Anämie).
Komplikationen wie sekundäres Knochenmarkversagen analog dem Vorgehen bei schwerer aplastischer Anämie, Übergang in ein MDS oder eine akute Leukämie sowie rezidivierende thromboembolische Komplikationen trotz Thromboseprophylaxe, Eculizumab- oder Ravulizumabtherapie können mögliche Situationen darstellen aus denen sich eine Indikation zur allogenen Stammzelltransplantation (bei aplastischer Anämie präferenziell mit Knochenmark analog Leitlinie aplastische Anämie) ergibt.

Die allogene Stammzelltransplantation geht mit einer erheblichen Transplantations-assoziierten Morbidität und Mortalität einher bedingt durch die hohen Raten an Transplantatabstoßungen insbesondere nach konventioneller Konditionierung, Infektkomplikationen und GVHD (Langzeitüberlebensraten ca. 50%-60%) [3031].

6.2Therapiemodalitäten

6.2.1[Kapitel nicht relevant]

6.2.2[Kapitel nicht relevant]

6.2.3Medikamentöse Therapie

Sofern möglich sollten naive sowie vorbehandelte PNH-Patienten in laufende Therapiestudien eingeschlossen werden.

6.2.3.1Komplement-Inhibition durch Eculizumab oder Ravulizumab

Eine zielgerichtete Therapiestrategie stellt die Inhibition des terminalen Komplementsystems dar. Die humanisierten monoklonalen Antikörper Eculizumab bzw. Ravulizumab binden den Komplementfaktor C5, verhindern dessen Spaltung in die Fragmente C5a und C5b und blockieren damit die nachfolgende Bildung des terminalen Komplementkomplexes C5b-9. Bei Ravulizumab handelt es sich um eine molekulare Modifikation von Eculizumab. Durch den Austausch im Bereich der variablen Antigenbindungsstelle kommt es zu einer pH-abhängigen Dissoziation von C5 im Endosom. Anderseits kommt es durch den Austausch zweier Aminosäuren in der CH-3 Domäne der schweren Kette zu einer pH-abhängigen Bindung an den neonatalen Fc-Rezeptor. Dadurch kann nach Dissoziation von C5 im Endosom der Antikörper nach extrazellulär recycliert werden [32]. Dadurch wird eine Verlängerung der klinischen terminalen Halbwertszeit von 11,3 Tage für Eculizumab auf 49,7 Tage für Ravulizumab erreicht.

Im Rahmen der Eculizumab-Therapie erfolgt die Gabe von 600 mg Eculizumab wöchentlich für 4 Wochen, gefolgt von 900 mg alle 2 Wochen über ca. 30 Minuten mit einer 60-minütigen Nachbeobachtung (siehe Fachinformation für Eculizumab).

Die Therapie mit Ravulizumab erfolgt neu mit einer gewichtsabhängigen Dosierung: Zunächst wird eine Aufsättigung mit 2700 mg (≥ 40 bis < 60 kg KG = 2400 mg; ≥ 100 kg KG = 3000 mg) und nach 2 Wochen eine Erhaltungstherapie mit 3300 mg (≥ 40 bis < 60 kg KG = 3000 mg; ≥ 100 kg KG = 3600 mg) durchgeführt, die dann alle 8 Wochen wiederholt werden muss. Die Infusion sollte über ein 0,2 µm Filtersystem über 1,7-2,4 Stunden (je nach Antiköpermenge) erfolgen, gefolgt von ein Nachspülung von 100 ml NaCl zur vollständigen Applikation der gesamten Menge (siehe Fachinformation für Ravulizumab).

Drei Wochen vor Beginn der Behandlung mit Komplement-Inhibitoren ist eine Impfung gegen Meningokokken obligatorisch vorgesehen. Nach Empfehlung der ständigen Impfkommission vom 18.01.2018 ist zusätzlich eine Impfung gegen den in Mitteleuropa prävalenten Meningokokkenstamm B mit Meningokokken-Gruppe-B-Impfstoff (Bexsero oder Trumenba) für diese Risikogruppe vorgesehen. Bei Neueinstellung eines Patienten mit Eculizumab oder Ravulizumab empfielt es sich jedoch, zumindest die obligatorische Impfung gegen Meningokokken Gruppe B vor der ersten Infusion mit den beiden Impfstoffen zurückhaltend anzugehen, da durch die Applikation dieser Impfstoffe die Hämolyse bis hin zu einer hämolytischen Krise verstärkt werden kann. Ein Ausweg entsprechend Fachinformation für Ravulizumab kann in einer primären antibiotischen Prophylaxe bis zum Einsatz der Impfung bestehen (siehe auch Therapieschemata in Abbildung 2 und Abbildung 3).

Indikationen:

Eculizumab ist zur Behandlung von symptomatischen Patienten mit paroxysmaler nächtlicher Hämoglobinurie vorgesehen [33]. Das Medikament sollte vor allem bei Komplikationen wie durch Hämolyse bedingtem Transfusionsbedarf (hier sollte die Hämolyse- von der Zytopenie-bedingten Anämie unterschieden werden), nach stattgehabten thromboembolischen Ereignissen, PNH-assoziierter Niereninsuffizienz, abdominellen Schmerzkrisen oder anderen schwerwiegenden PNH-bedingten Symptomen [3435] eingesetzt werden. In einigen Fällen ist die Einschätzung eines Patienten als asymptomatischer PNH-Patient schwierig. Zur Klärung eines solchen Sachverhaltes stehen die Autoren der Leitlinien gern zur Verfügung. Die Therapie mit Eculizumab erfolgt in der Regel als Langzeittherapie, da der zu Grunde liegende Zelldefekt, gemessen an der Klongröße, durch die Verabreichung des Antikörpers nicht ursächlich beeinflusst wird. Zuvor symptomatische Patienten (siehe oben) können von einer Eculizumab - Langzeittherapie durch Reduktion krankheitsassoziierter Symptome und Komplikationen wie renale Funktionsstörungen und pulmonale Hypertonie profitieren, auch das Überleben ist gegenüber einer historischen Kontrollgruppe am gleichen Behandlungszentrum signifikant verbessert [3637].

Abbildung 2: Therapieschema für den Einsatz von Eculizumab 
Therapieschema für den Einsatz von Eculizumab

Ravulizumab ist seit Juli 2019 ebenfalls zur Therapie der Hämolyse bei Patienten mit PNH zugelassen, wenn ein oder mehrere klinische Symptome als Hinweis auf eine hohe Krankheitsaktivität vorliegt, sowie bei Patienten, die klinisch stabil sind, nachdem sie mindestens während der vergangenen 6 Monate mit Eculizumab behandelt wurden (siehe Fachinformation für Ravulizumab). Aufgrund der deutlich längeren Halbwertszeit von Ravulizumab (50 vs. 11 Tage) muss die Erhaltungstherapie nur alle 8 Wochen erfolgen [3839].

Abbildung 3: Therapieschema für den Einsatz von Ravulizumab 
Therapieschema für den Einsatz von Ravulizumab

Risiken und Probleme unter Komplement-Inhibition (Eculizumab bzw. Ravulizumab):

  • Aufgrund der Hemmung der terminalen Komplementstrecke besteht ein erhöhtes Risiko für eine Infektion mit kapselbildenden Bakterien insbesondere Meningokokken, entsprechend sollte mit Therapiebeginn eine Meningokokken-Schutzimpfung mit einem tetravalenten Konjugatimpfstoff (Nimenrix® oder Menveo®) durchgeführt werden (Wiederholung der Meningokokkenschutzimpfungen alle 3 Jahre). Eine Impfung vor Therapiebeginn ist aufgrund des Risikos für getriggerte hämolytische Krisen und möglichen Thrombosen problematisch. Es sollte dann mit Therapiebeginn/Impfung eine Prophylaxe mit geeigneten Antibiotika für 2 Wochen erfolgen. Unter einer stabilen Komplementinhibtion sollte dann aufgrund deren höheren Immunogenität die Impfung gegen die häufigeren B-Stämme erfolgen (Trumenba® oder Bexsero®, siehe auch Therapieschema)

  • Bei Hinweisen auf eine Meningokokken-Infektion (insbesondere Fieber, aber auch Kopfschmerzen u.a. mit Übelkeit oder Erbrechen, Nackensteifigkeit, Hautausschlag, Verwirrtheitszustand) umgehende ärztliche Abklärung im Rahmen des Risikoplans (Notfallausweis!). Weiterhin ist eine Stand-by-Therapie mit 750 mg Ciprofloxacin oder Amoxicillin/Clavulansäure bei Hinweisen auf eine Meningokokken-Infektion (plötzliches Fieber, Vigilanzstörungen, Kreislaufinsuffizienz etc.) sinnvoll.

  • Unter Therapie mit Eculizumab/Ravulizumab sollten insbesondere regelmäßige Kontrolle des Blutbildes, Retikulozyten, Hämolyseparameter (insbesondere LDH und Bilirubin), Eisenparameter (insbesondere Ferritin), PNH-Klongröße, Folsäure, Vitamin B12 und monospezifischer Coombs-Test zum Nachweis von Komplementfaktoren auf der Erythrozytenoberfläche (C3d, ggf. auch C3c) als Hinweis auf eine extravasale Hämolyse erfolgen [40].

  • Durchbruchhämolysen sind durch einen relevanten Anstieg des LDH-Wertes und klinische Symptome gekennzeichnet. Diese können aufgrund einer Unterdosierung (pharmakokinetisch) oder durch komplementverstärkende Faktoren/Umstände (Infektionen, Schwangerschaft etc.; pharmakodynamisch) bedingt sein.

  • Bei Hinweisen auf Durchbruchhämolysen erfolgt vorgezogen kurzfristig erneute Gabe der anstehenden Therapiedosis. Unter Therapie mit Eculizumab Anpassung der Dosis durch Verkürzung des Zeitintervalls auf 12 Tage [37]. Alternativ kann eine Erhöhung der Dosis auf 1200 mg Eculizumab alle 14±2 Tage versucht werden. Bislang gibt es keine klinischen Erfahrungen zur Umstellung der PNH-Patienten von einer erhöhten Eculizumab-Dosis wegen Durchbruchhämolyse auf Ravulizumab. Somit sollten diese Patienten einer Umstellung gegebenenfalls nur unter kontrollierten klinischen Studienbedingungen zugeführt werden.

  • In den vorliegenden klinischen Studien hat die Behandlung mit Ravulizumab eine vorteilhaftere Pharmakokinetik sowie einen Trend zu weniger Durchbruchhämolysen ergeben. Somit ist eine primäre Einstellung auf Ravulizumab bzw. Umstellung der Patienten von Eculizumab auf Ravulizumab möglich.

  • Bei Patienten, die mit Ravulizumab eingestellt sind, kann die Erhaltungstherapiedosis ab der zweiten Gabe nach Aufsättigung um jeweils 7 Tage nach vorn oder hinten geschoben werden. Damit sind auch Durchbruchhämolysen, die zum Ende der Acht-Wochenfrist auftreten, aufzufangen [3839]. Im Hinblick auf eine Erhöhung der Einzeldosis gibt es aktuell keine Erfahrungen.

  • Elektive Operationen sollten direkt nach der letzten Gabe von Eculizumab bzw. Ravulizumab geplant werden. Bei etwaigen Durchbruchhämolysen sollte eine zusätzliche Gabe von Eculizumab/Ravulizumab erwogen werden. Unabhängig hiervon sollte perioperativ eine Thromboseprophylaxe z.B. durch ein niedermolekulares Heparin erfolgen.

  • Bei einer gleichzeitigen Gabe von Hyperimmunglobulinen kann es sowohl bei Eculizumab und Ravulizumab durch den induzierten Hyperkatabolismus zu einem Abfall der therapeutischen Antikörperspiegeln kommen und damit zu einer Durchbruchhämolyse. Die betroffenen Patienten sollten daher engmaschig überwacht werden hinsichtlich eines Durchbruchs bzw. eine zusätzliche Dosis von Eculizumab bzw. Ravulizumab erhalten

  • Bei einem etwaigen Abbruch/Beendigung der Therapie mit Eculizumab bzw. Ravulizumab sollten engmaschige Kontrollen von Blutbild und Hämolyseparameter zur Früherkennung etwaiger schwerwiegender Hämolysen oder Hämolyse-assoziierter Komplikationen erfolgen [32].

6.2.3.2Beurteilung des Therapieansprechens

Die Anti-C5-Antikörper Eculizumab und Ravulizumab können aufgrund ihres Wirkmechanismus nur die intravasale Hämolyse der PNH beeinflussen. Die extravasale Hämolyse bleibt unbeeinflusst und bestimmt neben anderen Faktoren (Schwere des begleitenden Knochenmarkversagens, CR1-Polymorphismus etc.) das klinische Ansprechen unter diesen Therapien. Die Beurteilung des Ansprechens unter Komplementinhibition kann beurteilt werden anhand des Transfusionsbedarfs, des LDH-, des Hämoglobin-Wertes sowie der Retikulozyten [32]. Das hämatologische Therapieansprechen bei PNH-Patienten wurde seitens der EBMT erarbeitet und sollte die Grundlage der Beurteilung sowohl des individuellen Ansprechens vor Therapieumstellung als auch der Maßstab innerhalb von klinischen Studien sein (Tabelle 5).

Tabelle 5: Mögliche Klassifikation des hämatologischen Ansprechens unter Anti-Komplement-Therapie bei PNH 

Ansprechen

Transfusionsbedarf

Hämoglobin

LDH*

Retikulozyten

Vollständiges Ansprechen

Kein

≥12 g/dl

≤1,5x ULN

und ≤150/nl

Sehr gutes Ansprechen

Kein

≥12 g/dl

>1,5x ULN

oder >150/nl

Gutes Ansprechen

Kein

≥10 g/dl - <12 g/dl

A. ≤1,5x ULN
B. >1,5x ULN

Ausschluss AA/BMF°

Partielles Ansprechen

Kein/gelegentlich

(≤2 Eks alle 6 Monate)

≥8 g/dl - <10 g/dl

A. ≤1,5x ULN
B. >1,5x ULN

Ausschluss AA/BMF°

Geringfügiges Ansprechen^

Kein/gelegentlich

(≤2 Eks alle 6 Monate)

<8 g/dl

A. ≤1,5x ULN
B. >1,5x ULN

Ausschluss AA/BMF°

Regelmäßig

(3-4 alle 6 Monate)

<10 g/dl

Reduktion um ≥50%

<10 g/dl

Kein Ansprechen^

Regelmäßig

(>6 alle 6 Monate)

<10 g/dl

A. ≤1,5x ULN
B. >1,5x ULN

Ausschluss AA/BMF°

ULN=Obergrenze des Normalbereichs, AA=Aplastische Anämie, BMF=Knochenmarkversagenssyndrom
*A. und B. sind Untergruppen ohne oder mit relevanter intravasaler Hämolyse
°Insbesondere bei Retikulozyten unter 60/nl wird eine Knochenmarkdiagnostik empfohlen
^Für Patienten, die die Transfusion von EKs ablehnen gilt: Geringfügiges Ansprechen: Hämoglobin ≥6 g/dl – <8 g/dl, kein Ansprechen: Hämoglobin <6 g/dl
Zur Beurteilung sollte von Hämoglobin, LDH und Retikulozyten der Medianwert über 6 Monate beurteilt werden

6.3Besondere Situationen

6.3.1Schwangerschaft

Schwangerschaften bei PNH-Patientinnen sind mit einer hohen maternalen und fetalen Letalität verbunden mit einem erhöhten Risiko für atypische Thrombosen (11,6 % bzw. 7,2 % [41]) und stellen in jedem Fall eine Hochrisiko-Schwangerschaft dar. In Fallberichten wurde über erfolgreiche Schwangerschaften unter Eculizumab berichtet ohne Hinweise auf Teratogenität bei jedoch kleiner Fallzahl [42]. Eine laufende Therapie mit Eculizumab sollte bei Diagnose einer Schwangerschaft nicht unterbrochen werden. Bei Schwangerschaftswunsch von PNH-Patientinnen sollte unter Abwägung aller Risiken und Komplikationen individuell eine Therapie mit Eculizumab erwogen werden. Ggf. muss aufgrund von Durchbruchhämolysen in der Schwangerschaft eine Dosisanpassung erfolgen (bis zu 900 mg wöchentlich). Daten zum Einsatz von Ravulizumab in der Schwangerschaft liegen im Gegensatz zu Eculizumab bislang nicht vor. Bei Schwangerschaft bzw. bereits bei Schwangerschaftswunsch sollte daher keine Therapie mit Ravulizumab (Bindung an den neonatalen Fc-Rezeptor) erfolgen. [Kapitel nicht relevant]

7Verlaufskontrolle und Nachsorge

Siehe Abschnitt 5 (Textteil Verlaufskontrolle)

8Literatur

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9Aktive Studien

10Therapieprotokolle

11Studienergebnisse

12Zulassungsstatus

14Anschriften der Experten

Prof. Dr. Peter Bettelheim
Labor Europaplatz
Europaplatz 7
A-4020 Linz
Univ.-Prof. Dr. med. Tim Henrik Brümmendorf
Universitätsklinikum RWTH Aachen
Medizinische Klinik IV
Klinik für Onkologie, Hämatologie,
Hämostaseologie und Stammzelltransplantation
Pauwelsstr. 30
52074 Aachen
Dr. med. Britta Höchsmann
Universitätsklinik Ulm
Institut für Klinische Transfusionsmedizin und Immungenetik
Helmholtzstr. 10
89081 Ulm
PD Dr. med. Jens Panse
Universitätsklinikum RWTH Aachen
Medizinische Klinik IV
Klinik für Onkologie, Hämatologie,
Hämostaseologie und Stammzelltransplantation
Pauwelsstr. 30
52074 Aachen
Prof. Dr. med. Alexander Röth
Universitätsklinikum Essen
Klinik für Hämatologie
Westdeutsches Tumorzentrum
Hufelandstr. 55
45122 Essen
Prof. Dr. med. Hubert Schrezenmeier
Universitätsklinikum Ulm
Institut für klinische Transfusionsmedizin
Helmholtzstr. 10
89081 Ulm
Prof. Dr. med. Jörg Schubert
Elblandklinikum Riesa
Innere Medizin II
Hämatologie/Onkologie & Gastroenterologie
Weinbergstr. 8
01589 Riesa
PD Dr. med. Georg Stüssi
Servizio di Ematologia
Istituto oncologico della
Svizzera Italiana
Viale Ospedale
CH-6500 Bellinzona

15Erklärung zu möglichen Interessenkonflikten

nach den Regeln der tragenden Fachgesellschaften.

 

Name

Anstellung / Führungspo-sition

Beratung / Gutachten

Aktien/ Fonds

Patent / Urheberrecht/ Lizenz

Honorare

Finanzierung wissenschaft-licher Untersuchun-gen

Andere finanzielle Beziehun-gen

Bettelheim

Krankenhaus der Elisabethinen, Linz

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Alexion

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Brümmendorf

Universitäts- klinikum Aachen

-

-

-

Alexion

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Röth

Universitäts- klinikum Essen

Alexion

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-

Alexion

Alexion

-

Schrezenmeier

Universitäts- klinikum Ulm

Alexion

-

-

Alexion, Genzyme

Alexion,

Genzyme

-

Schubert

Elblandklinikum Riesa

Alexion

Stüssi

Istituto oncologico della Svizzera Italiana

Alexion

-

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Alexion

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Reference:

Quellenangabe:

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